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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Der Eingang zum Gelände der Schneller-Schule. Auf dem Schild steht: Theodor-Schneller-Schule, gegründet 1860 in Jerusalem und 1959 in Amman. (Foto: EMS/Schnotz)
Der Eingang zum Gelände der Schneller-Schule. Auf dem Schild steht: Theodor-Schneller-Schule, gegründet 1860 in Jerusalem und 1959 in Amman. (Foto: EMS/Schnotz)
12. Januar 2019

Interview mit einer Lehrerin der Schneller-Schule

Lisa

Lisa

Jordanien
arbeitet in der Theodor-Schneller-Schule mit
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Über Fahrradfahren, Unterrichten und Familienleben

Der folgende Text und das Interview sind in einem Gespräch mit einer Lehrerin der Schneller-Schule entstanden. Ich gebe ihre Antworten hier zusammengefasst wieder, wenn ich sie direkt zitiere habe ich diese Stellen mit Anführungszeichen markiert.

Alaa ist 1985 als Tochter einer palästinensischen Flüchtlingsfamilie im Hettin Flüchtlingscamp geboren. Das Hettin Flüchtlingscamp liegt direkt neben dem Gelände der Theodor-Schneller-Schule und wurde 1968 auf einer Fläche von 0,92 Quadratkilometern aufgebaut. Mittlerweile leben dort 53.000 palästinensische Geflüchtete. Da es direkt neben dem Gelände der Schneller-Schule liegt, wird es von vielen Bewohnern auch Schneller-Camp genannt.

Alaa sagt, sie hatte eine sehr interessante und schöne Kindheit. Sie ist die jüngste von zehn Kindern und hat vier Brüder und fünf Schwestern. Die Familie von Alaa kommt ursprünglich aus Gaza.
Gemeinsam mit ihrer Familie ist Alaa in einem Haus im Hettin Flüchtlingslager aufgewachsen. Für ihre ganze Familie bedeutet das Camp sehr viel. Es ist der Ort, wo ihnen Schutz geboten wurde, nachdem Alaas Eltern 1985 Gaza verließen, und wo mittlerweile auch die ganze Familie lebt. Alaa beschreibt ihre Kindheit als sehr fröhlich. Als jüngstes Kind wurden ihr viele Freiheiten gewährt und sie wuchs unbeschwert auf. Ihre Lieblingsbeschäftigung war Fahrradfahren. Sie hatte viele Freunde und Freundinnen, da auch ihre Cousins und Cousinen direkt in der Nachbarschaft lebten. Dennoch liebte sie ihr Fahrrad mehr als alles andere auf der Welt. Lachend sagt sie: „Vielleicht hab ich es auch mehr geliebt Fahrrad zu fahren als mit meinen Freunden zu spielen.“ Doch desto älter sie wurde, umso weniger fuhr sie Fahrrad. Letztes Jahr im Herbst ist sie zum ersten Mal seit 19 Jahren wieder Fahrrad gefahren. Allerdings nur eine kurze Strecke in einem Wald im Norden von Jordanien.

In der High School war Alaa während ihres Abschlussjahres für längere Zeit krank und musste daher das letzte Jahr noch einmal wiederholen. Trotz allem schafft sie 2003 ihren High School Abschluss und beginnt danach ein Englisch Studium an der Universität. Sie studiert vier Jahre lang und lernt im letzten Monat ihres Studiums ihren jetzigen Mann kennen. Alaa sagt, sie hat ihn vom ersten Augenblick an geliebt und beschreibt ihn als einen wunderbaren Ehemann und Vater, der auch sehr gutaussehend sei. Von Beginn an hatten sie eine große Gemeinsamkeit: die englische Sprache. So wie Alaa hat auch ihr Mann Mohammad Englisch studiert, aber zudem auch noch eine Ausbildung als Sportlehrer abgeschlossen. 2010 heiraten Alaa und Mohammad. Mit der Hochzeit bekommt Alaa auch ihren ersten Pass. Da sie als Tochter palästinensischer Flüchtlinge in Jordanien geboren wurde und nie in Gaza war, wird ihr kein Pass ausgestellt. Dadurch war es oft schwieriger, einen Zugang zu Bildung zu bekommen oder auch eine Behandlung im Krankenhaus. Durch die Hochzeit mit Mohammad, der einen jordanischen Pass besitzt, kann sie nach einigen Monaten ebenfalls einen Pass für sich beantragen. Alaas Kinder haben dadurch auch sehr einfach den jordanischen Pass bekommen, worüber sie sehr froh ist. Sie hat viele Freunde und Freundinnen mit palästinensischen Wurzeln, die noch immer ohne Pass in Jordanien leben.

