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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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# love Irbid Zeichen in der Nähe des City Centers in Irbid (Foto: EMS/Schiller)
# love Irbid Zeichen in der Nähe des City Centers in Irbid (Foto: EMS/Schiller)
23. Oktober 2018

Ankommen - meine ersten Monate in Irbid

Annabelle

Annabelle

Jordanien
leistet ihren Freiwilligendienst an einer integrativen Blindenschule
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Hallo ihr Lieben,

am 26.08., also vor circa 2 Monaten, bin ich mit meinen Mitfreiwilligen am Flughafen in Amman gelandet, wo Anna und ich abgeholt und nach Irbid gebracht wurden. Physisch gesehen verlief das Ankommen reibungslos und schnell. Psychisch gesehen, fing das Ankommen für mich bei der Landung erst an und ist heute noch nicht beendet. Was, denke ich, ganz normal ist, angesichts dessen, dass ich mich in einer für mich neuen Situation, Kultur und Umgebung befinde.

In diesem Blogeintrag möchte ich mit euch teilen, was für mich zum Ankommen dazugehört, wie es mir damit geht und was mir aufgefallen ist.

In meinem zweiten Blogeintrag schreibe ich dann über meine Aufgaben an der Arab Episcopal School (AES) in Irbid.

Ich habe mich entschieden die Punkte, die mir eingefallen sind einzeln zu betrachten und zu jedem einen Abschnitt geschrieben.

Nun genug der Einleitung und viel Spaß beim Lesen!

Die Fahrt vom Flughafen

Zu Beginn der Fahrt vom Flughafen in Amman nach Irbid war ich komplett eingenommen von den neuen Eindrücken und habe aufgeregt die schöne Landschaft, die Palmen an den Straßen, die hellen Gebäude und die bunten Laster betrachtet, die an uns vorbeigezogen sind. Interessant fand ich, wie immer mehr und größere Bäume auf den Hügeln zu sehen waren, je weiter wir nach Norden gefahren sind. Außerdem ist mir aufgefallen, dass auf dem Großteil der Strecke die Straßenmarkierungen kaum noch zu erkennen waren, was den Verkehr jedoch nicht zu stören schien, denn je nach Bedarf haben sich drei oder vier Spuren gebildet. Am Ende bin ich dann doch immer wieder eingenickt, da ich von der kurzen Nacht (wir sind gegen 7 Uhr geflogen) und der Aufregung ziemlich müde war.

Gastfreundschaft

Bei unserer Wohnung angekommen, wurden wir sehr herzlich von unserer „Gastmutter“ und Vermieterin Elham in Empfang genommen und direkt zu ihr nach oben eingeladen (wir leben mit ihr in ihrem Haus, sie wohnt in der oberen Etage und wir in der unteren), wo wir das erste Mal ein typisch jordanisches Gericht, nämlich „upside-down“, essen durften. Bei dieser Gelegenheit hat sie uns auch noch zum Frühstück am nächsten Morgen eingeladen.

Doch nicht nur von Elham werden wir immer wieder zum Essen eingeladen oder mit Essen beschenkt, auch von den Lehrerinnen in der Schule bekommen wir oft Leckereien und traditionelles Essen angeboten, das wir gerne annehmen. Außerdem hatten wir nette Gespräche mit Fahrern von Careem („Taxi-App“ ähnlich zu uber) und der Kassierer in der Bäckerei hat uns ein paar Mal Rabatt gegeben.

Das Erlebnis, das mich, im Bezug auf Gastfreundschaft, am meisten beeindruckt hat, war jedoch in einer Apotheke. Ich war erkältet mit nervigem Halsweh und Husten, hatte aber keine passenden Medikamente von Deutschland dabei, darum ist Assis freundlicherweise mit uns zu einer Apotheke gefahren, deren Besitzer ein Freund von ihm ist. Dieser hat mir dann 5 Medikamente ausgesucht und einfach so geschenkt. Damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet, da mir so etwas bisher in noch keinem anderen Land passiert ist. Ich habe das Geschenk erst abgelehnt, doch damit kam ich hier in Jordanien bis jetzt noch kein einziges Mal sehr weit. Also hatte ich ganze 5 Medikamente umsonst in meiner Hand und wusste gar nicht wie ich meine Dankbarkeit in Worte fassen sollte.

Später hat Assis uns erklärt, dass er die Freiwilligen immer zu dieser Apotheke bringt, wenn sie etwas brauchen und sein Freund den Freiwilligen die Medikamente beim ersten Mal immer geschenkt hat. Wie Assis uns ebenfalls mitteilte, hat sein Freund ihm gesagt, er fände es sehr toll was wir in diesem Freiwilligendienst machen und er hätte großen Respekt, dass wir dafür ein knappes Jahr von zuhause weggehen und nach Jordanien kommen, weshalb er mir die Medikamente gerne schenken möchte.

