Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Aussicht auf die Innenstadt von Amman (Foto: EMS/Thier)
Aussicht auf die Innenstadt von Amman (Foto: EMS/Thier)
26. Oktober 2018

Fremd in einer neuen Umgebung

Felix

Felix

Jordanien
arbeitet in der Theodor-Schneller-Schule mit
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Mein Alltag und meine Arbeit in Jordanien

Genau vor zwei Monaten habe ich mich von meiner Familie und meiner Freundin am Flughafen verabschieden müssen und bin mit meinen Mitfreiwilligen in den Flieger nach Jordanien gestiegen, ein zu diesem Zeitpunkt für mich völlig fremdes Land. Eigentlich ziemlich verrückt oder …? Ehrlich gesagt waren das genau meine Gedanken, als die Rollen unserer Maschine den Halt verloren und die Klapperkiste (so sicher Fliegen auch ist, vertrauen konnte ich diesen Dingern noch nie …) sich gen Himmel auf den Weg machte.

Man mag es vielleicht als verrückt bezeichnen, was die anderen Freiwilligen der EMS und ich wagen, aber in diesen zwei Monaten habe ich schon so viel erlebt, gelernt und neue Bekanntschaften gemacht, dass ich behaupten kann, dass es sich jetzt schon gelohnt hat und bereits positiv auf diese Zeit zurückblicke, trotz Höhen und Tiefen. Ich konnte einen, wenn auch im Gesamten betrachtet, sehr kleinen aber wunderbaren Einblick in die jordanische Gesellschaft und Kultur bekommen.

Nun, nachdem ein Fünftel meines Freiwilligendienstes bereits hinter mir liegt, habe ich es auch endlich geschafft meinen ersten Blogeintrag zu veröffentlichen. Mir ist gar nicht bewusst geworden, wie schnell die Zeit hier inzwischen vergangen ist. Es ist paradox, aber einerseits kommt es mir vor, als wäre ich gerade erst angekommen, da ich immer noch ein Fremder in dieser Gegend bin und jeden Tag etwas Neues lerne und andererseits habe ich schon so viel erlebt, wie ich es nach der gleichen Zeit zuhause nicht hätte behaupten können.

Ich habe Amman erkundet, mit der deutschen Gemeinde eine Ausgrabungsstätte besichtigt, bin im Toten Meer schwimmen gegangen, habe es zusammen mit meinen Mitfreiwilligen geschafft, 13 Stunden zu früh bei einer Hochzeit aufzutauchen, durfte die jordanische Küche kennenlernen, den ersten Regen und ich habe zwei Stunden umsonst in der Kälte auf eine Verabredung gewartet, die niemals aufgetaucht ist … Und zuletzt das Wichtigste: Ich konnte durch meine Arbeit so viele neue Leute kennenlernen und habe in der Arbeit viele schöne, aber natürlich auch anstrengende Erfahrungen und Momente mit den Kindern hier im Internat sammeln können. Egal ob es das gemeinsame Erledigen der Hausaufgaben war – bei dem ich schon oft aufgrund Sprachbarriere oder nicht allzu motivierten Kindern verzweifelt bin – das Uno- (ein sehr elementarer Bestandteil der Freizeitgestaltung) und Fußballspielen mit den Kindern aus meiner Family oder das zweimal tägliche gemeinsame Essen war.

Nun zu meiner Einsatzstelle und Arbeit. Ich lebe mit Lisa und Luka zusammen in der Theodor-Schneller-Schule. Wir wohnen in einer Art WG im Boarding House, dem Internat der TSS. In unserem WG-Flur gibt es noch ein paar weitere Zimmer, die von einer sehr netten, älteren Dame bewohnt werden, von der man aber selten mehr als die Stimmen aus ihrem Fernseher mitbekommt.

Das Gelände der TSS ist echt riesig und von einer langen Mauer umgeben. Zusätzlich zum Boarding House und der Schule gibt es hier auch Werkstätten zur Ausbildung, ein Gästehaus, einen Kindergarten, eine Kirche und viele weitere Gebäude. Das Ganze liegt in einem nordöstlich von Amman liegenden Bezirk namens Rusayfah. Neben dem Internat und der Schule gibt es also noch viele weitere potenzielle Arbeitsmöglichkeiten, in die ich selbst aber noch nicht hineinschauen konnte. Aber gerne will ich euch den Ablauf meiner Arbeit so gut es geht näherbringen und von meinem Alltag berichten, auch wenn ich nach diesen zwei Monaten meine Aufgabe hier noch nicht ganz gefunden habe. Es ist also gut möglich, dass sich vieles noch verändern wird.

Meine eigentliche Aufgabe ist es von Sonntag bis Mittwoch die Betreuung der Kinder im Internat mitzugestalten und ihnen bei den Hausaufgaben zu helfen (Die Woche hier geht normalerweise immer von Sonntag bis Donnerstag. Da die Kinder donnerstags aber nach der Schule direkt nach Hause fahren, haben wir den Nachmittag frei). Gegen halb zwei kommen die Kinder aus der Schule zurück ins Internat. Dort sind sie je nach Alter in verschiedene „Families“ unterteilt. Das sind sozusagen Gruppen aus Jungs/Mädchen gleichen Alters, die sich zusammen ihre Räumlichkeiten teilen. Jede Family wird von einem Educator betreut, der sogar mit ihnen im Internat übernachtet. Ich bin zusammen mit Educator Adham in der jüngsten Jungsfamily. Diese Family besteht momentan aus 13 Jungs, die zwischen 6 und 11 Jahren alt sind.

