Weltweit erlebt
ÖFP

Weltweit erlebt

10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

info_outline
Plakate am Straßenrand für die nächsten Wahlen (Foto: EMS/Suwita)
Plakate am Straßenrand für die nächsten Wahlen (Foto: EMS/Suwita)
28. Januar 2020

Privilegien

Charlotte

Charlotte

Indonesien
unterstützt eine Einrichtung für Kinder mit Behinderung
zur Übersichtsseite

Schaut man sich den Instagram Feed vieler junger Menschen an (meiner miteingeschlossen), darf das obligatorische Urlaubsfoto eigentlich nicht fehlen - am Strand in Thailand, in den Bergen in Südamerika, in Städten wie Paris, London oder New York. Doch wie ist es hier in Indonesien, wo die meisten Leute, mit denen ich Kontakt habe, noch nie aus Sulawesi weg waren?

Dieses Mal möchte ich meinen Blogpost gerne Privilegien widmen, mit denen ich hier auf eine ganz andere Art und Weise konfrontiert werde. Dabei ist Geld natürlich die eine Sache – hinzukommen aber auch Bildung, Hautfarbe und Chancen. Schon als wir beim zweiten Vorbereitungsseminar in Stuttgart dieses Thema behandelt haben, hat mich das sehr beschäftigt. Jetzt, hier angekommen, wird mir mein privilegierter Lebensstil noch viel mehr vor Augen geführt, oft in ganz subtilen Dingen. Auch wenn ich mir vorher durchaus bewusst war, in Deutschland das Glück zu haben, eine gute Ausbildung genießen zu dürfen, sozial abgesichert zu sein und keine finanziellen Probleme zu haben, ist es doch noch einmal etwas anderes hier mit konkreten Beispielen konfrontiert zu werden.

Das fing damit an, dass hier nicht so viele Leute gut Englisch sprechen können. Wenn ich mir dann bewusst werde, dass ich Deutsch, Englisch und Französisch in der Schule bis zu einem sehr guten Niveau gelernt habe, fällt da schon ein Unterschied auf. Bildung und Gesundheit sind hier abhängig vom Einkommen. Die Leute, die es sich leisten können, schicken ihre Kinder in bessere, private Schulen. Das gleiche gilt für Krankenhäuser. Ein Freund in Mamasa hat mir mal erzählt: „In Indonesien kann jeder Arzt werden – solange er genug Geld hat. 500 Millionen Rupiah (umgerechnet ca. 33 000€) sind der Preis dafür“. Somit bleibt das Problem der „Reichen für die Reichen“ leider bestehen.

Ein anderer Punkt, den ich oben schon angesprochen habe, ist die Hautfarbe: in Deutschland hätte ich mich niemals als „weiß“ bezeichnet und irgendwie bezweifle ich, dass es andere gemacht hätten. Hier ist das umgekehrt der Fall: In meiner zweiten Woche im Panti hat ein Mädchen ihren Arm neben meinen gelegt und dann darauf gezeigt und „weiß“ gesagt. Da war ich erstmal etwas verwirrt. Das Schönheitsideal der helleren Hautfarbe ist schon uralt: Früher wurde eine dunklere Hautfarbe automatisch mit der Arbeit der ärmeren Bevölkerung verbunden, mit Leuten die in der Landwirtschaft oder auf dem Bau arbeiteten und somit sehr viel Sonnenlicht ausgesetzt sind. Verstärkt durch die Kolonialisierung der reicheren und „wertvolleren“ Niederländer und den heutigen westlichen Schönheitsidealen, wird dieser Trend aktiv durch die Medien und die Produkte gefördert. So hat der Fernseher meiner Gastfamilie einen Blaustich, wodurch die Hautfarbe der Schauspieler*innen sehr weiß wirkt. Das betrifft auch die Werbeplakate für die nächsten Wahlen in Toraja 2020, die man überall am Straßenrand sieht. Zudem versprechen viele Cremes und Seifen einen „whitening effect“, der auch aktiv in deren Fernsehwerbung als wichtigstes Merkmal hervorgehoben wird (z. B. mit vorher – nachher Bildern). Das geht so weit, dass der Slogan oder der Name einiger Produkte eine hellere Haut mit positiven Attributen bewerben z. B. die Marke „fair and lovely“. Im Gegensatz zu Rassismus, der sich gegen BIPOC (Black indigenous People of Colour) wendet, handelt es sich hierbei um „Colorism“. Dieser macht sich ausschließlich an der Hautfarbe fest. Eine dunklere Hautfarbe wird als weniger schön, weniger rein und weniger wertvoll angesehen. Die Folgen sind schlechtere Jobchancen, eine fehlende Repräsentierung in den Medien und oftmals Minderwertigkeitskomplexe vor allem junger Mädchen, die das Gefühl haben „nicht (hübsch) genug zu sein“.

