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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Dolphin's Nose Kodaikanal (Foto: EMS/Hildenbrandt)
Dolphin's Nose Kodaikanal (Foto: EMS/Hildenbrandt)
08. Oktober 2018

Meine Erwartungen und Ängste

Jule

Jule

Indien
wirkt in einem Frauenzentrum mit
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Ich bin jetzt schon seit etwas über einem Monat hier in Indien und würde gerne mal einen Blogeintrag über meine Erwartungen und Ängste, die ich mit nach Indien gebracht habe, schreiben. Zuerst einmal aber ein kurzes Update über meinen Trip nach Kodaikanal und Kanyakumari.

Am 23.08. traf ich mich mit meinen Mitfreiwilligen Sophia und Lea in Madurai und von dort aus ging es dann mit einem Bus die gewundene Straße hinauf nach Kodaikanal. Die Stadt liegt relativ hoch in den Bergen (ca. 2200 Meter), so dass es, vor allem nachts, schon etwas kühler werden kann (ca. 15-25 Grad). Manche Inder haben da, meiner Meinung nach, trotzdem mit ihren Daunenjacken, Handschuhen, Mützen und Schals etwas übertrieben.

Das Wandern, das wir für den zweiten Tag unseres Aufenthalts geplant hatten, stellte sich als sehr atemberaubend dar. Nicht wegen des tollen Ausblicks, eigentlich konnte man nur in eine weiße Wolke hineinblicken, sondern eher wegen des Luftmangels (man kann diesen Luftmangel natürlich mit der ungewohnten Höhe begründen oder einfach mit meiner Unsportlichkeit…).

Am 26.08. sind wir dann für einen Tag nach Palani gefahren. Palani ist eine sehr wichtige Pilgerstätte für Hindus, da hier auf einem Hügel, den man mit einer Seilbahn erreichen kann, ein Tempel des Gottes Murugan steht. Natürlich wollten wir uns auch den Tempel von innen angucken. In Indien gibt beim Einlass eigentlich immer verschiede Schlangen mit verschiedenen Preisen, die dann darüber entscheiden wie lange man anstehen muss und wie weit vorne man steht. Da wir absolut keine Ahnung hatten wo wir hin sollten, sind wir im Endeffekt ganz vorne gelandet. Nachdem wir in der mit Gitterstäben abgesperrten Schlange gewartet haben und endlich im Tempel waren, wurden wir in ein kleines, extra abgesperrtes Abteil geführt. Einer der Tempeldiener hat vor der Statue Murugans, die mit Feuer beleuchtet wurde, ein paarmal eine Glocke für uns geläutet, uns wurde einer weißer Punkt auf die Stirn gemalt und nach einer kleinen Spende gefragt. Alles in allem, irgendwie ein sehr mystisches und surreales Erlebnis.

An unserem letzten Tag in Kodaikanal sind wir mit dem Tretboot auf den „Kodaikanal Lake“ hinausgefahren, auf dem wir dann jedoch nach ca. 45 Minuten von einem Platzregen überrascht wurden und schnell ans Ufer flüchten mussten. Am Nachmittag sind wir dann, nachdem der Regen aufgehört hatte, noch mit Pferden um den See geritten (der so übrigens viel kleiner wirkt, als wenn man drum herum läuft…).

Den Tag darauf ging es für uns weiter nach Kanyakumari, also in die südlichste Spitze Indiens. Hier haben wir uns die Tiruvallur-Statue und das Vivekananda Rock Memorial, zu dem man mit einer Fähre fahren kann, angeguckt. Außerdem waren wir im Gandhi Memorial, das hier errichtet wurde, da ein Teil der Asche Gandhis vor Kanyakumari im Meer verstreut wurde. Einen Tag haben wir außerdem in der nahegelegenen Stadt Nagercoil zum Shoppen verbracht.

Vom 01. bis zum 03. Oktober, waren Lea und Sophia dann noch hier bei mir an der Einsatzstelle.

Alles in allem hatten wir einen tollen Urlaub und ich habe die Zeit sehr genossen. Unsere Reise hat mir gezeigt, dass es hier einfach wichtig ist nachzufragen. Wenn man nicht weiß, welchen Bus man nehmen soll oder wo man aussteigen muss, kann man sich einfach an die anderen Passagiere wenden, auch wenn diese oft kein oder nur sehr schlecht Englisch sprechen. Die Leute hier sind unglaublich hilfsbereit. Ich habe auf meinem Weg nach Madurai zum Beispiel nie alleine umsteigen müssen, da sich immer jemand im Bus gefunden hat, der in den gleichen Bus umsteigen musste wie ich, dem ich dann einfach nachlaufen konnte und der mir rechtzeitig Bescheid gegeben hat, wenn ich aussteigen musste.

Nun aber genug von unserem Urlaub und zurück zu dem eigentlich Thema dieses Blogs, meinen Erwartungen. Ich versuche das Ganze mal einzuteilen in Dinge, von denen ich dachte, dass sie für mich kein Problem sein würden, die sich jedoch als Problem herausgestellt haben (1.-3.) und Dingen, vor denen ich Angst hatte, mit denen ich hier jedoch gar keine Probleme habe (4.-6.).

