
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Merhaba!
Vor acht Wochen bin ich zusammen mit meiner Mitfreiwilligen Amelie in Jordanien gelandet. Unser Flug hatte ein bisschen Verspätung, weil sich Deutschland noch einmal mit Gewitter und Starkregen von uns verabschieden wollte. Ansonsten ging aber alles gut. In Amman wurden wir dann von Naji Haddar, dem Fahrer der Schule abgeholt. Er hatte auch ganz klassisch ein Schild dabei, wo dann unsere Namen draufstanden.
Schon auf der Fahrt von der Hauptstadt nach Irbid habe ich gemerkt, dass vieles ganz anders ist als gewohnt. Im Auto ertönt „arabische“ Musik (ich weiß, da gibt's Unterschiede, die für mich aber schwer zu erkennen sind…) und die Schilder, an denen wir vorbeifahren kann ich nicht lesen, weil alles in einem anderen Schriftsystem geschrieben steht. Auch beim Autofahren scheinen Dinge wie Vorfahrt oder Anschnallen eher zweitrangig, dagegen ist Hupen ziemlich wichtig.
In unserem neuen Zuhause angekommen wurden Amelie und ich herzlich von unserer Gastmutter Elham begrüßt. Sie wohnt in der Wohnung über uns und ihr gehört das ganze Haus. Die letzte Person die noch hier lebt ist Fimar. Sie kommt aus Bangladesch und ist die Hausangestellte von Elham. Damit waren wir zur Zeit unserer Ankunft komplett, ist also eine reine Frauengemeinschaft hier. In unserer Wohnung haben wir viel Platz, was ziemlich praktisch ist, da jede von uns ein eigenes Zimmer hat. Ein paar Wochen später ist dann noch Rebekka eingezogen, die über das Goethe Institut für drei Monate auch an der AES mitarbeitet.
Die AES oder „Arab Episcopal School“ ist unsere Einsatzstelle. Da die Schule erst zwei Wochen nach unserer Ankunft angefangen hat, haben Amelie und ich in den ersten Tagen hier viel gebastelt um die Schule für den Schulstart bunt zu dekorieren. Mittlerweile hat sich bei mir aber eine Art Schulalltag eingestellt. Ich verbringe viel Zeit im Sportunterricht und begleite dort die sehbehinderten bzw. blinden Kinder. Ansonsten gebe ich zusammen mit Rebekka für die ersten drei Jahrgänge der Schule Deutschunterricht, jeweils eine Stunde pro Woche. In der restlichen Zeit mache ich „Office work“ für Assis oder helfe den Lehrerinnen bei dem, was sie gerade brauchen. Und so ist meine Woche ganz gut gefüllt.
Assis (=Pfarrer) ist unsere Ansprechperson, Administrator der Schule und der Pfarrer der Gemeinde hier. Die Schule, die Kirche und das Haus seiner Familie sind auch alle auf dem gleichen Gelände. Sein eigentlicher Name ist Samir Esaid aber alle nennen ihn Assis, auch seine Frau, Miss Sabah, die Schulleiterin der AES.
Zur Schule laufen wir jeden Tag, das dauert dann ca. 25 Minuten. Nachmittags brauchen wir aber oftmals länger, da dann die Geschäfte aufhaben und viele Menschen auf den Straßen unterwegs sind. Zudem ist es dann auch deutlich wärmer, weshalb man sich eher träge durch die Stadt treiben lässt. Wir tragen hier oft ganz normale T-Shirts, womit wir schon etwas auffallen. Man wird von allen Seiten her angestarrt und ab und zu ruft auch jemand eine Bemerkung hinter uns her. Das ist uns aber auch mit langen Ärmeln passiert, ich schätze mal man merkt uns einfach an, dass wir nicht von hier sind. In der Wir-Form schreibe ich übrigens, da Amelie, ich und später auch Rebekka natürlich viel gemeinsam machen. Gerade am Anfang sind wir eigentlich nur zusammen irgendwo hingegangen. Nach nun fast zwei Monaten machen wir aber durchaus schon Sachen alleine, was meiner Meinung nach auch ganz gut ist, nicht, dass wir uns irgendwann eher auf die Nerven gehen. Aber bis jetzt kommen wir als 3er-WG gut miteinander zurecht.
Die Zeit bis jetzt hat zwar irgendwie lange gedauert und ist doch schon ganz schnell vergangen. Die Vorstellung hier für mehr als 10 Monate zu leben finde ich trotzdem noch merkwürdig. An manche Gegebenheiten gewöhnt man sich echt schnell, wie an den ziemlich chaotischen Verkehr aus „deutscher“ Sicht oder den 5mal täglich erklingenden Muezzin. Eine Lehrerin in der Schule hat mir erklärt, dass wenn der Ruf zum Gebet ertönt man als Gläubiger auch nicht alles stehen und liegen lassen muss. Wenn es einem wichtig ist, dann sollte man sich in der nächsten Stunde jedoch Zeit für Gott und seinen Glauben nehmen.
Natürlich gibt es auch viele Dinge die noch sehr ungewohnt sind und manche Normalitäten, die ich nicht so toll finde. Zum Beispiel habe ich oftmals beobachtet, dass viele Menschen hier ihren Müll einfach fallenlassen. Klar gibt es sowas auch in Deutschland, aber die Müllhaufen an den Straßenrändern fallen mir in Irbid schon sehr auf.
Aber die Menschen mit denen ich bis jetzt Kontakt hatte waren meist sehr nett und offen, was ja schon einmal eine wichtige Grundlage dafür ist, dass ich mich hier auf eine Art und Weise zuhause fühle. Auch viele kleine Erlebnisse sind mir positiv im Gedächtnis geblieben. So wurden wir beispielsweise vor ein paar Tagen beim kurzen Hallo sagen von Elham noch spontan zum Familienessen eingeladen. Ich habe generell mehr das Gefühl, dass viele Dinge hier nicht immer im Voraus geplant werden. So kann es gut passieren, dass der Tag ganz anders endet als erwartet.
Ich bin und bleibe also gespannt auf meine Zeit hier in Jordanien.

