Weltweit erlebt
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Weltweit erlebt

14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Eindruck der Straßen in unserer Nachbarschaft. (Foto: EMS/Morawietz)
04. Oktober 2017

4.975km südlich

Jule

Jule

Kamerun
unterstützt ein Krankenhaus und eine Schule
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Nach einer sehr stressigen letzten Woche in Deutschland, in der ich versucht habe, alles mögliche noch zu erledigen und gleichzeitig die letzte Zeit mit Freunden und Familie zu genießen, ging es am zweiten September endlich los. Früh morgens traf ich im Frankfurter Flughafen auf die anderen Kamerun-Freiwiligen. Schneller als gedacht war es dann Zeit, Abschied zu nehmen. Vor allem der Abschied von meinem Freund fiel mir schwer, aber zum Glück waren die anderen da, denen es ähnlich ging. So wurde ich abgelenkt und konnte mich gemeinsam mit ihnen auf das Bevorstehende freuen. Als wir zum Landeanflug auf Douala angesetzt haben, stieg meine Nervosität jedoch wieder sehr an. Was wird mich in diesem fremden Land erwarten? Wie werden wir, die Weißen, aufgenommen? Wo werden Verena und ich untergebracht sein? Bin ich dieser Herausforderung gewachsen? Fragen über Fragen...

Das erste, was ich dachte, als ich aus dem Flugzeug gestiegen bin, war: "Hat mir jemand einen Waschlappen über den Mund gelegt?" Die Luftfeuchtigkeit erschien mir total hoch. Allerdings war es das erste und zugleich letzte Mal, dass ich das gedacht habe. Das Klima hier in Douala ist bis jetzt sehr angenehm. Es ist zwar schon recht warm, kühlt jedoch durch den gelegentlichen Regen immer wieder ab. Alle Kameruner, die ich bis jetzt kennenlernen durfte, haben mich allerdings vor der Hitzezeit gewarnt. Bis Ende diesen Monats soll es komplett aufhören zu regen und die Temperaturen sollen stetig steigen. In den letzten Tagen hat man davon schon etwas gemerkt. Der sonst ständig graue Himmel strahlt blau und die Sonne heizt einem ganz schön ein.

Nach diesem kurzen Exkurs zum Thema Wetter komme ich jetzt wieder auf unsere Ankunft in Douala zurück. Unsere Einreise verlief reibungslos und so saßen wir schon bald aufgeteilt in zwei Autos (ein Auto hätte nicht für all unser Gepäck gereicht). Diese erste Fahrt durch ein Teil von Douala war sehr faszinierend. Im Auto habe ich mich wie in einer sicheren Blase gefühlt, aus der ich alles beobachten konnte. Der Verkehr erschien (und erscheint mir immer noch) sehr chaotisch. Die Autos versuchen sich laut hupend einen Weg zu verschaffen, während Moto-Bikes sich durch die Autos schlängeln und dabei auch gerne mal auf den Fußweg oder die Gegenspur wechseln. Hier gilt die Devise: Sobald ein Meter frei ist, muss man sofort Gas geben. Mir wurde erklärt, dass es hier durchaus sehr viele Verkehrsregeln gibt, aber dass man, wenn man sich an alle hält, sich nicht vom Fleck bewegt. Am Anfang hatte ich ständig Angst, dass es gleich kracht, aber inzwischen habe ich gelernt auf die guten Reflexe der Fahrer zu vertrauen. Zu den Stoßzeiten wird der Verkehr an großen Kreuzungen von der Polizei geregelt. Da geht es dann etwas geordneter zu, obwohl selbst die Polizisten die Regeln eher als Richtlinien sehen. Die häufigen Stopps des Verkehrs sind unter Anderem auch den Straßen geschuldet. Die meisten S traßen innerhalb Doualas sind asphaltiert, aber oft von großen Schlaglöchern geziert, die wenn möglich vorsichtig umrundet werden. Innerhalb der Wohnviertel findet man häufig Lehmstraßen. Je nach dem, wann es zuletzt geregnet hat, sind diese voll riesiger Pfützen oder Hügel. Auf der Fahrt wird man kräftig durchgeschüttelt, was auch großen Spaß machen kann. Neben dem Verkehr konnte ich noch die Gebäude entlang der Straße beobachten. Manche groß, manche klein, manche heruntergekommen, manche hochmodern - es gab von allem etwas. Auffallend war für mich, dass in jedem zweiten Haus ein kleiner Laden war und auch so an der Straße sehr viele Stände waren, die viele verschiedene, meist kleinere, Dinge verkauft haben. Trotz Dunkelheit waren die Straßen in der Nähe der Märkte mit Leben gefüllt. Menschen die einkauften, Menschen die verkauften oder Menschen die sich einfach nur unterhielten. Nach einer guten Stunde sind wir bei der Kirche angekommen. Dort wurden wir vom Pfarrer und seiner Familie kurz aber herzlich willkommen geheißen. Dann ging es schon weiter zu der Familie, die Verena und mich für die nächste Zeit beherbergen wird, was uns in dem Moment aber nicht klar war. Und endlich - es gab etwas zu Essen! Ich habe fest vor zum Thema Essen noch einen extra Blogbeitrag zu schreiben, deswegen gehe ich jetzt nicht näher darauf ein. Kurz nach dem Essen sind wir alle todmüde ins Bett gefallen.