Wetter

Das Wetter hier war für mich gewöhnungsbedürftig, da es in Deutschland langsam kühler wurde und es hier in Jordanien noch sehr warm war. Wir hatten in den ersten zwei Wochen tagsüber Temperaturen von über 30°C und nachts über 20°C. Der kälteste Punkt war jedoch erst um 6 Uhr morgens erreicht, was für mich in den ersten Tagen viel zu warm zum Schlafen war, selbst bei offenen Fenstern. Auch tagsüber, z. B. auf dem Nachhauseweg oder im Kindergarten war mir teilweise sehr, sehr warm, da wir hier lange Hosen und hochgeschlossene T-Shirts tragen, woran mein Körper sich erst einmal gewöhnen musste.

Auf der anderen Seite brauchte ich dann in klimatisierten Räumen eine dünne Jacke, da die Klimaanlage oft auf 23°C stand, was mir, nur im T-Shirt, schnell zu kalt wurde. Wahrscheinlich habe ich mich unter anderem durch diesen ständigen Temperaturwechsel und die falsche Kleidung erkältet.

Momentan ist es etwas kühler und ich gehe morgens in Jeans und Pulli aus dem Haus, also ähnlich wie bei herbstlichem Wetter in Deutschland.

Alleine Wohnen

Was ebenfalls ganz neu und ungewohnt war, war es, plötzlich alleine in einer Wohnung zu wohnen.

Ich habe besonders dieses Jahr, nach dem Abitur im März, viel Zeit zuhause gehabt und öfter mal gekocht (was ich sehr gerne mache) und ich habe ein paar Mal die Wäsche gewaschen und gebügelt, da ich das während dem Studium ja auch alles alleine machen muss. Hatte aber ganz vergessen, dass wir hier bereits schon die Erfahrung machen, wie es ist alleine zu wohnen. Eigentlich ist es ja nichts Besonderes, da so ziemlich jeder irgendwann bei seinen Eltern auszieht und alleine wohnt, aber es ist schon eine Veränderung, die mir sehr auffällt. Ich kann mich, zum Beispiel, nach der Arbeit nicht einfach nur faul aufs Bett legen und entspannen, da ich die Verantwortung für den Haushalt (zusammen mit Anna) selbst trage. Dinge wie Einkaufen, Wäsche waschen, Kochen und Müll rausbringen muss ich nun immer bei meiner Tages- und Wochenplanung berücksichtigen. Da kam es an dem ein oder anderen Tag eben schon mal dazu, dass ich nicht so viel Zeit zum gammeln hatte, wie mir lieb gewesen wäre.

Ans alleine wohnen habe ich mich aber schnell gewöhnt und ich finde es sehr interessant herauszufinden, wie man beispielsweise am schlausten einkauft, sodass das Geld zum Bezahlen reicht und das Essen möglichst lange hält. Außerdem habe ich Freude daran immer mehr Verantwortung für mich selbst und für mein Leben zu haben, auch wenn es manchmal ätzend ist oder meine Faulheit mir im Wege steht (immerhin bin ich so auch immer wieder gezwungen diese abzulegen).

Sprachbarriere

Die Sprachbarriere ist bei mir vorhanden, allerdings nicht allzu groß, da Assis deutsch spricht und der Rest seiner Familie (so wie Elham und viele der Mitarbeiter und Schüler an der AES) Englisch spricht. Trotzdem wollte ich gerne Arabisch lernen, um mich mit möglichst vielen Menschen verständigen zu können. Außerdem finde ich die Sprache sehr interessant und ihren Klang sehr schön. Nicht zuletzt habe ich auch ein schlechtes Gewissen, wenn ich mich in einem Land aufhalte, dort kurzzeitig lebe (sei es nur im Urlaub) und die Landessprache weder verstehen, noch sprechen kann.

Leider hatten Anna und ich erst ab Ende September die Möglichkeit einen Sprachkurs zu nehmen, aber bis dahin hatte ich bereits einige Wörter durch wiederholtes Hören oder Nachfragen gelernt. Von den Vokabeln, die wir im Sprachkurs lernen, erkenne ich immer mehr im Alltag wieder, was mich sehr motiviert weiter zu lernen. Auch den Kindern im Kindergarten kann ich schon besser vermitteln, was ich von ihnen möchte.

Momentan habe ich richtig Spaß daran, die arabische Sprache zu lernen.

Heimweh

Mir war von Vornherein klar, dass ich am Anfang starkes Heimweh haben würde, da ich mich für lange Zeit von meinem Freund verabschieden musste. Jedoch hatte ich eigentlich gedacht, es würde länger anhalten (um ehrlich zu sein den ganzen ersten Monat).

