
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Weihnachten bei 30°C und Sonnenschein
Wenn ich an Weihnachten denke, schießen mir sofort diese Dinge in den Kopf: Plätzchen backen, am 23. Dezember noch schnell einen Weihnachtsbaum und restliche Weihnachtsgeschenke kaufen, gemütlich und mit roten Bäckchen über den Weihnachtsmarkt schlendern, Adventskalender, fast ununterbrochen „Last Christmas“ im Radio und vor allem die Kälte draußen… Ich hatte mich schon im Vorhinein darauf eingestellt, dass die indonesische Weihnachtszeit anders ablaufen wird als in Deutschland und schaute ihr mit eher gemischten Gefühlen entgegen:
Am 30. November war es endlich soweit! Der Plastikweihnachtsbaum wurde herausgeholt und festlich geschmückt. Keinen Tag zu früh, denn am 1. Dezember kamen schon die ersten Gäste zu Besuch, um ihre Weihnachtsfeier in der großen Aula des Pantis zu feiern. Wie sich bald herausstellte, sollte es nicht die einzige Weihnachtsfeier gewesen sein…
Die typische Weihnachtsfeier beginnt immer mit einer Ibada (Gottesdienst/Andacht), die bis zu zwei Stunden andauern kann. Der schönste Moment innerhalb dieses Gottesdienstes ist, wenn jeder Gast seine Kerze erleuchtet, während zusammen „Malam kudus“ (Stille Nacht, Heilige Nacht“) gesungen wird! (Viele der indonesischen Weihnachtslieder wurden einfach aus dem Deutschen/ Englischen/ Französischen übernommen) In diesen Momenten kam auch bei mir endlich die lang ersehnte „Weihnachtsstimmung“ auf. An den offiziellen Gottesdienst schließen sich die Reden an, die sich ganz schön lange ziehen können! Vor allem, wenn daneben schon das Büffet aufgebaut wird. Denn das gemeinsame Essen scheint eine wichtige Tradition nach jeder indonesischen Veranstaltung zu sein. Manchmal wird sogar eine Verlosung abgehalten, bei der man kleine Geschenke gewinnen kann. Ein einziges Mal war das Glück auf meiner Seite und deshalb kann ich mich jetzt als stolze Besitzerin eines „Tempat Sendoks“ (Löffelhalter) bezeichnen!
Einige Male wurden wir auch zu Weihnachtsfeiern außerhalb des Pantis eingeladen. Dann stellte sich immer die Frage: „Wie sollen 32 Kinder dorthin kommen?“ Daraufhin wurden entweder zwei Pete-Petes (Minibusse) gemietet oder das Auto des Pantis wurde bis oben hin mit Kindern vollgestopft. Diese Fahrten waren immer besonders lustig!
Trotz der vielen Weihnachtsfeiern kam ich nicht so wirklich in Weihnachtsstimmung. Als mich dann auch noch die Nachrichten vom ersten Schnee zuhause erreichten (und ihr wisst ja, wie sehr ich Schnee liebe…), wünschte ich mir sehnlichst, Weihnachten in Deutschland verbringen zu können. Ich brauchte ein paar Tage um zu akzeptieren, dass ich hier niemals das gleiche Weihnachtsfest erleben würde, wie ich es aus Deutschland gewohnt war. Dafür hatte ich aber die Chance, eine andere Art, Weihnachten zu feiern, kennenzulernen.
