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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Der Eingang zur Schneller-Schule (Foto: EMS/Schnotz)
Der Eingang zur Schneller-Schule (Foto: EMS/Schnotz)
07. Januar 2019

Meine Arbeit in der Schule

Lisa

Lisa

Jordanien
arbeitet in der Theodor-Schneller-Schule mit
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Schönes, Forderndes, Witziges und Schwieriges

 Mittlerweile bin ich schon mehr als vier Monate hier, in meiner Einsatzstelle, der Theodor-Schneller-Schule. Im ersten Monat habe ich nur nachmittags im Internat gearbeitet, da dann aber schnell gemerkt, dass ich das ein bisschen wenig fand und wollte unbedingt auch mal in den Unterricht der Schule hineinschauen. Das hat dann auch sehr schnell geklappt und ich habe am ersten Tag gleich den Deutschlehrer der Schule kennengelernt, der mich auch bereitwillig in den Unterricht mitgenommen hat.  So habe ich Fuad, den Deutschlehrer, in seinen Unterrichtsstunden begleitet und gemeinsam mit ihm Klassenarbeiten und Unterrichtsstunden vorbereitet und viel korrigiert.

Schade fand ich, dass ich zu den anderen Lehrern in der Schule anfangs keinen Kontakt hatte und eigentlich meistens mit Fuad alleine an einem Tisch vor dem Lehrerzimmer saß. Alles in allem empfand ich den Empfang der anderen LehrerInnen mir gegenüber als nicht sehr offen. Die meisten LehrerInnen haben mich ignoriert und selbst auf das Grüßen meinerseits nur spärlich reagiert. Irgendwann hatte ich allerdings besseren Kontakt zur Englischlehrerin der Oberstufe und habe auch sie im Unterricht begleitet. Dadurch habe ich erfahren, was das Problem war. Die Lehrer dachten wohl, dass der Direktor mich geschickt hätte, um sie zu kontrollieren und ihm dann zu berichten, wie sie sich verhalten, unterrichten etc. Das war natürlich nicht der Fall. Nachdem dieses Missverständnis aus dem Weg geräumt war hat sich der Umgang der LehrerInnen mir gegenüber sehr schnell verändert. In vielen meiner Kollegen und Kolleginen habe ich seitdem Freunde und Freundinnen gefunden, die gerne Zeit mit mir verbringen und mir beim Arabisch Lernen helfen.

Die Schule ist mein liebster Ort hier an der Theodor-Schneller-Schule, nicht nur wegen meinen Kollegen und Kolleginnen, sondern auch wegen den SchülerInnen. Mittlerweile begleite ich Fuad vier bis achtmal pro Woche im Deutsch-Unterricht und bin etwa sechsmal pro Woche im Englischunterricht bei der Lehrerin Alaa dabei. Mit der Zeit hat sich meine Zusammenarbeit mit den beiden sehr gut eingespielt und ich habe auch feste Aufgaben bekommen.

Im Deutschunterricht bin ich vor allem für das Schreiben an der Tafel zuständig, während Fuad den SchülerInnen gleichzeitig das aktuelle Thema erklärt. Zudem korrigiere ich auch gerne mit Fuads Hilfe die kleineren Klassenarbeiten, die in jedem Fach einmal im Monat geschrieben werden oder bereite Arbeitsblätter für den Unterricht vor. Von der ersten bis zur vierten Klasse habe ich mit Fuad angefangen, den Kindern das Alphabet beizubringen. Da macht es mich immer sehr glücklich wenn die SchülerInnen mich auf dem Schulhof laut mit den Worten: „A, A, Affe“ oder „B, b, Bus“ begrüßen.

Selbstverständlich gestaltet sich der Unterricht in der Oberstufe anders. Dort begleite ich Fuad in der achten, neunten und zehnten Klasse. Die SchülerInnen sind oft lauter und es kommt sehr viel häufiger zu Streitereien und leider auch manchmal zu Prügeleien im Unterricht. Das fand ich am Anfang noch sehr ungewohnt, aber mit der Zeit kenne ich die Schüler auch besser und kann erkennen, wenn sich ein Wutausbruch anbahnt und einschreiten bevor es eskaliert. Wenn eine Streiterei zu sehr aus dem Ruder läuft, werden meistens weitere männliche Lehrer zur Verstärkung gerufen, die dann die Schüler vor der ganzen Klasse ausschimpfen. Dabei ist es schon passiert, dass  (sinngemäß) folgende Worte benutzt wurden: „Wir haben hier eine Deutsche an der Schule, was soll die sich denken? Ihr benehmt euch wie Tiere. In Deutschland schlagen sich die Schüler nie.“
Als ich später erzählt habe, dass es Prügeleien auch an meiner Schule gab, enstand noch ein sehr interessantes Gespräch über die Unterschiede zwischen SchülerInnen in Deutschland und Jordanien. So wurde klarer, dass es auch in deutschen Schulen Probleme gibt, die denen hier ähneln.

