
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Ein Blick hinter die Kulissen des Pantis
Selamat datang di Panti Asuhan!
Es sind nun drei Monate vergangen, seit ich am 10. September zum ersten Mal das Gelände des „Panti Asuhan“ betreten habe. Der erste Tag mit all seinen ersten Eindrücken wird mir wahrscheinlich für immer in Erinnerung bleiben! Das Bild, das ich mir im Vorhinein von Rantepao und vom Kinderheim gemacht habe, entsprach natürlich nicht der Realität und in meinem Kopf wimmelten hunderte von Fragen:
- Werde ich mich hier die nächsten sechs Monate wohlfühlen?
- Wie soll ich mir über dreißig Namen merken können? (Für mich sahen die Kinder alle zum Verwechseln ähnlich aus…)
- Wie verständige ich mich mit den Kindern?
- Werde ich ohne Waschbecken und Dusche überleben können?
- ...
In den darauffolgenden Wochen wurden einige dieser Fragen beantwortet, es kamen aber auch Neue hinzu. Genau wie ich damals habt ihr bestimmt auch viele Fragen, die hoffentlich in diesem Blogeintrag beantwortet werden:
Was genau verbirgt sich hinter dem Namen „Panti“?
Das „Panti Asuhan Kristen Tagari- Tangentoe“, kurz PAK Tagari, ist ein Waisenhaus der Gereja Toraja (Toraja Kirche) und wurde 1964 gegründet. Zunächst hatte es seinen Standort in dem Dorf Tangmentoe, wurde dann aber nach Tagari versetzt und heißt deshalb „Tangmentoe - Tagari“. Unter den Menschen in ganz Rantepao wird es einfach nur das „Panti“ genannt.
Wer lebt alles im Kinderheim und warum?
Zurzeit leben hier 32 Kinder im Alter von 6 bis 18 Jahren. Die Meisten stammen aus den umliegenden Dörfern Rantepaos. Es handelt sich jedoch nicht um Vollwaisen, denn das ist in Toraja fast nicht möglich, da die Familie hier eine sehr große Rolle spielt. Die Familien hier sind so groß und gefühlt ist hier jeder mit jedem verwandt (auch viele Kinder des Pantis sind über ein paar Ecken miteinander verwandt). Deshalb können sie Weihnachten in ihren jeweiligen Dörfern bei ihren Familien verbringen. Aber warum müssen sie dann in einem Kinderheim leben? Meines Wissens hat jedes Kind einen Elternteil verloren (meistens den Vater), und die Mütter sind nicht mehr in der Lage, sich ausreichend, vor allem finanziell, um die Kinder zu kümmern. Das Panti ermöglicht den Kindern dreimal am Tag eine gesunde und volle Mahlzeit, bezahlt das monatliche Schulgeld und versorgt die Kinder mit neuer Kleidung, Hygieneartikeln und Schulmaterialien (diese Dinge werden oft durch Spenden von Gästen erhalten).
Ach, das hätte ich fast vergessen: Auf dem Gelände des Pantis leben auch noch zwei Wachhunde und viele Hühner (zum Teil nachtaktiv…)!
Wer arbeitet hier?
Um die vielen Kinder in Schach zu halten, arbeiten hier fünf Mitarbeiter: Rev. Bertha Biatong ist verantwortlich für das ganze Heim und die religiösen Andachten am Abend. Pak Nofri ist ein 26-jähriger Theologiestudent und kümmert sich um die Jungs. Ibu Elisabeth wohnt mit ihren drei Töchtern ebenfalls hier im Panti und ist verantwortlich für die Mädchen. Außerdem gibt es noch Pak Zet, der alle Verwaltungsangelegenheiten und Finanzen regelt. Damit die Kinder nach ihrem anstrengenden Vormittag nicht auch noch kochen müssen, zaubert Pak Anton jeden Tag ein leckeres Mittagessen auf den Tisch. (Ibu und Pak sind die gängigen Anredeformen hier in Indonesien. Dabei heißt Ibu zwar wörtlich übersetzt „Mutter“ und Pak „Vater“, sie werden aber auch im Sinne von Herr X und Frau X verwendet.)
Wo liegt das Panti?
Das Panti liegt etwas außerhalb von Rantepao im Stadtteil Tagari. Mit dem Motorroller braucht man ungefähr fünf Minuten bis ins Stadtzentrum, in dem man alles Wichtige kaufen kann. Es macht auch unheimlich viel Spaß, in die umliegenden Dörfer zu fahren und das Landleben kennenzulernen. Rund um Rantepao gibt es außerdem viele traditionelle Grabstätten und andere Touristenattraktionen, die ich noch längst nicht alle ausgekundschaftet habe.
