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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Die Erzieherin Miss Maha gemeinsam mit einigen der Mädchen kurz bevor alle ins Bett gebracht werden. (Foto: EMS/Schnotz)
Die Erzieherin Miss Maha gemeinsam mit einigen der Mädchen kurz bevor alle ins Bett gebracht werden. (Foto: EMS/Schnotz)
03. Januar 2019

Interview mit einer Erzieherin im Internat

Lisa

Lisa

Jordanien
arbeitet in der Theodor-Schneller-Schule mit
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„Eigentlich wollte ich immer Polizistin werden“

Ich habe mir überlegt für meine weiteren Blogposts immer mal wieder eine Person aus meiner Umgebung hier in Jordanien zu interviewen, um auch verschiedene Menschen vorstellen zu können. Den Anfang möchte ich mit Miss Maha machen. Sie ist Erzieherin in der family der jüngeren Mädchen und dieses Jahr ist ihr zehntes Jahr an der Schneller-Schule.

Ich habe das Interview halb auf Arabisch und halb auf Englisch geführt und damit es nicht zu chaotisch wird werde ich die ersten Fragen, die vor allem ihr Leben hier betreffen, zusammenfassen.

Maha ist 1968 in Madaba geboren, einer Stadt südlich von Amman, die vor allem für ihre vielen Kirchen bekannt ist. Sie hat vier jüngere und eine ältere Schwester. In Madaba ist Maha noch in den Kindergarten gegangen, bevor sie mit ihren Eltern nach Kuwait gezogen ist, da der Vater dort Arbeit gefunden hatte. Für die High School ist sie dann allerdings wieder zurück nach Madaba gekommen und in Amman schließlich auch aufs College gegangen. Besonders an die Zeit in Madaba erinnert Maha sich sehr gerne zurück, da ihre Eltern da noch gelebt haben und sie dort eine sehr schöne Kindheit gemeinsam mit ihren Schwestern verbracht hat.

Seit Maha klein war wollte sie immer Polizistin werden und hat schon immer davon geträumt eines Tages eine Polizistinnenuniform tragen zu können.
Dieser Wunsch wurde leider nicht wahr, da es ihrem Vater sehr wichtig war, dass sie auf einem Mädchen-College studiert. Um Polizist oder Polizistin werden zu können muss man allerdings an einem gemischten College studieren. Also begann Maha ein Studium am Colllege zur Sportlehrerin. Auf meine Frage, ob sie damit nun auch glücklich ist, antwortet sie nachdrücklich, dass es eine gute Entscheidung gewesen sei.

Die Lehrerausbildung am College dauerte zwei Jahre, danach begann sie in Madaba an einer gößeren Schule zu unterrichten. Maha unterrichtete dort schließlich nicht nur Sport, sondern auch Kunst, Technik und Geschichte. In Madaba sind auch Mahas beide Söhne Tawfiq und Marwan zur Welt gekommen. Tawfig ist mittlerweile 22 und Marwan 20.

2009 verließ Maha die Schule in Madaba und kam mit ihren beiden Söhnen an die Theodor-Schneller-Schule nach Amman. Sie übernahm zunächst die family der kleinsten Jungen. In manchen Jahren hatte Maha mehr als 20 Jungen zwischen 4 und zehn Jahren unter ihrer Aufsicht. Am Vormittag arbeitete sie dann noch in der Schule und unterrichtete dort Sport und Technik. Im Nachhinein beschreibt sie diese Jahre auch als sehr anstrengend, da die Altersspanne der Jungen so groß war und 25 Jungen natürlich auch eine Menge Arbeit bedeuten. Als sie 2013 schließlich die family der Mädchen übernimmt, ist sie sehr erleichtert. Sie hat das Gefühl, dass sie die Mädchen besser erziehen kann, als die Jungen, vor allem weil sie sie als Frau besser versteht. Ein weiterer Vorteil war auch, dass die Mädchen nun alle in etwa demselben Alter waren.

Miss Maha lebt noch immer gemeinsam mit ihren beiden Söhnen und den Mädchen in einem Haus auf dem Gelände der Schneller Schule. Dieses Jahr hat sie aber nur noch neun Mädchen und an den Vormittagen unterrichtet sie nun auch nicht mehr in der Schule.