Um aus meinem Tief herauszukommen und den Kindern gleichzeitig auch Einblicke in deutsche Weihnachtstraditionen zu ermöglichen, organisierte ich eine Plätzchenbackaktion mit den Kleinen im Panti. Zum Glück besaß das Panti einen kleinen Ofen, der einfach auf die Gasflamme gestellt wird. Nachdem ich alle Zutaten und Backutensilien besorgt hatte, konnte es losgehen. Die Kinder stürzten sich voller Motivation und Euphorie in die Arbeit und wir hörten dabei Weihnachtslieder. Da wir aber nur ein Wellholz hatten, ein paar der Kinder sich um die letzten Teigreste stritten und andere eine wilde Mehlschlacht abhielten, herrschte ein ziemliches Chaos in der Küche. Dazu kam, dass die Kinder es gar nicht erwarten konnten, ihre Ausstecherle zu probieren und sie nicht, wie vorgesehen, auf das Backblech zu legen, um sie später zusammen mit den Großen zu essen. Deshalb holten sie kurzerhand eine Pfanne heraus und fingen an, ihre Ausstecherle zu frittieren! Sozusagen „Plätzchen goreng“. Schlussendlich habe ich es dann doch noch geschafft sie zu überzeugen, ihre Plätzchen im Ofen zu backen. Zwar sind die Plätzchen teilweise etwas angebrannt, aber es kamen insgesamt ca. vier Bleche voller Weihnachtsgebäck aus dem Ofen. In der Küche sah es aus wie im Saustall und als es dann ans Aufräumen ging, sind alle Kinder plötzlich spurlos verschwunden! Komisch… Leider ließ ich die Plätzchen danach zum Abkühlen unbeaufsichtigt in der Küche stehen, weshalb die Kinder sich so viele Plätzchen stibitzten, dass es für jedes Kind am Ende nur noch ein Plätzchen reichte.
Eine Woche später wollte ich die Plätzchenbackaktion wiederholen und nahm spontan drei der kleinen Mädchen mit in den Supermarkt, um die Zutaten zu kaufen (Nachdem die Prüfungen in der ersten Dezemberwoche abgeschlossen waren, hatten die Schüler nur noch sehr unregelmäßigen Unterricht). Die Kinder dürfen normalerweise das Gelände des Pantis nicht verlassen, weshalb sie sehr aufgeregt waren. Im Supermarkt hatten wir dann sehr viel Spaß, denn wir hielten ein kleines Fotoshooting ab, was die anderen Kunden schmunzelnd beobachteten! In der Ausbeute unserer „Shoppingtour“ befand sich auch eine Packung Raketen. Damit wollte ich, bevor die Kinder an Weihnachten in ihre Dörfer fahren, ein kleines Abschiedsfeuerwerk organisieren. Denn hier in Toraja ist es üblich, nicht erst an Neujahr Raketen zu zünden, sondern schon während der gesamten Vorweihnachtszeit. Des Öfteren startet auch mal die ein oder andere Rakete mitten am Tag. Trotz einer gefährlichen Fehlzündung konnten die Kinder das Feuerwerk aber in vollen Zügen genießen.
Wie zuvor schon erwähnt, ist es den Kindern im Panti nicht erlaubt, einfach mal so in die Stadt zu fahren. Da jedes Kind von Gästen einer Weihnachtsfeier aber ein Geldgeschenk bekommen hat, wurde eine Ausnahme gemacht und die Kinder durften in kleinen Gruppen Rantepao unsicher machen. Das hat mich unheimlich gefreut und ich habe mich ihnen angeschlossen. Zusammen mit drei Mädels im Alter von 16-18 begab ich mich also auf einen Einkaufsbummel. Es war so schön zu sehen, wie sie aufblühten und ihren freien Nachmittag außerhalb des Pantis in vollen Zügen genossen! Zum Abschluss des erfolgreichen Tages setzten wir uns noch gemütlich an den Lapangan Bakti, DER zentrale Platz und Treffpunkt in Rantepao, und gönnten uns „Pisang goreng“ (frittierte Bananen) mit „Saraba“ (heißes Ingwergetränk). Ein richtig schöner Mädelsausflug!
Da sich der indonesische Präsident Joko Widodo (kurz: Jokowi) für den Dezember angekündigt hatte, wurde ein abwechslungsreiches Programm für den ganzen Monat unter dem Namen „Lovely December“ angeboten. Dieses beinhaltete viele Aktivitäten und Konzerte und auf dem Lapangan Bakti wurde sogar ein großer Weihnachtsbaum aus Bambus aufgebaut. Von ganz Sulawesi reisten Menschen an, um „Lovely December“ mitzuerleben und Rantepao war so voll wie noch nie. Das Positive dabei war, dass irgendwo immer etwas los war, allerdings gab es plötzlich auch sehr viele Staus… Schlussendlich überlegte der Präsident es sich anders und verbrachte den Dezember dann doch lieber in Kalimantan.