Ich denke zwar jeden Tag an meine Liebsten in Deutschland, aber es ist kein durchgehendes Heimweh, was auch gut so ist, denn ich hatte einen guten Start in meiner Einsatzstelle und insgesamt einen schönen ersten Monat.

Im Grunde hatte ich aber Recht mit meiner Vorahnung und ich möchte versuchen euch zu beschreiben, wie das für mich war.

Als am Sonntagabend die erste ruhige Minute da war, wir wieder unten in unserer Wohnung waren und es ans Koffer auspacken ging, kam bei mir ganz plötzlich der Moment, in dem ich realisiert habe, dass ich für ganze 10 Monate weit weg von zuhause (von meiner Familie und meinem Freund) sein würde. Diesen Gedanken hatte ich bestimmt schon seit Mitte Juni diesen Jahres nicht ganz in mein Bewusstsein eindringen lassen und immer wieder verdrängt, weil ich nicht an den Schmerz denken wollte, der für mich damit verbunden war.

Auch am Flughafen habe ich mich noch stark zusammengerissen und meine Eltern kaum angeschaut um nicht Weinen zu müssen. Durch das ständige Aufschieben kamen die angestauten Emotionen dann, an diesem Abend, mit ganzer Wucht aus mir heraus und ich habe geweint wie schon lange nicht mehr. In dem Moment hat sich alles ganz fremd und falsch angefühlt und ich wäre am liebsten direkt zurück nach Hause geflogen. Doch Anna hat mir gut zugeredet, mir „befohlen“ meine Koffer auszupacken und anschließend noch einen Film mit mir geschaut um mich abzulenken.

Die drei darauffolgenden Tage war mein Heimweh immer noch recht stark und präsent, besonders in der Wohnung, wo ich alleine in dem noch fremden Zimmer saß und nichts zu tun hatte.

Mittlerweile, nach circa 2 Monaten fühlt es sich schon wie „mein“ Zimmer an, doch am Anfang war es, trotz meiner Sachen darin, ein fremdes leeres Zimmer, das noch mehr meiner Vorfreiwilligen gehörte als mir. Mit der Zeit habe ich mich an das neue Zimmer gewöhnt, weil es mein privater Rückzugsort ist, wo ich runterfahren und für mich sein kann, und weil ich den Großteil meiner Freizeit nach der Arbeit hier verbracht habe. Außerdem habe ich meine Freizeit genutzt und mich abgelenkt, indem ich mir Dekoration gezeichnet und gebastelt habe um die große weiße Wand hinter meinem Schreibtisch zu füllen. Für solche Dekorations- und Wohlfühlzwecke habe ich auch Fotos von zuhause mitgenommen, die mit aufgehängt werden, sobald dann endlich alles fertig ist.

Das Heimweh wurde ganz schnell weniger bei mir, da wir in der Schule viel zu tun hatten und alles noch sehr aufregend war. In der Wohnung habe ich mich anfangs selbst beschäftigt mit der Dekoration für meine Wand, Filmen und Hörbüchern auf YouTube.

Als ich so blöd erkältet war kam das Heimweh trotzdem wieder, da ich, egal wo ich zu dem Zeitpunkt bin, wenn ich krank bin immer am liebsten zuhause wäre, wo ich von meinem Papa dann direkt die richtigen Medikamente und Tees vorgesetzt bekomme und ich Besuch von unseren Katzen kriege. Glücklicherweise konnte mir Assis von seiner Deutschlandreise ein Paket mit Medikamenten mitbringen, das meine Eltern ihm zugeschickt haben. So und übers Telefonieren habe ich immerhin ein bisschen Pflege von ihnen bekommen. Außerdem haben sich hier vor Ort auch alle ganz lieb um mich gekümmert, Assis hat mir Tabletten gegeben, mich zur Apotheke gebracht und mir wurde sogar Wick-Salbe von einer Mitarbeiterin der Schule geschenkt.

Momentan denke ich wieder mehr an zuhause. Wir haben zwar immer noch viel Arbeit in der Schule, aber so langsam habe ich mich eingewöhnt und es ist nicht mehr alles so neu und aufregend wie am Anfang, was in meinem Kopf wieder mehr Platz für Gedanken schafft.

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Einer von vielen bunten Lastwägen in Irbid (Foto: EMS/Schiller)
Einer von vielen bunten Lastwägen in Irbid (Foto: EMS/Schiller)
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Upside-down, kobbeh, eingelegte Oliven und Fladenbrot zum Abendessen bei Elham (Foto: EMS/Schiller)
Upside-down, kobbeh, eingelegte Oliven und Fladenbrot zum Abendessen bei Elham (Foto: EMS/Schiller)