Weltweit erlebt
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14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Eines von fünf Treffen zum Bibelverse lesen auf Deutsch (Foto: EMS/Brucksch)
Eines von fünf Treffen zum Bibelverse lesen auf Deutsch (Foto: EMS/Brucksch)
21. Januar 2018

Zwischen Abschieden, Arbeiten und Gottesdiensten

Louisa-Marie

Louisa-Marie

Südkorea
wirkt in der Urban Industrial Mission mit
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Mein Freiwilligendienst ist schon wieder fast vorbei und ich kann es um ehrlich zu sein selbst kaum fassen, wie viel ich in dieser kurzen Zeit erlebt habe. Hinter mir liegen zwei Umzüge, die Arbeit in der Yeongdongpo Urban Industrial Mission (YDPUIM), das Unterrichten von Bibelversen auf Deutsch und noch viel mehr.

Nun aber genauer. Im Oktober und November habe ich in der YDPUIM mitgearbeitet. Ich beschreibe mal wie ein durchschnittlicher Arbeitstag für mich aussah. In der Regel begann mein Morgen mit meiner Ankunft gegen 10Uhr und einer Tasse Kaffee. Vormittags traf ich mich dann mit Pastor Yang. Bei einer Tasse Tee oder Kaffee sprachen wir dann über einen Teil der Geschichte des YDPUIM. Es gibt nämlich ein Buch über die Geschichte der YDPUIM, das in koreanischer aber auch in englischer Sprache verfügbar ist. Und um die Hintergründe der YDPUIM zu verstehen, las ich über die Woche ein Kapitel und wir sprachen dann über das, was ich gelesen habe. Außerdem arbeitete Pastor Yang an einem weiteren Buch, das aufgrund des 60jährigen Jubiläums dieses Frühjahr veröffentlicht wird. Das Buch wird die Geschichte der YDPUIM in Bildern zeigen. Während unserer Buchbesprechungen durfte ich schon einen Teil  der Bilder sehen. Das machte die Geschichte nochmal lebendiger.

Gegen 11:30Uhr ging ich dann zurück ins Büro und las oder trank meinen Kaffee bis es um ca. 12Uhr heißt "식사!" also Mittagessen. Im Erdgeschoss des Gebäudes versammelten sich dann alle Mitarbeiter der YDPUIM und auch die Mitarbeiter des dazugehörigen Obdachlosenheims kamen hinzu und wir aßen alle gemeinsam zu Mittag. Nicht selten kamen dabei spannende Unterhaltungen zustande. Manchmal ging ich nach dem Essen dann in den dritten Stock um mit ein paar meiner Kollegen Tischtennis zu spielen. Das Tischtennisspielen ist eine Art freiwillige Mittagspausenbeschäftigung, bevor alle wieder zur Arbeit gehen. Auch wenn ich nicht so gut bin, Spaß hat es dennoch immer viel gemacht! Ansonsten half ich dabei, den "Versammlungsraum" mit meinem Chef Pastor Song vorzubereiten. Dort sind immer wieder verschiedene Veranstaltungen wie zum Beispiel eine Gruppe für Eltern mit Kindern mit Behinderungen, eine Entspannungsgruppe für Manager oder auch Protestvorbereitungen für illegal gefeuerte Arbeiter. Gegen 16Uhr war mein Arbeitstag dann auch meist schon wieder vorbei und ich machte mich auf den Heimweg.
In der YDPUIM wird aber nicht nur Tischtennis gespielt und Bücher besprochen. Es gibt viele weitere Projekte. So zum Beispiel das nahegelegene Obdachlosenheim, in dem die obdachlosen Menschen etwas zu Essen und einen Platz zum Ausruhen finden. Außerdem bekommen auch Menschen Unterstützung, welche illegal gefeuert wurden, das zum Beispiel durch das Organisieren von Protesten. Meiner Ansicht nach hat die YDPUIM eine ziemliche Vielfalt an verscheidenen Projekten und Dingen in denen mitgewirkt wird und es ist schwer das in Worte fassen zu können. Neben meinen regulären Arbeitstagen durfte ich auch bei ein paar besonderen Veranstaltungen teilnehmen. So war ich an einem Abend in Ansan, einer Stadt nicht weit von Seoul. Dort steht die Gedenkstätte für das Sewolferryunglück.

Dieses Unglück jährt sich bald zum vierten Mal und ist auch heute noch sehr präsent in Korea. Am 16. April 2014 sank das Schiff Sewol auf dem Weg von Incheon nach Jeju Island. Bei diesem Unglück sind 304 Menschen, größtenteils Highschoolschüler von einer Schule in Ansan, ums Leben gekommen und noch immer werden Menschen vermisst. Die Gedenkstätte in Ansan besteht aus einem riesigen zeltartigen Gebäude und vielen kleineren Containern. Im Hauptgebäude sind Bilder zu sehen von allen Menschen, die bei diesem Unglück ihr Leben verloren haben. Vor den Bildern ist eine Art Tischreihe mit Briefen, Bildern und anderen Erinnerungsstücken von Angehörigen. Es ist unheimlich traurig und ergreifend an all den Bildern entlangzulaufen. In einem der Container ist eine Art Kapelle in der regelmäßig Gottesdienste in Gedenken an die Opfer stattfinden. An einem dieser Gottesdienste nahm ich abends teil, zwar waren wir nicht viele Besucher, wieso erkläre ich gleich. Denn nach dem Gottesdienst ging es für mich mit einem Pfarrer zum National Assembly, also quasi dem Bundestag von Korea, vor dem Gebäude campten Eltern der Opfer des Unglücks, da am nächsten Tag über die Erlassung eines neuen Gesetzes entschieden werden sollte. Die Details des Gesetzes kenne ich leider nicht direkt, aber mir wurde erzählt, dass es wichtig sei um die Ermittlungen über die Gründe für das Unglück fortzuführen. Während wir uns mit einigen der Eltern unterhielten wurden wir direkt mit einem warmen Getränk und etwas zu Essen versorgt. So schlimm das Sewolferryunglück ist, es war wirklich faszinierend für mich zu erleben, wie die Familien zusammenhalten und sich gegenseitig Kraft schenken. Es scheint als wäre aus einem tragischen Schicksal auch etwas schönes entstanden. So gibt es auch einen Chor, der aus Angehörigen der Opfer besteht. Wen es interessiert, der Chor ist unter dem Namen '416합창단' online zu finden.