Nach der Hochzeit beginnt Alaa auch nach Arbeit zu suchen. Anfangs ist ihr Mann dagegen, dass sie auch arbeitet, aber sie überzeugt ihn. Alaa wollte schon immer arbeiten und will nicht nur Hausfrau sein. „Das Leben wäre mir sonst zu langweilig. Ich kann Ehefrau und Mutter sein und gleichzeitig arbeiten. Das schließt sich nicht aus.“ Alaas Mann Mohammad arbeitet ebenfalls als Englischlehrer, allerdings an einer anderen Schule. In den Sommerferien arbeitet er außerdem als Schwimmlehrer.

Alaa und Mohammad haben zusammen drei Kinder bekommen und momentan ist Alaa mit dem vierten Kind schwanger. Trotz ihrer Schwangerschaft arbeitet sie aber weiter in der Schule und plant auch, nur zwei Monaten nach der Geburt wieder zurück an die Schule zu kommen. Zum einen braucht die Familie das Geld, aber Alaa sagt auch: „Ohne die Arbeit fehlt einfach etwas und ich vermisse das Unterrichten sehr.“

 

Vier Fragen zum Schluss:

Was ist für dich das Schöne an dem Beruf der Lehrerin?

Als Mutter von bald vier Kindern fühle ich oft eine Verantwortung für meine Schüler und Schülerinnen. Es ist sehr schön für mich zu sehen, wie aus den noch kleinen ErstklässlerInnen mit der Zeit schon fast erwachsene junge Männer und Frauen werden. Wenn meine Schüler und Schülerinnen ihren Abschluss geschafft haben, bin ich sehr glücklich.

Was ist deine Motivation für den Beruf?

Zum einen liebe ich Englisch und mag es einfach, dass ich daraus einen Beruf machen konnte. Zum anderen lerne ich so jeden Tag dazu. Man lernt eben nie aus. Während dem Studium habe ich viel Theorien lernen müssen, aber das was mich eigentlich interessierte, war immer die Praxis. Die Methoden, die ich für meinen Unterricht brauche, habe ich dann erst beim Unterrichten gelernt. Auch von den Schülern lerne ich immer dazu und nehme so sehr viel für mich aus dem Unterricht mit.

Was wünschst du dir für deine Schüler und Schülerinnen?

Ich wünsche mir, dass alle ihren Abschluss schaffen und einen Beruf finden, der ihnen gefällt. Das bereitet mir oft Sorgen, da viele immer passiver werden im Unterricht. Es ist wichtig, dass sie nicht aufhören sich anzustrengen und weiterarbeiten, um später einmal einen guten Beruf zu finden. Das Leben in Jordanien ist nicht billig und ein gut bezahlter Job wird immer wichtiger um sich selbst und der Familie ein gesichertes Leben finanzieren zu können.

Und was wünschst du dir für dich selbst und deine Familie?

Gerade muss ich mich darum kümmern für den Test für ein höheres Englisch Niveau zu lernen, das stresst mich sehr. Da wünsche ich mir momentan vor allem, dass ich ihn bestehe. Für die weitere Zukunft wünsche ich mir nicht viel. Es geht mir sehr gut und ich hoffe, dass es auch so bleibt. Ich bin glücklich mit meiner Familie und meine Kinder sind gesund.

 

Alaa hat mittlerweile ihr viertes Kind bekommen und es geht ihr gut. Sie hat allerdings viel zu tun und daher haben wir es nicht mehr geschafft noch extra Fotos für dieses Interview zu machen. Momentan verbringt sie viel Zeit mit ihrem neugeborenen Sohn, bevor sie in einigen Wochen schon wieder beginnt zu arbeiten.

 

Informationen über Situation von geflüchteten Palästinensern und Palästinenserinnen in Jordanien:  www.unrwa.org/where-we-work/jordan
Informationen über das Hettin Camp: www.unrwa.org/where-we-work/jordan/marka-camp

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Alaa und einige der Mädchen aus der Oberstufe an ihrem Geburtstag (Foto: EMS/AbuDiab)
Alaa und einige der Mädchen aus der Oberstufe an ihrem Geburtstag (Foto: EMS/AbuDiab)
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Alaa (rechts) mit mir und der Grundschullehrerin Diana (links) (Foto: EMS/AbuDiab)
Alaa (rechts) mit mir und der Grundschullehrerin Diana (links) (Foto: EMS/AbuDiab)