Der Standort ist perfekt für ein Kinderheim. Zwar liegt es etwas am Rande Tagaris und das Gelände grenzt an einen Fluss, aber direkt neben der Schule befindet sich ein großes Schul- und Ausbildungszentrum, weshalb die Kinder nur einen sehr kurzen Schulweg haben.
Wohnen im Panti…
Auf dem Gelände des Pantis gibt es insgesamt sechs Gebäude: Ein Verwaltungsgebäude, den Jungs- und Mädchentrakt und ein Haus mit Essensraum und Küche. Ich teile mir zusammen mit Pina (und ein paar Gekkos) ein sehr geräumiges Zimmer. Dieses Zimmer liegt im sechsten Gebäude, in dem sich außerdem das Zimmer von Bertha und Speicherräume für Reis befinden. Nach einer großen Umstellaktion, der Anbringung unserer Moskitonetze und ersten Wanddekorationen lässt es sich nun sehr gut wohnen in unserem Zimmer. Was uns am Anfang etwas gestört hat, ist die Tatsache, dass es kein Bad in diesem Gebäude gibt. Des Öfteren begeben wir uns deshalb, mit Regenmantel und Taschenlampe ausgerüstet, auf den nächtlichen Toilettengang ins andere Gebäude ;)
Das Herz des Pantis bildet die große Aula, in der jeden Nachmittag gelernt wird und die Hausaufgaben bearbeitet werden. Auf der Tribüne befinden sich auch die Nähmaschinen und Xylofone, die aber leider nur sehr selten genutzt werden. In der Aula werden auch die Gäste empfangen, die dort zum Teil Gottesdienste, Geburtstage und andere Events abhalten. Vor allem an Feiertagen „pilgern“ Gruppen von zum Teil mehr als 100 Menschen ins Panti. Der Rekord liegt bis jetzt bei vier verschiedenen Gästegruppen an einem Tag (und jedem Gast durfte ich persönlich die Hand geben! Das macht ungefähr 500mal Händeschütteln…). Die Kinder dürfen dann immer an den Veranstaltungen teilnehmen und auch oft ein Lied vorsingen. Die Besuche der Gäste sind meistens auch verbunden mit Spenden, die aus Geld, Hygieneartikeln, Nahrungsmitteln und vor allem aus Reis bestehen (am besagten Feiertag erhielt das Panti insgesamt ca. 800kg Reis!). Manchmal scheint es, als würden sich die Gäste nur für ihre Veranstaltung, nicht aber für die Kinder, interessieren. Das ist sehr schade, denn für die Kinder ist es sehr anstrengend, ständig an diesen Veranstaltungen teilzunehmen und immer ein gutes Bild abzugeben. Mir gefallen diese Besuche auch längst nicht mehr so gut wie am Anfang, da sie meistens während der knappen Freizeit der Kinder oder während der Hausaufgabenzeit stattfinden, die hier aus meiner Sicht aus eine viel zu unwichtige Rolle einnimmt.
Wie sieht ein normaler Tag im Panti aus?
-04:30 Uhr: bangun (aufstehen!)
-05:30 - 06:00 Uhr: makan pagi (Frühstück)
-07:00 Uhr: pergi ke sekola (in die Schule gehen)
-13:00 Uhr: makan siang (Mittagessen)
-14:00 – 15:00 Uhr: tidur/istrahat siang (Mittagsschlaf/ Mittagspause)
-15:00 Uhr: kerja di kebum (Gartenarbeit)
-16:30 Uhr: mandi (Duschen)
-17:00 Uhr: belajar (lernen und Hausaufgaben machen)
-18:30 Uhr: makan malam (Abendessen)
-19:00-20: 00 Uhr: perdoa dan laporan dari hari ini (Abendandacht und Bericht des Tages)
-20:30 Uhr: tidur (Schlafenszeit!)
Was sind meine Aufgaben?