Im Englischunterricht begleite ich Alaa in der achten, neunten und zehnten Klasse. Das Niveau der SchülerInnen variiert in den einzelnen Klassen stark, sodass Alaa mir vorgeschlagen hat, dass ich mit den schwächeren SchülerInnen im normalen Unterricht Grundlagen wiederholen könnte. Viele der schwächeren SchülerInnen beteiligen sich oftmals nicht am Unterricht, stören, beginnen Streitereien mit ihren MitschülerInnen oder schlafen. Ich habe das Gefühl, dass gerade diese SchülerInnen im Grunde genommen aufgegeben haben den Unterricht zu verfolgen, da sie bei dem teilweise sehr hohen Niveau gar nicht mehr mitkommen. Beispielsweise beherrschen manche Schüler in der achten oder zehnten Klasse noch nicht das lateinische Alphabet, während der Lehrplan vorsieht, dass der Klimawandel verstanden wurde oder man auf Englisch erklären kann wie Penicillin hergestellt wird. Seitdem habe ich in jeder Klasse zwischen fünf und neun SchülerInnen, mit denen ich beispielsweise die Zahlen, Farben oder bei manchen auch die Buchstaben wiederhole. Für diesen separaten Unterricht bereite ich Arbeitsblätter vor, was manchmal sehr schwierig ist, da auch die schwächeren SchülerInnen sehr unterschiedlich sind. Da kann es sein, dass einer mit meinem Arbeitsblatt bereits nach zehn Minuten fertig ist, während der andere noch die zwei weiteren Unterrichtstsunden der Woche braucht. Daher erfordert die Vorbereitung oft viel Arbeit und ist manchmal sehr kompliziert. Trotz allem liebe ich die Arbeit an der Schule, weil es mir sehr viel Spaß macht mit den verschiedenen SchülerInnen zusammenzuarbeiten und sie besser kennenzulernen. Natürlich sind viele der SchülerInnen nicht immer besonders motiviert mit mir im Unterricht zu lernen, das liegt oft daran, dass eine 1:5 Betreuung natürlich weniger „Abtauchmöglichkeiten“ bietet als das übliche 1:35 Verhältnis. Wenn manche bisher im Unterricht noch geschlafen haben, kommt dies nun weitaus seltener vor, was mich freut.

Ein weiterer toller Teil meiner Arbeit in der Schule spielt sich im Lehrerzimmer ab. Seit es jetzt im Winter so kalt geworden ist, sitzen wir alle gemeinsam um den großen Tisch oder wärmen uns vor dem kleinen Gasofen. Dabei entstehen oft sehr gute Gespräche und ich erfahre viel über das Leben in Jordanien. Viele der Lehrerinnen helfen mir sehr gerne bei meinen Hausaufgaben aus dem Arabisch Unterricht und sprechen auch bereitwillig nochmal alles durch, was ich nicht verstanden habe. Es herrscht eine richtig offene Atmosphäre und ich finde es sehr schön, dass ich alles fragen kann, was mich interessiert. Die muslimischen Lehrerinnen erklären mir gerne welche verschiedenen Arten es gibt, sich das Kopftuch zu binden oder erzählen mir von ihrem Lieblingsschuhgeschäft. Manchmal wird auch getanzt oder mir werden arabische Lieder in Begleitung eines Keyboards vorgesungen. Die offene Atmosphäre zeigt sich vor allem im Umgang der LehrerInnen untereinander. Häufig gibt es Diskussionen zwischen den christlichen und muslimischen Lehrkräften über Bräuche oder Redewendungen. Dabei werden sehr viele Gemeinsamkeiten deutlich aber auch die Unterschiede werden klar besprochen. Diese vorurteilsfreien Diskussionen finde ich unglaublich interessant und habe das Gefühl, dass ein Dialog zwischen den Religionen doch eigentlich recht einfach sein kann.

Schon jetzt bin ich mir sicher, dass ich aus meiner Zeit hier an der Schule unglaublich viel mitnehme und die SchülerInnen und LehrerInnen sind mir auch schon sehr ans Herz gewachsen.

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Beim Morgenappell halten einige Schüler und Schülerinnen eine Ansage auf deutsch. (Foto: ems/Schnotz)
Beim Morgenappell halten einige Schüler und Schülerinnen eine Ansage auf deutsch. (Foto: ems/Schnotz)
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Links: Mit der Englischlehrerin Alaa, vorne, und Diana, links, einer Grundschullehrerin. Rechts: Mit Murat, dem Lehrer für Physik und Chemie. (Foto: ems/AbuDiab)
Links: Mit der Englischlehrerin Alaa, vorne, und Diana, links, einer Grundschullehrerin. Rechts: Mit Murat, dem Lehrer für Physik und Chemie. (Foto: ems/AbuDiab)