Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)
Nachdem ich in den Sommerferien zusammen mit Lotte, Janina und Jonas Nord-Ost-Indien bereist hatte, begannen meine letzten Wochen in BGI. Über die Sommerferien war Salem ergrünt und der ganze Campus blühte in bunten Farben. Als ich morgens durch das Tor lief und zunächst vom Watchman und der Sweeperlady begrüßt und anschließend herzlichst im Adult Home von den Frauen empfangen wurde, fühlte ich mich endlich wieder zu Hause. Ich genoss es mein Zimmer wiederzuhaben und noch ein paar ruhige Tage im Adult Home zu verbringen bis die Kinder nach und nach zurückkamen. Ich hatte das Gefühl Salem sei schöner als je zuvor und ich war so glücklich wieder da zu sein. Trotzdem kam leider schnell das Bewusstsein auf, wie wenig Zeit mir nur noch blieb und ich merkte wie meine Gedanken oft anderswo waren, beispielsweise schon zurück in Deutschland und meiner Zukunft. Gleichzeitig spürte ich eine Art Druck, den nur ich selbst mir machte, noch Dinge zu unternehmen, die ich mir vorgenommen hatte. Meine Stimmung ging ständig auf und ab und ich brauchte mehr Zeit für mich selbst als ich wollte. All das störte mich sehr, da ich meine letzten Wochen doch unbeschwert mit den Menschen um mich herum verbringen und die Tage nehmen wollte wie sie kamen.
Glücklicherweise kam ich aber ziemlich schnell wieder aus diesen Gedanken heraus und war die letzte Zeit dann wirklich komplett da. Besonders die letzten zwei Wochen waren sehr intensiv und ich war eigentlich nie alleine und übernachtete meist nicht einmal in meinem eigenen Zimmer, sondern bei den Mädchen im Schlafsaal. Die letzte Woche war wunderschön und ich ließ mich komplett darauf ein und genoss jedes kleine Erlebnis, egal ob Tee mit einer meiner Lieblingsbetreuerinnen oder ein letztes Mal zum Fotoshop eilen, um noch ein paar mehr bestellte Fotos drucken zu lassen. Doch auch wenn ich einerseits so unbeschwert meine Tage erlebte, beschäftigten und belasteten mich die Probleme der mir nahe stehenden Menschen dort sehr, die sich gerade in diesen Tagen häuften. Viele Gespräche drehten sich um beinahe unlösbare Probleme, egal ob familiär oder gesundheitlich, finanzielle Sorgen oder Streitereien mit Freunden und Kollegen. Besonders traurig dabei ist, dass es auch oft zu Streitereien untereinander kommt, da jede und jeder eben ganz eigenen Sorgen hat, die sie oder ihn so handeln lässt. Die Sorgen der Menschen um mich herum, beschäftigten mich noch mehr, da ich wusste, dass ich bald nach Deutschland gehen würde und schnell wieder in meinen gewohnten Alltag schlüpfen würde, während diese Probleme ja nicht einfach verschwinden würden. Aber auch diese traurigen Dinge gehörten zu meinen 10 Monaten in Indien und haben mich viel zum Nachdenken angeregt und mich einiges gelehrt.
Nachdem ich schon Tage, wenn nicht gar Wochen vorher jeden Tag von ein paar Kindern durch wilde Armbewegungen, die das schnelle Flugzeug darstellen sollten, gefragt wurde ob ich heute nach Deutschland fliegen würde, kam schließlich wirklich der Tag, an dem ich mich verabschieden musste. Doch auch wenn der Abschied tränenreich und erstaunlich real war, fühlte ich mich ein paar Stunden später im Zug eher als würde ich mich nur mal wieder auf eine kleine Reise machen, von der ich bald zurückkehren würde. Tatsächlich ging es nicht auf direktem Wege zurück nach Deutschland. Zunächst traf ich Lotte und Janina, in Lottes Einsatzstelle in Khammam. Dort verbrachten wir noch eine Woche und ich fühlte mich durch die beiden sehr aufgefangen von meinem Abschiedsschmerz. Es war eine Art Zwischenphase, ich konnte noch ein wenig Indien genießen und wurde nicht direkt zurück in meinen deutschen Alltag geworfen, aber war trotzdem bereits von meinem indischen zu Hause abgereist. Nachdem wir uns gemeinsam mit Lotte, die diese Hürde ja noch vor sich hatte, von ihrer Einsatzstelle und den wunderbaren Menschen dort verabschiedet hatten, ging es dann auch für uns von Chennai zurück nach Deutschland. Dort angekommen mussten wir schon wieder Abschied nehmen und machten uns alle glücklich und traurig zugleich auf den Weg nach Hause.
Hier bin ich jetzt wieder seit einer Woche und alles fühlt sich erstaunlich schnell normal an. Es ist kaum zu glauben, dass wir vor einer Woche noch in Chennai standen und um unser Übergewicht bangen mussten. Und dass es jetzt in Salem bereits Abendessen gibt und die Sonne längst untergegangen ist, was hier noch viele Stunden dauern wird. Es ist schön, dass ich auf die Uhr schauen kann und mir ungefähr vorstellen kann, was gerade in BGI passiert. Und es ist schön, dass ich jetzt so viel mehr weiß, als vor einem Jahr.