Plötzlich waren die zwei Monate in der YDPUIM für mich auch schon wieder vorbei und es hieß Abschied nehmen. Auch wenn es kein Abschied für immer war, fiel es mir doch schwer nicht mehr jeden Dienstag und Donnerstag mit einem fröhlichen 'Guten Morgen Louisa! Coffee?' begrüßt zu werden. Aber vor mir lagen unzählige Pläne, die mich beschäftigt hielten. Einer dieser Pläne war das Unterrichten von Bibelversen in Deutsch für ein paar Studenten der presbyterianischen Uni in Seoul. Wie das funktioniert? Nun, das wusste ich auch nicht so ganz vor meiner ersten Unterrichtsstunde. Die Idee kam ursprünglich von Saerom, der Frau meines Mentors Mino. Sie meinte, ich könnte ihnen und noch ein paar anderen Freunden ein paar Sätze Deutsch beibringen indem wir Bibelverse in Deutsch lesen und dann übersetzen. In kurzer Zeit wuchs die Idee und am Ende beworben wir das Ganze in der Uni. Schlussendlich waren wir inklusive mir zu acht. So trafen wir uns insgesamt fünfmal und lasen zuerst die Bibelstelle, welche wir für die jeweilige Stunde ausgesucht hatten. Vers für Vers übersetzten wir sie dann ins Englische bzw. Koreanische und so lernte ich ein wenig mehr Koreanisch und die Studenten ein paar Worte Deutsch.

Da der letzte Tag des Jahres nicht nur mein letzter Tag in der Namhyun Church war, sondern auch der des Seniorpastors, war es für mich und meine Freunde doppelt besonders. Ein Seniorpastor oder wie es auf koreanisch heißt 목사님 (Moksanim) ist sozusagen der Hauptpfarrer einer Gemeinde und ist auch derjenige, der in den Hauptgottesdiensten predigt. Unter ihm gibt es noch weitere schon geweihte und auch ungeweihte Pfarrer, welche beispielsweiße den Jugendgottesdienst betreuen. Neben den drei morgendlichen regulären Gottesdiensten gab es nachmittags einen Abschiedsgottesdienst für den Seniorpastor. Nach 24 Jahren Dienst in dieser Kirche waren die Gemeindemitglieder und auch der Seiniorpastor ziemlich traurig und es flossen zahlreiche Tränen. Außerdem wurde der neue Seniorpastor willkommen geheißen.
Anders als ich es aus Deutschland gewohnt war, wird das neue Jahr mit einem Gottesdienst statt mit einem großen Feuerwerk Willkommen geheißen. Somit ging ich nicht wie normalerweise Sonntags gegen 16 Uhr nach Hause, sondern kochte mit Grace, einer Freundin von mir, Spagetti mit Tomatensoße für das abendliche Buffet für uns und ihre Kollegen von der Sundayschool. Nach dem Potluck ruhten wir uns noch ein wenig aus. Um 11 Uhr Nachts war dann meine letzte Familytime (vergleichbar mit einer Jugendgruppe in der Kirche) mit Abschiedsgeschenken und sogar einem Video voller gemeinsamer Bilder aus den vergangenen drei Monaten. Und dann war auch schon Mitternacht. Um kurz vor 12 gingen wir in den Kirchenraum und zählten den Countdown mit. Um Punkt Mitternacht beginnt der Gottesdienst und alle wünschen sich erstmal ein gutes neues Jahr. Der Rest des Gottesdienstes ist dann wie die anderen auch, bis auf ein kleines Detail. Statt die Kollekte einzusammeln verteilen die Elders (Kirchenältesten) Buchzeichen mit Bibelversen. So hat jeder quasi seine ganz persönliche Jahreslosung. Am Neujahrstag lernte ich dann auch den Grund kennen, wieso man nach dem koreanischen Prinzip nicht an seinem Geburtstag sondern am 1.1. jeden Jahres älter wird. Er nennt sich Ricecakesoup. Wenn man diese am Neujahrstag isst, wird man ein Jahr älter. So bin ich also innerhalb von fünf Monaten aufgrund meines Geburtstages und der Ricecakesoup um drei Jahre gealtert.

Wie ich Weihnachten in Korea verbracht habe und vieles mehr gibt es bald hier zu lesen! Nun ein etwas verspätetes 새해 복 많이 받으세요! Also ein gutes neues Jahr.

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Der Werbeflyer meines Deutschbibellesekurses (Foto: EMS/Brucksch)
Der Werbeflyer meines Deutschbibellesekurses (Foto: EMS/Brucksch)
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Meine englisch-koreanische Bibel und meine Neujahrslosung für 2018 (Foto: EMS/Brucksch)
Meine englisch-koreanische Bibel und meine Neujahrslosung für 2018 (Foto: EMS/Brucksch)