
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

60 years of PCC
Schon seit einigen Wochen liefen die Vorbereitungen - die verschiedenen Chöre der Gemeinde probten fleißig und der Pfarrer, die "Elders" und viele weitere Helfer kümmerten sich um die Organisation - und dann rückte das große Wochenende immer näher. Mittlerweile ist das schon drei Wochen her, aber ich möchte die Gelegenheit, darüber zu berichten, trotzdem nicht verpassen! Deshalb gibt es jetzt eine verspätete, aber dafür ausführliche Schilderung des PC-Days.
Zum besseren Verständnis möchte ich hier einen kleinen Überblick über die PCC geben. Die Presbyterian Church in Cameroon (PCC) ist eine Vereinigung von englischsprachigen, protestantischen Kirchen in Kamerun. Aufgrund der englischen Prägung sind die meisten PCCs im anglophonen Teil von Kamerun, es gibt allerdings auch einige im frankophonen Teil wie etwa hier bei uns in Douala. Entstanden ist die PCC aus der Basler Mission (heute Mission 21) heraus. Im Zuge der Kolonialisierung Kameruns kamen Missionare erstmals 1886 nach Kamerun. Sie begannen trotz einigen Hindernissen (z.B. Krankheiten wie Malaria) eine immer größer werdende Kirche aufzubauen. Die Basler Mission gründete auch viele Schulen, Gesundheitseinrichtungen und Universitäten. Unter anderem aufgrund der beiden Weltkriege ging die Missionsarbeit immer weiter in die Hände der Menschen vor Ort über, bis 1957 von beiden Seiten beschlossen wurde, dass es Zeit für die Unabhängigkeit ist und schließlich am 13. November die PCC gegründet wurde.
Deshalb hieß es dieses Jahr: Come let us celebrate! 60 years of PCC - we are moving on! (Auszug aus der Jubilee-Anthem, die von unserem Chor gesungen wurde). In vielen Kirchen der PCC wurde der "PC-Day" dieses Jahr trotz 60 jährigem Jubiläum nicht groß gefeiert, da dies im Angesicht der anglophonen Krise¹ unangemessen wäre. Unsere Gemeinde hat aber eine Ausnahme gemacht, da schon langfristig hoher Besuch geplant wurde, der nicht so einfach abgesagt werden konnte: eine Blechbläser Gruppe aus Deutschland und der Moderator der PCC (der Moderator ist der höchste Pastor und somit auch "Chef" der gesamten PCC) sollten kommen.
Mit der Band kam auch Johannes Stahl, der Partnerschaftskoordiator für Kamerun bei der BMDZ (Basler Mission Deutscher Zweig), nach Kamerun. Verena und ich haben uns am Donnerstag vor dem PC-Day mit ihm getroffen. Hier an dieser Stelle nochmal danke für all die Unterstützung und Ratschläge, Johannes!
Am Samstagnachmittag ging es dann so richtig los. Alle Chöre und Gruppen der Gemeinde hatten sich vor der Kirche bereitgestellt, jeder mit einem weißen Taschentuch zum Wedeln ausgerüstet, um den Moderator und die Gäste aus Deutschland zu empfangen. An dieser Stelle habe ich gemerkt, dass ich mich offensichtlich gut an mein Umfeld gewöhnt habe, denn der Anblick von so vielen Weißen auf einmal hat mich sehr irritiert. In meinem Alltag habe ich nun mal nur mit Kamerunern (abgesehen von Verena) zu tun, man sieht höchstens ab und zu mal im Verkehr andere Weiße.
Nach der großen Ankunft gab es ein Konzert mit abwechselnden Auftritten von lokalen Chören und der deutschen Band. Es waren alle sehr beeindruckt von den verschiedenen Blasinstrumenten, allerdings meinte meine Sitznachbarin zu mir, dass sie die Band auch gerne singen gehört hätte. Singen ist hier omnipräsent. Ich nehme es als sehr wichtigen Teil sowohl des spirituellen als auch des alltäglichen Lebens wahr. Im Gegensatz dazu, wie ich Musik und Singen in Deutschland erlebe, hat hier niemand Hemmungen zu singen. Es ist egal, ob man schief singt oder den Text kennt, hauptsache man gibt sein Bestes und singt so laut man kann. Musik ist außerdem sehr eng mit Tanz verbunden. Gesang wird meist von klatschen, trommeln und einfachen Tanzbewegungen begleitet. Mir macht es immer sehr viel Spaß, die Menschen beim Singen und Tanzen zu beobachten (und natürlich mitzusingen!). Obwohl ich in Deutschland mit Musik nicht viel am Hut hatte, freue ich mich auf jede Chorprobe mit den Celestial Echos und trällere die Lieder auch sonst gerne vor mich hin.
Nach dem Konzert wurden Verena und ich noch zu einem Dinner mit dem Moderator, der Band, verschiedenen Pfarrern und ausgewählten Gemeindemitgliedern eingeladen. Insgesamt war es ein sehr schöner Abend, der von viel Gelächter begleitet wurde.
