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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Magilchi Illam Kinder (Foto: EMS/Kreiter)
Magilchi Illam Kinder (Foto: EMS/Kreiter)
14. November 2018

Ein Tag im WWTC

Jule

Jule

Indien
wirkt in einem Frauenzentrum mit
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Seit ich hier in Indien angekommen bin, scheint die Zeit irgendwie stehen geblieben zu sein. Die Temperaturen haben zwar etwas abgenommen, aber die Bäume sind immer noch strahlend grün und vor meinem Zimmer fliegen immer noch Papageien herum. Wenn ich jedoch auf meinen Kalender gucke, sehe ich, dass es bereits November ist! Höchste Zeit also, euch endlich von meinen Aufgaben hier im „Women Workers Training Centre“ (WWTC) zu berichten.

Wie bereits erwähnt, fand ich es gerade zu Anfang nicht so einfach einen Überblick über die verschiedenen Bereiche und Tätigkeiten des WWTC zu bekommen. Ich versuche euch das Ganze mal anhand meines „Tagesablaufs“ zu erklären.

Morgens: Um 8:00 Uhr klingelt mein Wecker (obwohl ich meistens sowieso schon um 5:00 Uhr durch die Kinder oder Musik aufgeweckt werde) und ab 8:30 Uhr gibt es dann Frühstück in der Gemeinschaftsküche. Anders als in vielen anderen Einsatzstellen esse ich hier nicht mit den Kindern, sondern mit dem Staff, einer Lehrerin, Kasthuri (der Leiterin), Chellakkani und ab und zu auch mit Gästen. Morgens sind die Kinder meistens in der Schule (es sei denn es regnet, dann fällt die Schule hier nämlich aus), weshalb ich oft zu der nahegelegenen Farm laufe. Hier treffen sich von morgens bis mittags das Day Care Center, eine Art Kindergarten und direkt daneben das Samathana Illam („Peaceful Home“), eine Gruppe Omas (Tamil: Patties), die sich zum Memory spielen und Tee trinken trifft.

Wenn ich nicht zur Farm gehe, kann ich auch im Sewing Centre, in dem die Frauen aus den umliegenden Dörfern Nähen lernen, meine Zeit verbringen. Das Unterrichten dieser Frauen unter anderem Teil des Arbeitsbereiches des WWTC. Neben dem Nähmaschinenunterricht bekommen sie auch Unterricht an der Schreibmaschine und dem Computer.

Mittags: Um ca. 13:00 Uhr gibt es dann Mittagessen. Danach bin ich oft erst mal etwas in meinem Zimmer, wasche Wäsche, lese, mache Musik,…

Manchmal überlege ich mir auch Bastelprojekte, die ich dann mit den Kindern des Magilchi Illam („Happy Home“) mache oder ich spiele mit ihnen nach der Schule auf dem Spielplatz. Im Magillchi Illam sind momentan 65 Kinder (6-20 Jahre alt), von denen viele Halbwaisen oder Kinder aus einkommensschwachen Familien sind, die durch das Heim die Möglichkeit bekommen zur Schule oder ins College zu gehen.

Das WWTC bietet desweiteren die „Bible Cum Vocational School“ für junge Mädchen an. Die sogenannten Trainees (ca. 18/19 Jahre alt) bleiben ein Jahr hier im Center und bekommen neben den Bibelkursen auch Unterricht an der Nähmaschine, Schreibmaschine und dem Computer. Mit den Trainees sitze ich mittags auch manchmal zusammen und bringe ihnen ein bisschen Gitarre, Geige oder Ukulele bei.

Dreimal die Woche habe ich mittags außerdem Tamil Unterricht bei Chellakkani.

Abends: Um 19:30 gibt es Abendessen. Danach sitze ich oft noch mit den Trainees und Collegegirls zusammen. Wir singen momentan entweder Weihnachtslieder oder ich versuche ihnen durch Gespräche etwas englische Grammatik beizubringen.

Nach dem Abendprayer um 21:00 Uhr gehe ich dann auf mein Zimmer und skype oft mit Freunden und Familie, schaue noch einen Film, mache etwas Yoga gegen meine Rückenschmerzen (man sitzt hier eigentlich immer auf dem Boden, woran sich mein Rücken noch nicht zu 100% gewöhnt hat) oder falle oft auch einfach schon todmüde ins Bett.

Sonstiges: Neben den bereits genannten Tätigkeiten helfe ich Kasthuri auch manchmal mit administrativen Aufgaben im Büro oder ich begleite sie und die Trainees zu Dorfbesuchen. Ich stehe dieser missionarischen Arbeit zwar eher kritisch gegenüber, aber es ist trotzdem schön, die Freude in den Gesichtern der Kinder zu sehen, wenn wir vorbeikommen und mit ihnen Lieder singen, Theaterstücke vorspielen oder Spiele spielen.

Eine weitere Aufgabe des WWTC ist die Entwicklungsarbeit in den umliegenden Dörfern. Das Center klärt die Menschen dort über Kinderrechte, Mädchenrechte, Umweltschutz etc. auf und hilft ihnen Gruppen und Komitees zu gründen.

Sonntag ist dann mein „freier Tag“. Ich gehe zwar morgens um 9.00 Uhr in die Kirche (was spät scheint, aber es ist der Tag an dem ich am frühesten aufwachen muss, um genug Zeit zu haben meinen Sari zu wickeln…), aber danach habe ich meistens frei.

Wie euch bestimmt aufgefallen ist, verwende ich oft die Wörter „meistens“, „manchmal“ und „oder“, was daran liegt, dass hier eigentlich kein Tag gleich aussieht und es meistens auch nicht so kommt wie man plant. Für mich war das gerade zu Anfang eine ganz schöne Umstellung, da ich gerade erst aus meinem strukturierten Tagesablauf, mit Abitur etc., in Deutschland kam. Ich gewöhne mich jedoch immer mehr daran und genieße es so viel Abwechslung in meiner Arbeit zu haben.

Genießt das kalte Wetter in Deutschland!

Bis bald!

Eure Jule

 

Extra Fact: Wackeldackel

Jeder der schon einmal in Indien war kennt es bestimmt: das Kopfwackeln. Dieses Kopfwackeln kann sowohl, wie bei uns in Deutschland das Kopfnicken, Zustimmung bedeuten oder aber auch ein nicht wissendes, eher ausweichendes „Ja na klar“ oder „Jaja ok.“ Zu Beginn meiner Zeit hier fand ich es sehr amüsant mit anzusehen, wie die Inder mit wackelnden Köpfen durch die Gegend laufen. Mich hat das immer an einen Wackeldackel erinnert, der im Kofferraum sitzt und den Verkehr hinter dem Auto mit wackelndem Kopf beobachtet. Mittlerweile erwische ich mich jedoch auch immer öfter dabei mit dem Kopf zu wackeln, statt zu nicken. Ich werde dann wohl auch als Wackeldackel nach Deutschland zurückkehren…

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Vor dem Sewing Center (Foto: EMS/Kreiter)
Vor dem Sewing Center (Foto: EMS/Kreiter)
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Magilchi Illam Kinder beim Basteln (Foto: EMS/Kreiter)
Magilchi Illam Kinder beim Basteln (Foto: EMS/Kreiter)