Für Annika, Lisann und David ging die Reise in aller Herrgottsfrühe weiter, deshalb hieß es schon wieder Abschied nehmen. Auch Verena und ich konnten nicht viel länger schlafen, da der Gottesdienst um sieben Uhr anfing. Zum Glück war der Gottesdienst aktiver als ein deutscher Gottesdienst, sonst wäre ich womöglich nach dieser sehr kurzen Nacht noch eingeschlafen. Die Kirche ist total groß und war trotz der Frühe von mehr als 500 Christen besucht. Es ist ein beeindruckendes und tolles Gefühl, Teil dieser Masse zu sein, die ausgelassen singt und tanzt. Verena und ich wurden offiziell willkommen geheißen und herzlich mit einem Lied begrüßt: "You're welcome in the name of the Lord."

Wie ihr vermutlich gemerkt habt, fällt es mir sehr schwer, chronologisch zu berichten. Es gibt dann doch immer etwas, dass ich noch aus meiner jetzigen Perspektive dazu sagen möchte. Ich hoffe ihr konntet mir trotzdem folgen und werde versuchen den nächsten Abschnitt etwas gegliederter zu gestalten.

Die Gastfamilie
Unsere Gastfamilie, Familie Nchinda, besteht aus den Eltern George und Rose und vielen Kindern. George und Rose haben insgesamt fünf Kinder. Zwei sind schon über dreißig und sind ausgezogen. Die anderen drei gehen auf ein Internat (in dem Verena und ich unterrichten). Für sie fängt die Schule zu unterschiedlichen Zeiten an, deshalb haben wir mit Bennie und Gael noch ein paar Wochen verbracht, wohingegen die Älteste schon in der Schule war, als wir ankamen. Sie sind 13, 17 und 19 Jahre alt. Außerdem leben noch drei Kinder von Roses Schwester hier, da diese momentan in Frankreich arbeitet. Die Zwillinge Naomie und Nawel sind 15 und ihr Bruder Fresnel ist 22. Sie sind alle sehr nett und zuvorkommend und wissen, wie sie mit uns umgehen müssen, da sie schon sehr viele Freiwillige vor uns bei sich aufgenommen haben.