Am Sonntag ging es dann früh morgens mit einem langen Gottesdienst weiter. Dieser fand auf der extra abgesperrten Straße vor der Kirche statt, da nicht alle Leute in die Kirche gepasst hätten. Feierlich wurden die kamerunische Nationalhymne und die Hymne der PCC gesungen und die entsprechenden Flaggen gehisst. Nach dem Gottesdienst war erstmal Lunchbreak, bevor der inoffizielle Teil der Feier begann.
Beim Essen wurden Verena und ich dem Moderator vorgestellt. Reverend Fonki Samuel Forba war, bevor er das Amt des Moderators übernahm, Pfarrer in unserer Gemeinde in Bonamoussadi (ein Stadtteil von Douala) und somit auch für die Partnerschaft mit dem Kirchenbezirk Tübingen zuständig. Seine Begrüßung wird mir glaube ich noch eine Weile im Gedächtnis bleiben. Das erste, was er zu uns sagte (auf Deutsch, wohlgemerkt!), war: "Ich bin ein kleiner Bischof mit einem großen Bauch." Dieser Mann, von dem ich erwartet hatte, dass er sehr distanziert und ehrfurchtsvoll sei, ist ganz anders als gedacht! Reverend Fonki war mir mit seiner offenen und lustigen Art sofort total sympathisch.
Der Nachmittag war mit verschiedenen Aktivitäten der Gruppen gefüllt. Beispielsweise traten Vertreter der Gruppen im Eierlauf, Thread-and-Needle (eine Art Wettrennen, bei dem möglichst schnell ein Faden eingefädelt werden muss) und Tauziehen gegeneinander an. Das Ganze wurde von lautem Anfeuern und Gelächter der Zuschauer begleitet. Vor allem das Tauziehen zwischen CWF (Christian Women Fellowship) und CMF (Christian Men Fellowship) wurde mit großer Spannung erwartet. Seit zwei Jahren sind die Frauen der Gemeinde ungeschlagen gewesen. Im Kampf der Geschlechter haben dieses Jahr allerdings ganz knapp die Männer gewonnen. Obwohl das Ganze sehr ernst genommen wurde, konnten hinterher alle darüber lachen. Abgesehen von diesen Spielen gab es ein Bibelquiz (das echt richtig schwer war!) und eine musikalische Präsentation der verschiedenen Chöre. Ich muss zugeben, dass ich mich meistens auf der Bühne noch etwas unwohl fühle, allerdings hat sich die gute Vorbereitung ausgezahlt, sodass alles geklappt hat. Den Abschluss bildete ein Programmpunkt, auf den ich persönlich sehr gespannt war: traditionelle Tänze. Es ist sehr schwer zu beschreiben, wie getanzt wurde, aber es gehört auf jeden Fall ein gutes Rhythmusgefühl dazu! Begleitet wurden die Tänze nämlich von schnellem Trommeln. Vor allem der Tanz der CYF (Christian Youth Fellowship) war sehr faszinierend. Die Jugendlichen hatten alle eine Art Rassel um das Fußgelenk gebunden und sind in schnellem Takt gehüpft (teils auch in der Hocke, das sah echt anstrengend aus!). Der Tanz war voller Energie und Lebensfreude. Dies sind zwei Dinge, die ich hier sehr schätze. Mit dem Chor oder anderen ist es nie langweilig oder leise.
Das Wochenende war eines der schönsten, die ich hier bisher erlebt habe! Es bleibt nur noch zu sagen: Come let us celebrate!
Eure Jule
¹Kamerun wurde nach dem ersten Weltkrieg in ein britisches und ein französisches Protektorat aufgeteilt, woraus die heutige Bilingualität des Landes resultierte. Der anglophone Teil der Bevölkerung macht 20% aus, wohingegen der frankophone Teil mit 80% deutlich überwiegt. Seit 2016 kommt es immer wieder zu Konflikten, da sich die anglophone Minderheit benachteiligt fühlt. Vor allem im Rechtssystem und dem Schulwesen wird über Ungerechtigkeiten geklagt. Die Demonstrationen wurden teils mit brutaler Gewalt von seitens des Militärs beantwortet. Anfang diesen Jahres wurden fast alle prominenten anglophonen Aktivisten festgenommen und außerdem wurde das Internet für drei Monate gekappt. Ende September entflammten die Proteste erneut, da die Regierung das Problem nicht anerkennt. Die Rufe nach einem unabhängigen Staat, Ambazonien, werden immer lauter, allerdings scheint die Regierung momentan nicht gesprächsbereit zu sein. Dies war nur eine ganz knappe Zusammenfassung, wer sich etwas mehr darüber informieren möchte, dem kann ich diesen Artikel empfehlen (auch wenn er nicht mehr ganz aktuell ist): africanarguments.org/2017/09/27/cameroon-anglophone-crisis-is-escalating-heres-how-it-could-be-resolved/