Noch vier Fragen zum Schluss

Die folgenden Fragen hat mir Miss Maha auf Englisch und Arabisch beantwortet. Ich gebe ihre Antworten hier sinngemäß wieder.

Was sind die größten Schwierigkeiten in der Arbeit an der Schneller-Schule?

Diese Frage hat zwei Antworten. Die größte Schwierigkeit sind zum einen die Eltern. Viele Eltern unterstützen die Arbeit des Educators, doch manche Eltern suchen keinen Kontakt zu mir und auch nicht zu ihren Kindern, wenn diese unter der Woche bei mir sind. Es gibt Eltern mit denen spreche ich nach drei Monaten zum ersten Mal. Ich versuche dann, die Eltern zu einem Gespräch zu erwischen und schlage ihnen vor, beispielsweise ihre Töchter unter der Woche auch mal anzurufen. Immerhin sind es ihre Kinder, die Eltern sollten wissen, wie es ihrer Tochter im Internat ergeht.
Eine weitere Schwierigkeit sind dann die Kinder. Anfangs kommen die meisten Mädchen zu mir und sind gar nicht organisiert und können nicht auf sich selbst Acht geben. Dadurch sind gerade die ersten Monate besonders anstrengend, weil ich ihnen alles zeigen muss. Beispielsweise wie man sich wäscht, umzieht, isst oder sein Bett macht. Doch ich bemerke bei den Mädchen immer sehr schnell Veränderungen in ihrer Entwicklung und mit der Zeit spielt sich dann auch eine Art Alltag ein.

Können Sie Reaktionen von Fremden beschreiben, wenn Sie von Ihrer Arbeit berichten?

Für gewöhnlich sind die Menschen nicht besonders verwundert, wenn ich sage, dass ich als Erzieherin arbeite, aber wenn ich erzähle, dass ich gemeinsam mit den Kindern im Internat wohne, haben viele sehr komische Vorstellungen. Dann reagieren die Menschen schon häufig schockiert. Viele denken, dass ich in einem Klassenzimmer in einer Schule lebe und nicht in einem richtigen Haus. Doch wenn ich diese Missverständnisse aus dem Weg geräumt habe, ernte ich oft auch ein beeindrucktes Lachen.

Was ist denn das Schönste an Ihrem Job?

Das Schönste ist für mich, zu sehen wie die Kinder groß werden und sich entwickeln. Manche meiner Kinder kommen mich immer noch besuchen, das macht mich sehr glücklich. Einige der Mädchen kenne ich seit sie drei Jahre alt sind, im Prinzip seit sie im Kindergarten sind. Es erfüllt mich mit Stolz zu sehen, wie sie sich entwickelt haben und jetzt groß sind.

Wie sehen Sie das Zusammenleben der verschiedenen Religionen hier in Jordanien?

Ich habe keine Probleme mit Muslimen oder Juden. Wir sind alle wie Geschwister. Vorher hatte ich eine Diskussion mit einer Fünftklässlerin, die in einem Buch über Krieg zwischen den Zionisten und den Muslimen gelesen hat. Ihre Eltern hätten ihr gesagt, dass die Juden nicht an Gott glauben würden und generell furchtbare Menschen seien. Die Kinder haben dann häufig Fragen an mich zu diesem Thema. Gerade, weil die meisten SchülerInnen an der Theodor-Schneller-Schule palästinensische Wurzeln haben. Ich versuche zu erklären, dass es wichtig ist zwischen Juden und dem Land Israel zu unterscheiden. Diesen Unterschied kennen die meisten nicht. Israel ist gleich das ganze Judentum. Für mich ist es dann wichtig, dass die SchülerInnen hier den Unterschied zwischen der israelischen Regierung und der jüdischen Religion begreifen.

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Die Erzieherin Maha in ihrem Haus auf dem Geländer der Schneller-Schule (Foto: EMS/Schnotz)
Die Erzieherin Maha in ihrem Haus auf dem Geländer der Schneller-Schule (Foto: EMS/Schnotz)
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Gemeinsam mit allen Mädchen bei einer Feier, die anlässlich des Starts des neuen Schuljahres im September veranstaltet wurde. (Foto: EMS/Schnotz)
Gemeinsam mit allen Mädchen bei einer Feier, die anlässlich des Starts des neuen Schuljahres im September veranstaltet wurde. (Foto: EMS/Schnotz)