Die ersten Tage fiel mir das Einleben in meiner Family relativ schwer, da die Kinder so gut wie kein Englisch sprechen können und die Kommunikation nur sehr beschränkt möglich war. Gerade wenn man mit diesen Umständen in ein fremdes Umfeld geworfen wird, ist es nicht so einfach sich einzuleben und zu lernen, wie und wo man alles helfen kann. Mittlerweile hat sich aber vieles verbessert und ich fühle mich wohler. Als ich die Kinder erstmal richtig kennengelernt habe, gewusst habe wie ich ein paar Späße mit ihnen machen kann und welche Spiele sie kennen, fällt mir die Kommunikation und Betreuung viel leichter. Zudem verstehe ich mich mit Adham immer besser, was mir im Alltag der Family ebenfalls mehr Sicherheit gibt. Auch die Fortschritte in der arabischen Sprache, die ich dank unseres Sprachkurses jede Woche mache, ermöglichen mir in der Family immer aktiver zu werden und ihnen eine größere Hilfe bei den Hausaufgaben zu sein.

Apropos Hausaufgaben: Jemanden einen englischen Text zu erklären, wenn dieser noch nicht mal das Wort „I“ lesen kann ist echt eine große Herausforderung, an der ich oft das Gefühl habe zu scheitern. Einfach ist das Ganze also nicht und oft sind die Hausaufgaben auch viel zu schwer für die Kinder (sie müssen schon ab der 1. Klasse Deutsch und Englisch lernen …) und ich muss mich damit zufriedengeben, wenn ich es schaffe, ihnen ein paar Vokabeln aus dem zu lernenden Text beizubringen. Reda ist der Jüngste aus meiner Family und besucht die 2. Klasse. Er kann weder das englische noch das arabische Alphabet, weshalb Adham und ich uns dazu entschieden haben, dass ich ihm lieber das Alphabet beibringen soll, anstatt mit ihm seine Hausaufgaben zu machen.

Richtiges Programm oder Aktivitäten mit den Kindern durchzuführen, ist trotzdem eher schwierig. Nicht nur aufgrund der immer noch großen Sprachbarriere, sondern auch weil sie kaum Zeit haben. Oft müssen sie den ganzen Nachmittag Hausaufgaben machen und manchmal wird sogar die Pause gestrichen, die von fünf bis sechs Uhr geht. In dieser Pause versammelt sich normalerweise das ganze Internat auf dem Spielplatz und dem Pausenhof. Dort spielen die Kinder auf den Schaukeln und Rutschen, spielen Fußball oder kaufen sich Chips und Süßigkeiten von einem kleinen Kiosk (das absolute Highlight in der Pause und wenn man nicht aufpasst, wird man überschüttet von all den Süßigkeiten, die man von den Kindern großzügig „aufgedrückt“ bekommt).

Die Kinder gehen abends ungefähr um acht Uhr ins Bett und das ist auch für mich der Zeitpunkt, an dem ich zurück in die WG gehen kann. Oft sitzen wir dann noch zu dritt in unserer Küche, erzählen von unserem Tag oder planen zusammen den nächsten Ausflug. Was die Vormittage angeht, haben wir zweimal die Woche einen Sprachkurs in einer Arabisch-Schule mitten in Amman. Jeden Dienstag-und Donnerstagmorgen müssen wir um sieben Uhr los und fahren mit dem Bus nach „Al‘ Balad“, in die Downtown von Amman. Zudem haben wir uns nach ein paar Wochen noch weitere Arbeitsfelder gesucht, weshalb Lisa und ich an den anderen Tagen morgens in der Schule sind. Dort helfe ich entweder Fuad, dem Deutschlehrer an der Schule, bei der Vorbereitung und Gestaltung seines Unterrichts oder Lisa und ich leiten gemeinsam mit ihm eine kleine „Deutsch-AG“, die einmal die Woche stattfindet. Allerdings gibt es noch viele weitere Möglichkeiten sich im Alltag auf dem Schneller-Gelände einzubringen, weshalb meine Aufgabenfelder sich bestimmt nochmal ändern werden.

Ich hoffe, euch hat der kleine Einblick in meine Arbeit und meine erste Zeit hier gefallen, auch wenn euch bewusst sein muss, dass man nicht alles auf Papier (oder wohl eher auf den Bildschirm) bringen kann. Ich freue mich auf weitere 8 Monate in Jordanien und bin gespannt, was mich in dieser Zeit noch alles erwarten wird. Natürlich werde ich, sobald es geht, Bericht erstatten!!

Liebe Grüße,
euer Felix

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Die Jungs aus meiner Family, während sie in der Pause Fußball spielen (Foto: EMS/Felix)
Die Jungs aus meiner Family, während sie in der Pause Fußball spielen (Foto: EMS/Felix)
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Deutschunterricht in der Family (Foto: EMS/Adham)
Deutschunterricht in der Family (Foto: EMS/Adham)