Die Arbeit
Unsere Arbeit teilt sich auf zwei verschiedene Stellen auf. Montags, dienstags, donnerstags und freitags arbeiten wir im Krankenhaus und mittwochs in der Schule.
Die Schule ist ein Internat der Presbyterian Church in Cameroon (PCC). Hier werde ich für die nächsten zehn Monate der "Formula One" Deutschunterricht geben. Es sind die jüngsten Schülerinnen (11-13 Jahre), was auch gut so ist, da die älteren Schüler älter als ich selbst sind. Trotzdem ist jeder Mittwoch für mich eine neue Herausforderung. Die eine Klasse besteht aus ca. 65 Schülerinnen, die andere aus 74. Bei so vielen Kindern ist es nicht weiter verwunderlich, dass der Lärmpegel recht hoch ist. Die Klassengröße macht es auch sehr schwierig, die Kontrolle zu behalten und alle Schüler zu berücksichtigen. Die Schüler zeigen großes Interesse an der Sprache und mir als Deutschen. An Fragen mangelt es ihnen nicht, was mich sehr freut. Ich wurde direkt an meinem ersten Tag ins kalte Wasser geworfen und ohne Material oder Einweisung vor die Klasse gestellt. Ich bin sehr gespannt, wie sich das in Zukunft entwickelt, denn im Moment kann ich noch nach meinem eigenen Wissen die Basics vermitteln, allerdings wird das so nicht zehn Monate funktionieren. Wie man deutsche Grammatik am besten vermittelt, weiß ich nicht und es gibt auch kein Buch an dem man sich entlang hangeln kann...
Das Krankenhaus ist auch eine Institution der PCC. In meinen ersten zwei Monaten werde ich dort die Krankenschwestern auf der Maternity, also der Geburtsstation, begleiten und unterstützen. Mein aufregendster Tag bis jetzt war mit Abstand der erste Tag, an dem ich zwei Geburten miterlebt habe. Ich war darauf überhaupt nicht vorbereitet und dementsprechend überrumpelt und überfordert. Aber ein ein paar Minuten altes Baby im Arm zu halten hat das alles wieder wett gemacht. Eine Geburt ist zwar auch ein sehr unschöne Angelegenheit, die viel Schmerzen und Blut beinhaltet, aber nichtsdestotrotz ist es total faszinierend und wundervoll. Eins der Neugeborenen war ein Frühchen und hat gerade so anderthalb Kilo gewogen und war auch dementsprechend klein. Und trotzdem funktioniert dieser winzige Körper. Ich hoffe seitdem jeden Tag auf eine Geburt (bis jetzt vergeblich). Zu meinen regelmäßigen Aufgaben gehört es, die Babys zu waschen. Das mache ich liebend gerne, denn die Babys sind einfach unglaublich süß. Allerdings ist es gar nicht so einfach, da diese meistens keine Lust haben, gewaschen zu werden und sich dagegen wehren. Außerdem helfe ich bei den regelmäßigen Untersuchungen von Schwangeren. Blutdruck messen, wiegen, Bauchumfang messen, versuchen den Herzschlag des Fötus´ zu hören, ... Oft stehe ich allerdings nur daneben und schaue den Krankenschwestern zu. Im Gegensatz zu Deutschland sind die Krankenschwestern hier eher überbesetzt. Daher gibt es oft nichts zu tun (sowohl für mich als auch die anderen Krankenschwestern). Wenn es keine Patienten hat, sitzt man halt rum. Das ist manchmal sehr frustrierend. Dennoch macht mir die Arbeit im Krankenhaus Spaß, nicht zuletzt weil meine Kolleginnen sehr nett und lustig sind.

Freizeit
Da wir nur halbtags arbeiten, haben Verena und ich sehr viel Freizeit. Es kann sehr angenehm sein, Zeit zu haben, all die neuen Eindrücke zu verarbeiten und sich etwas auszuruhen, allerdings kommt bei uns auch oft Langeweile auf. Wir fühlen uns beide noch sehr unselbstständig. Douala ist einfach eine riesig große Stadt, in der wir uns noch nicht auskennen. Außerdem durchschauen wir viele kulturelle Unterschiede noch nicht und tun uns schwer, fremde Leute und Situationen einzuschätzen. So trauen wir uns beispielsweise noch nicht alleine auf einen der unzähligen Märkte, da diese sehr laut und unübersichtlich sind und wir als junge Weiße von allen Seiten angesprochen werden. Auch kennen wir die Preise hier nicht und befürchten daher, dass wir viel zu viel zahlen oder dass wir unangemessen handeln. Zu meinen Highlights der Woche gehören deshalb die Chorproben dienstags und samstags. Die "Celestrial Echos" sind ein richtig großer Chor von jungen Leuten. Es macht jedes Mal aufs Neue Spaß mit ihnen zu singen und zu lachen. Verena und ich wurden sofort in die "Choir family" aufgenommen und fühlen uns dort richtig wohl.

So, jetzt ist es doch ein sehr langer Bericht geworden. Wie ihr seht, schreibe ich oft in der Wir-Form, da Verena und ich bis jetzt eigentlich immer nur im Doppelpack anzutreffen sind. Auch wenn ich das auf Dauer nicht so gut finde, dass wir als eine Person angesehen werden, bin ich total froh, jemanden zu haben, mit dem ich mich austauschen kann, dem es genauso geht wie mir und der mich in alle Fettnäpfchen begleitet. Also falls ihr Lust habt, das gleiche nochmal aus einer anderen Perspektive zu lesen, schaut doch mal auf Verenas Blog vorbei!

Liebe Grüße von uns zwei aus Douala!

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Blick auf Douala, mit dem Dach des Krankenhauses im Vordergrund. (Foto: EMS/Morawietz)
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Unser neues Zuhause, die Villa Nchinda. (Foto: EMS/Morawietz)