Bevor die Kinder für drei Wochen in ihre Dörfer fuhren, stand am 18. Dezember noch ein gemeinsamer Abschlussausflug ins Schwimmbad an. Die Aufregung war groß und einige Mädels machten sich nicht wenige Gedanken über ihr Schwimmoutfit. Denn hier ist das Tragen eines Bikinis nicht üblich. Stattdessen springt man einfach mit voller Montur ins Wasser. Es wurde viel getobt, gesprungen und Ball gespielt. Einige Kinder konnten nicht schwimmen, weshalb ich mit ihnen auf dem Rücken ins Tiefe geschwommen bin und dabei fast selber ertrunken wäre… Ich kam also auch definitiv an meine Grenzen. Obwohl die Kinder nach diesem spaßigen Ausflug fix und fertig waren, hatten heute viele noch einen langen Nachhauseweg vor sich. Denn im Panti wurde so Mancher schon von einem Familienmitglied erwartet. Schnell wurde der Rucksack gepackt und dann hieß es für sie „Auf Wiedersehen Panti!“ Vollbepackt und oft auch zu dritt auf einem Motorroller fuhren sie davon und ich vermisste sie schon jetzt. Ich bekam schon einmal eine Vorahnung davon, wie es sein wird, wenn ich mich Ende Februar endgültig von ihnen verabschieden muss. Obwohl sie mich manchmal echt zur Weißglut bringen, merkte ich nun, als sie fort waren, dass ich sie mittlerweile echt in mein Herz geschlossen habe.
Da das Panti ohne Kinder wie ausgestorben war, fuhr ich am 24. Dezember mit Ibu Elis und ihren drei Töchtern in das Dorf „Maruang“, wo ich zusammen mit ihrer Familie das Weihnachtsfest feierte (Zuvor hatte ich aufgrund der unerträglichen Hitze mit der 6-Jährigen Tita eine Wasserschlacht veranstaltet). Da Weihnachten hier aber erst am 25. Dezember zelebriert wird, war der Heiligabend zunächst sehr unspektakulär. Es wurde zusammen gegessen und anschließend Fernseher geschaut. Das änderte sich aber schlagartig, sobald die Eltern ins Bett gegangen waren. Die Stereoanlage wurde aufgebaut, die Musik laut aufgedreht und „Ballo“ (Palmwein) aus einer Plastiktüte getrunken. Mit einem Feuerwerk starteten wir dann in den 25. Dezember. Dass der Heiligabend so eine Wendung nehmen würde, hätte ich niemals erwartet. Zwar war ich eher in Partystimmung als in Weihnachtsstimmung, aber ich habe den Abend auf jeden Fall genossen!
Nach einer sehr kurzen Nacht war am nächsten Morgen frühes Aufstehen angesagt. Denn Tita (Elis´ jüngste Tochter) sollte im Rahmen des Weihnachtsgottesdienstes getauft werden. Bei ihrer großen Schwester Ella stand außerdem im selben Gottesdienst die Konfirmation an. Deshalb wurde schon früh am Morgen mit dem Styling angefangen, damit auch alles perfekt saß. Der Weihnachtsgottesdienst an sich war meiner Meinung nach eher unspektakulär. Zwar wurden zwischendurch die Kinder getauft, bzw. konfirmiert, und der Chor hat vorgesungen, aber ansonsten verlief er wie ein gewöhnlicher Gottesdienst. Anschließend wurde gemeinsam das Weihnachtsessen gekocht und verspeist. Nachmittags mussten wir dann erst einmal wieder zu Kräften kommen, um abends von Haus zu Haus zu fahren und weitere Familienmitgliedern „Selamat Hari Natal“ zu wünschen, Kekse zu essen und süße Softdrinks zu trinken.
Trotz meiner anfänglichen Skepsis hat mir die indonesische Weihnachtszeit sehr gut gefallen. Weit entfernt vom deutschen vorweihnachtlichen Stress konnte ich sehr viel Zeit mit den Kindern verbringen und mein Verhältnis zu ihnen noch einmal stärken. Im Vergleich zu Deutschland, wo Weihnachten fast nur noch durch die Geschenke definiert wird, steht hier das Beisammensein mit Familie, Freunden und Gemeinde eindeutig im Vordergrund.
So, und wer wie ich nach dem 27. Dezember dachte: „Weihnachten ist jetzt abgehakt- erst in knapp 11 Monaten fängt das Ganze wieder von Vorne an!“, der hat falsch gedacht! Denn hier werden auch im Januar noch vereinzelt Weihnachtsfeiern abgehalten! ;)