Meine Erfahrungen sind dagegen gegensätzlich: Ich persönlich bekomme hier die ganze Zeit sehr positive Aufmerksamkeit gegenüber meinem Aussehen - wenn mir gesagt wird, ich sei so schön oder wenn nach Fotos gefragt wird, wird dann auch oft auf meinen helleren Teint verwiesen, was mich dann immer etwas traurig stimmt.

Am Meisten beschäftigt hat mich neulich der Kommentar eines Mädchens aus dem Panti, die, nachdem ich sie fragte warum sie denn weiße Haut schöner findet, meinte, dunkle Haut wäre „dreckig“ und auf ihren Arm gezeigt hat. Das war zwar mehr als Witz gemeint, aber dieser Ausdruck aus dem Mund einer Zehnjährigen, die ständig mit diesem Schönheitsideal (dem sie in diesem Bereich eben nicht entspricht) konfrontiert wird, konnte ich nicht so schnell vergessen.

Was mich schlussendlich auch überrascht hat, ist, dass obwohl Indonesien sehr unter der Kolonialisierung der Niederlande gelitten hat, heutzutage so gut wie keine negativen Gefühle gegenüber dem ehemaligen Kolonialland, beziehungsweise generell den entwickelteren Ländern zu spüren sind. Im Gegenteil, mir wurde schon gesagt, dass die Leute dankbar sind für das Schulsystem oder die westliche Medizin. Manchmal habe ich das Gefühl, dass in den Köpfen mancher Leute der Gedanke der Gleichstellung noch nicht ganz da ist und sich manche Indonesier automatisch immer etwas unterordnen, vielleicht aus Respekt gegenüber der starken Wirtschaft und des höheren Lebensstandards der Industrienationen.

Ich möchte nochmal darauf hinweisen, dass das hier meine persönlichen Eindrücke sind, die auf gar keinen Fall auf ganz Indonesien zutreffen. Diesmal habe ich aber auch einige andere Quellen unten verlinkt, von denen auch zwei Erfahrungsberichte afroamerikanischer Frauen in Indonesien sind.

Das war jetzt auf jeden Fall ein etwas ernsteres Thema – vielleicht hat es ja den ein oder anderen auch etwas zum Nachdenken angeregt.

Liebe Grüße aus Toraja,

Charlotte

 

Quellen:

https://www.faz.net/aktuell/stil/leib-seele/schoenheit-in-asien-hautaufhellung-als-neuer-trend-13629450.html

https://www.greenleft.org.au/content/colourism-south-and-south-east-asia

https://www.spiegel.de/gesundheit/psychologie/helle-haut-warum-hautbleichmittel-weltweit-boomen-a-917876.html

Zwei Erfahrungsberichte Afroamerikanischer Frauen zu Colorism in Indonesien: https://www.theatlantic.com/notes/2016/10/indonesia/503372/

https://indonesiaful.com/2017/05/11/when-your-identity-is-a-problem/

info_outline
Eine von vielen Seifen, die Gäste ins RBM mitgebracht haben (Foto: EMS/Suwita)
Eine von vielen Seifen, die Gäste ins RBM mitgebracht haben (Foto: EMS/Suwita)