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14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Die Wüste Wadi Rum (Foto: EMS/ Knapmeyer)
Die Wüste Wadi Rum (Foto: EMS/ Knapmeyer)
05. Juni 2018

The Sound of Silence

Lisann

Lisann

Jordanien
arbeitet in der Theodor-Schneller-Schule mit
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Der Klang der Stille

An das berühmte Lied „The Sound of Silence“ von dem Duo Simon and Garfunkel musste ich in letzter Zeit immer wieder denken. Der Text hat mich inspiriert diesen Blogbeitrag zu schreiben. 

Meine Einsatzstelle, die Theodor-Schneller-Schule, liegt vor den Toren Ammans, der Haupt- und vier Millionenstadt Jordaniens. Zwar ist das Gelände der TSS sehr groß, dennoch gibt es 24 Stunden lang ein Großstadtrauschen zu hören. Am Anfang ist mir dieser Lärm nicht aufgefallen. Wenn ich aber einfach nur da sitze und lausche, nerven ständiges Hupen, die Krankenwagensirenen und Feuerwerkskörper. Auf Dauer stresst der Geräuschpegel, der viele Verkehr mit ständigen Staus ist anstrengend; die Stadt kommt nie zur Ruhe.

Deswegen bin ich mit meinen beiden Mitfreiwilligen Annika und David vor kurzem zur Erholung vom Großstadtalltag in die Wüste Wadi Rum gefahren.

 

Das Wüstengebiet Wadi Rum im Süden Jordaniens gehört seit 2011 zum UNESCO Welterbe und erstreckt sich über ein Gebiet von 740km2. Entstanden ist es vor ca. 30 Millionen Jahren. Durch den ostafrikanischen Grabenbruch wurden Granit-und Sandsteinfelsen angehoben. Mit Zeit und Wind wurde Sand von den Felsen abgetragen, sodass es neben den unzähligen Felsformationen nun auch Sand gibt. Anders als ich es mir vorgestellt hatte, ist das Wadi Rum alles andere als karg, sondern total vielfältig.

Gemeinsam mit einem kolumbianischen Paar und unserem beduinischem Guide sind wir mit einem Jeep den ganzen Tag durch die Wüste gefahren, haben uns besondere Steinformationen angeschaut und sind auf die ein oder anderen hinaufgeklettert. Diese Abenteuertour hat viel Spaß gemacht und war eine nette Abwechslung zu unserem Alltag. Neben der Weite und den beeindruckenden Felsformationen konnten wir frühzeitliche Inschriften bestaunen, die über Jahrtausende von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen hinterlassen wurden.

Da es im Winter zum Teil in der Wüste regnen kann, gibt es einige Quellen. Der Sand- und Granitstein speichert das Regenwasser, sodass nach und nach aus den Gesteinsrillen kleine Wasserquellen entspringen. Viele mobile Tierhalter*innen nutzen seit Jahrtausenden von Jahren die Quellen im sonst sehr kargen Land. Seit mehreren Jahrzehnten sind Beduin*innen im Wadi Rum beheimatet. Einige von ihnen sind in den letzten Jahren sesshaft geworden und leben nun ausschließlich vom Tourismus.

Aber nicht nur die Tourist*innen-Highlights waren für mich aufregend, sondern die Stille der Wüste wahrzunehmen ist ebenfalls ein Erlebnis wert.

In der Nacht unter freiem Sternenhimmel konnte ich das Naturwunder noch mehr genießen. Den nächsten Vormittag verbrachten wir selbstständig in der Wüste. Wir saßen auf einem Felsen und haben gelesen. Obwohl wir zeitweise fast 500m voneinander entfernt saßen, konnten wir uns - ohne schreien zu müssen - verständigen. Noch nie habe ich so eine Stille wahrnehmen können. So ruhig, kein sommerliches Grillenzirpen, keine Autos, keine Gespräche, einfach nur Stille. Während ein Vogel über mich geflogen ist, konnte ich jeden einzelnen Flügelschlag hören, wie der Vogel langsam nähergekommen ist, über mir geflogen ist und sich wieder entfernt hat. Solche Wahrnehmungen gehen sonst so oft unter.

Nach knapp 30 Stunden Wüste hat es sich angefühlt, als wäre ich zwei Wochen weggewesen. In dieser doch kurzen Zeit konnte ich abschalten und bin schließlich erholt nach Amman zurückgekommen. Dass der Klang der Stille tatsächlich existiert und wie erholsam er sein kann, hätte ich mir vorher nicht aushören können. Ich will mir vornehmen öfter an ruhige Orte zu fahren, allein die Natur wahrzunehmen und versuchen in sie einzutauchen. Die Erfahrung, wie gut ich mich durch Ruhe und Stille erholen kann, werde ich definitiv als wichtiges Gepäckstück mit zurücknehmen.

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Annika, David und ich auf einem Felsbogen wähhrend unserer Jeeptour. (Foto: EMS/Mai)
Annika, David und ich auf einem Felsbogen wähhrend unserer Jeeptour. (Foto: EMS/Mai)
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Zum Abschluss der Jeeptour konnten wir einen herrlichen Sonnenuntergang genießen. (Foto: EMS/Mai)
Zum Abschluss der Jeeptour konnten wir einen herrlichen Sonnenuntergang genießen. (Foto: EMS/Mai)