So, aber was mache ich nun denn genau den ganzen Tag im Panti? Um ehrlich zu sein ist es gar nicht so einfach, meine Aufgaben hier zu benennen. Das Problem liegt darin, dass die Kinder hier nach einem straffen Tagesablauf leben und mir dadurch nicht viel Zeit für eigene Projekte mit den Kindern bleibt. Die jüngeren Kinder kommen meistens so gegen 11 Uhr von der Schule zurück, und dann heißt es für mich spielen, spielen, spielen. UNO, Domino, Fangen, Ausmalbilder malen und Ukulele spielen stehen auf dem Tagesplan. Ich habe mir auch einen Fundus an Papier, Scheren und Kleber angelegt, sodass ich mit den Kindern basteln kann. Seit Oktober bin ich also schon fleißig dabei, Weihnachtsdekoration zu basteln, denn das machen die Kinder am liebsten. Meine Hauptaufgabe liegt aber darin, den Kindern nachmittags bei ihren Hausaufgaben zu helfen. Aufgrund der anfänglichen Sprachschwierigkeiten stellte sich dies als eine sehr große Herausforderung heraus. Inzwischen klappt das aber in den Fächern Englisch und Mathe ganz gut und ich bin froh, dadurch auch einen Einblick in das indonesische Schulsystem und Lehrpläne zu bekommen. Ich fange an, den deutschen Unterricht richtig zu schätzen und bewundere die Kinder dafür, dass sie sich täglich motiviert an ihre Hausaufgaben setzen, obwohl diese meiner Meinung viel zu schwer sind und oft nicht gelöst werden können. Des Öfteren habe auch ich große Schwierigkeiten damit...
Wie werde ich angesprochen?
Nicht selten kommt es vor, dass mir auf den Straßen „Hello Mister“ hinterhergerufen wird. Dies ist zurückzuführen auf die niederländische Kolonialzeit und dabei spielt es keine Rolle, von welchem Geschlecht man ist. Es fällt einem hier sehr schnell auf, dass das Geschlecht einer Person hier nicht so wichtig ist. Zum Beispiel gibt es kein eindeutiges Wort für „Bruder“ und für „Schwester“, dafür wird aber streng zwischen dem jüngeren Geschwisterteil (Adik) und dem älteren Geschwisterteil (Kakak) unterschieden (die Kinder im Panti sprechen mich übrigens auch immer mit „Kakak Berit“ an).
Um noch einmal zu „Hello Mister“ zurückzukommen: Anfangs versuchte ich noch, den Hinterherrufenden zu erklären, dass es „Hello Miss“ heißen müsste, aber das habe ich inzwischen aufgegeben… Manchmal werde ich auch „bulé“, also „Weiße“, genannt. Das gefällt mir persönlich nicht so, da es so scheint, als ob ich dadurch nur auf meine Hautfarbe und die damit verbundenen Vorurteile reduziert werde. Außerdem bekomme ich das Gefühl, dass ich noch immer als Touristin betrachtet werde, obwohl ich schon seit drei Monaten hier lebe…
Wichtig: Die indonesische Sprache
Im Vorhinein wurde ich gewarnt: „Lern´ die Indonesische Sprache, denn dort wo du hingehst, sprechen nur sehr wenige Menschen Englisch!“ Zu meinem Glück trifft das aber nicht vollständig zu. Meine Mentorin Ibu Bertha spricht sehr gut Englisch. Das war vor allem in der ersten Zeit ein Segen, da meine Indonesischkenntnisse nur für den einfachsten Smalltalk ausreichten. Durch den vielen Kontakt mit den Kindern wurde mein Vokabular allerdings mit jedem Tag erweitert. So lernte ich zum Beispiel am Anfang durch das tägliche UNO-Spiel nicht nur die Farben, sondern auch viele gängige Flüche… Auch diverse Fachbegriffe der Mathematik kenne ich nun dank dem Helfen bei den Hausaufgaben.
Seit zwei Monaten gehen Pina und ich außerdem auch zweimal die Woche zum „Indonesischunterricht“. Dieser wird bei der aus Holland stammenden Ibu Stephanie abgehalten, die hier schon seit über 20 Jahren lebt und auch eine Familie gegründet hat. Des Öfteren kommt es aber auch vor, dass wir von unserem Unterrichtsthema abschweifen und einen Plauderstunde über alle möglichen kulturellen Themen und Eigenarten abhalten. Nach zwei Monaten lautet meine Antwort auf die Frage „Kamu bisa bicara Bahasa Indonesia?“ immer noch „Sedikit saja“ („Kannst du Indonesisch sprechen?“- „Nur ein bisschen“). Jedoch kann ich inzwischen die meisten alltäglichen Gespräche auf Indonesisch führen.