1. Sprache: Die Sprache ist eine Sache über die ich mir vor der Ausreise eigentlich wenig Gedanken gemacht habe. Hier in Tamil Nadu spricht man zwar Tamil, aber irgendwie war ich der Meinung, dass man sich mit ein wenig Englisch und mit der Hilfe von Händen und Füßen doch irgendwie verständigen kann. Dies ist jedoch schwerer als gedacht, da bei mir im Center wirklich nur sehr wenige Menschen Englisch sprechen und auch die Körpersprache und Gestik hier anders als in Deutschland ist. Ein weiteres Problem, das die Sprache mit sich bringt ist, dass man sich oft aus Gesprächen ausgeschlossen fühlt, da die Leute sich hier untereinander natürlich auf Tamil unterhalten.

Manchmal werde ich hier auch gefragt, ob ich den Kindern „English Grammar“ beibringen kann. Dies ist natürlich nicht so einfach, wenn ich ihnen den englischen Satz nicht auf Tamil übersetzen kann. Auch neue Spiele sind manchmal schwer bis unmöglich auf Englisch zu erklären.

2. Musik: Kasthuri „warnte“ mich zwar schon vor meiner Ausreise per E-Mail, dass ich mir auf jeden Fall Ohrenstöpsel mitnehmen solle, da in der Nähe meines Centers viele Hindu-Tempel stehen, die oft von morgens um 5 bis abends um 22 Uhr laute Musik laufen lassen. Ich hätte jedoch nicht gedacht, dass mir die Musik irgendwann so auf den Geist geht, vor allem wenn aus zwei Richtungen unterschiedliche Musik kommt und sie einen schon mitten in der Nacht aus dem Schlaf reist.

3. Heimweh: Da ich ja schon mal ein Jahr in Amerika gelebt habe und dort eigentlich nie Heimweh hatte, habe ich mir auch darüber wenig Gedanken gemacht. Hier ist es meiner Meinung nach jedoch schwerer kein Heimweh zu bekommen. Man lebt nicht in einer Familie, man versteht die Sprache nicht, das Essen ist neu, die Kultur und Sitten sind einem fremd und man ist weit weg von seiner Familie und Freunden. Es ist ganz bestimmt eine Frage der Zeit, trotzdem wollte ich es erwähnen, da es für mich doch etwas überraschend kam.

4. Essen: Über das Essen habe ich mir viele Gedanken gemacht. Ich mag weder scharfes Essen, noch esse ich morgens gerne herzhaft. Man gewöhnt sich jedoch relativ schnell an die Schärfe (sogar ein Jammerlappen wie ich, dem manchmal schon etwas zu viel Pfeffer zu scharf war) und, zumindest in meiner Einsatzstelle, hat auch niemand ein Problem damit, wenn ich meinen Dosa morgens mit Nutella statt Tomaten Chutney esse. Zu dem Thema Essen würde ich gerne auch noch einen separaten Blogeintrag schreiben und euch dann vielleicht auch mit ein paar leckeren Rezepten versorgen.

5. Reisen: Wie bereits angesprochen ist das Reisen, und hiermit meine ich den richtigen Bus zur richtigen Zeit zu erwischen, gute Unterkünfte zu finden etc., nicht so schwer wie gedacht. Klar, ich war hier erst einmal im Urlaub und es kann bestimmt auch mal etwas schief gehen. Trotzdem war ich überrascht wie einfach es ist, auch ohne Tamil lesen oder sprechen zu können, umher zu kommen.

6. Hitze: Auch vor der Hitze hatte ich vor meiner Abreise etwas Angst, aber es ist nicht so unmöglich wie gedacht, dieser zu entkommen. Natürlich ist es, vor allem mittags, sehr heiß, aber da man sich sowieso oft in den Räumen aufhält, in denen eigentlich immer ein Ventilator an der Decke hängt, ist dies auch kein Problem. Momentan hat es hier auch etwas abgekühlt und wir haben nur um die 28 Grad, was sehr angenehm ist.

Dies sind natürlich nur einige, wenige Punkte und ich bin mir sicher, dass sich mit der Zeit auch einige ändern oder weitere dazu kommen werden. Dies ist jedoch meine momentane Gefühlslage und ich bin gespannt, was die kommenden Wochen so mit sich bringen werden.

Bis bald!

Eure Jule

 

Extra Fact: „Bitte lächeln“

Heute gibt es mal eine etwas nervige Beobachtung. Vor allem auf unserem Trip nach Kodaikanal und Kanyakumari ist mir aufgefallen, dass uns sehr viele Inder auffällig angegafft haben oder zu uns gekommen sind, um Fotos mit uns zu machen. Manchmal hatte man da das Gefühl, neben den Tempeln und Memorials selbst die Hauptattraktion zu sein. Als wir uns in Kanyakumari zum Beispiel neben dem Rock Memorial gerade am Handy etwas über die Geschichte informierten, kam plötzlich eine Frau um die Ecke und setzte ihr kleines Baby einfach auf Sophias Schoß um ein Foto zu machen. Nicht lange später war auch der Rest der Familie versammelt und das Fotoshooting konnte beginnen.

Einige Menschen waren wirklich sehr nett und interessiert, was wir in Indien machen und wo wir herkommen. Ich muss aber zugeben, dass es nach einer Weile dann jedoch schon etwas nervig wurde…

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Fischerboote in Kanyakumari (Foto: EMS/Kreiter)
Fischerboote in Kanyakumari (Foto: EMS/Kreiter)
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Sonnenaufgang in Kanyakumari (Foto: EMS/Hildenbrandt)
Sonnenaufgang in Kanyakumari (Foto: EMS/Hildenbrandt)