Die lokale Sprache „Bahasa Toraja“, die der Bahahsa Indonesia in fast nichts ähnelt, ist allerdings noch einmal eine andere Geschichte…
Wetter
Puhh, also das Wetter hier macht mir manchmal leider immer noch etwas zu schaffen. Wer mich kennt weiß, dass ich eigentlich eher der Winter- und Kältemensch bin. Warum genau habe ich mir deshalb ein Land in den Tropen für meinen Freiwilligendienst ausgesucht? Nobody knows… In Rantepao ist es zwar um einiges kühler und nicht so schwül wie in anderen Gegenden Indonesiens, aber mein Körper kann sich leider nicht an die täglichen 28°C gewöhnen. Meine Kleidung lässt sich auch nicht, wie in Deutschland, der Temperatur anpassen, da ich aus kulturellen Gründen nur lange Hosen und wenig ausgeschnittene Tshirts trage. Zurzeit ist Regenzeit in Indonesien, wodurch es ein bisschen abkühlt. (Allerdings regnet es auch in der Trockenzeit sehr viel, weshalb im Garten des Pantis ganzjährig Gemüse und Blumen angepflanzt werden). Jetzt kann man aber täglich Regen am Nachmittag erwarten. Das ist nicht immer angenehm, da dieser oft mit Stromausfall verbunden ist und das Prasseln des Regens auf dem Welldach sehr laut ist. Manchmal muss man sich richtig anschreien, damit man den anderen noch versteht ;) Dazu kommen die ohrenbetäubenden Donner, die zum Teil den ganzen Boden vibrieren lassen. Könnte ich meine Packliste im Nachhinein noch einmal überarbeiten, würde ich anstatt der sechs Paar Socken einen Regenschirm einpacken… Denn egal ob Regen oder Sonnenschein, man verbringt den ganzen Tag in Flipflops!
Was sonst noch so passiert ist…
Bis vor ein paar Wochen lebten hier noch 33 Kinder. Ein Mädchen hat das Panti leider verlassen, nachdem es von einer Ibu mit dem Gürtel geschlagen wurde, weil sie nicht arbeiten wollte. Ich selbst habe von der Situation erst im Nachhinein erfahren, als sie schon abgehauen ist. Um ehrlich zu sein, hat mich das ganze ziemlich mitgenommen. In Indonesien ist das Schlagen der Kinder noch immer eine gängige Bestrafungsmethode (zum Teil auch in der Schule, wenn die Kinder ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben). Obwohl ich schon oft davon gehört habe, hat es mich besonders geschockt, dass diese Art der Bestrafung auch bei den Kindern im Panti angewandt wird. Für die Ibu gab es danach keinerlei Konsequenzen und mit den anderen Kindern wurde nicht darüber gesprochen. Mir persönlich fällt es nun viel schwerer, dieser Ibu zu vertrauen, da sich mein Bild von ihr durch diesen Vorfall stark verändert hat und das macht mich sehr traurig. Allerdings habe ich mich inzwischen mit der Situation abgefunden, vorallem da ich als außenstehende Deutsche nicht das Recht habe, diese Situation zu kritisieren oder mich sogar in sie einzumischen. Jedoch hoffe ich, dass es in nächster Zeit nicht noch einmal passiert.
Wie geht es weiter?
Inzwischen habe ich mich hier sehr gut eingelebt und fühle mich sehr wohl. Auch die Namen der Kinder konnte ich mir dann doch ganz schön schnell merken. Der Alltag ist eingetrudelt und ich verstehe viele Situationen und Verhaltensweisen der Indonesier besser. Eines fällt mir jedoch immer wieder auf: Jedes Mal, wenn ich denke, eine Situation schon zu kennen und es anfängt langweilig zu werden, dann passiert irgendetwas Neues, womit ich so überhaupt nicht gerechnet habe. Es sind zwar noch längst nicht alle wichtigen W-Fragen abgehakt, aber ich hoffe ihr konntet einen Einblick in das Leben im „Panti Asuhan Kristen Tagari“ erhaschen. Falls ihr noch weitere Fragen habt, die euch brennend interessieren, dürft ihr sie mir gerne in die Kommentare schreiben.
Weihnachten rückt nun immer näher! Das erkennt man daran, dass fast täglich irgendwo eine Weihnachtsfeier stattfindet. Wie ich die indonesische Vorweihnachtszeit erlebt habe, das erfahrt ihr im nächsten Beitrag!
Bis dahin wünsche ich euch allen eine schöne Adventszeit und „Selamat Hari Natal“! (schöne Weihnachten!)

