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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Schweine werden häufig in diesen Bambus-Hütten gehalten (Foto: EMS/Dunker)
Schweine werden häufig in diesen Bambus-Hütten gehalten (Foto: EMS/Dunker)
12. Februar 2019

"Du wirst hier auf jeden Fall fett werden!"

Marie

Marie

Indonesien
arbeitet in der Kinder- und Jugendarbeit mit
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Lange habe ich keinen Blogeintrag mehr geschrieben, ich dachte es würde mal wieder Zeit dafür. Ich möchte etwas über das Essen/Essgewohnheiten schreiben, was mir bisher hier in Indonesien begegnet ist.
Ich möchte aber schonmal klarstellen: Ich habe nur einen winzigen Teil von Indonesien kennengelernt, und das, was ich hier berichte, ist keinesfalls eine "Definition der indonesischen Küche", trotzdem möchte ich euch einen kleinen (!) Einblick schenken in das, was ich bisher so beobachten/probieren konnte.

Reis:

Was ich schon vor der Abreise gehört hatte, war, dass ich mich auf viel Reis einstellen sollte. Tatsächlich habe ich in der Zeit viele Menschen kennengelernt, die morgens, mittags und abends Reis als Grundlage ihrer Mahlzeiten essen. Hier in Mamasa haben viele Familien ihre eigenen Reisfelder, die weitervererbt werden. Im Januar durfte ich sogar auf dem Reisfeld (sawah) meiner Gast-Ibu mithelfen, den Reis zu ernten! Das "potong padi" hat wirklich Spaß gemacht, war aber auch sehr anstrengend und hat mich nicht ganz unverletzt gelassen. Ich habe riesigen Respekt vor den Ibus, die das öfters machen, mein Rücken hat mir noch lange danach Probleme gemacht. Die getrocknete Ernte wird hier in einer Fabrik weiterverarbeitet, und wir haben hier in der Familie einen großen "Kasten" in dem der Reis gelagert wird, bis er im Reiskocher dann täglich fertiggekocht wird.
Mir wurde gesagt "Wir Indonesier werden ohne Reis nicht satt"/"Ohne Reis hat ein Indonesier noch nicht gegessen": Reis ist schon die gängigste Grundlage einer Mahlzeit, aber ich kenne auch viele Indonesier, die z.B Toast oder Saft zum Frühstück haben, oder von Mahlzeiten ohne Reis, wie Bakso (Fleischbällchensuppe), Kapurung (eine Art Suppe mit glibberigen Kugeln aus Sagomehl) satt werden.
Reis ist aber auch wirklich ein tolles, vielfältiges Lebensmittel! Ich habe so viele Gerichte kennengelernt, die man aus Reis/-mehl machen kann: bubur (Reisporridge), nasi goreng (gebratener Reis), kue nagasari (in Bananenblätter eingewickelte Masse aus Reismehl, gefüllt mit Banane), klepon (wie Raffaelo aussehende Klebereisbällchen mit Palmzucker gefüllt) - ihr merkt schon, ich könnte hier noch laaange weiterschreiben. Reis bildet eine super Grundlage, wenn man das noch mit Gemüse und Tempeh kombiniert hat man eine Mahlzeit wie aus dem Sachbuch.
Was ich in Bezug auf Reis noch lernen möchte, ist ihn mit den Fingern zu essen, ich hab schon oft versucht die "Technik" dazu nachzuahmen, kriege es aber noch nicht so ganz hin.

Veganismus:

Diejenigen, die mich kennen wissen das sehr wahrscheinlich, aber mir sind Umwelt und Tiere wichtig, weshalb ich seit fast 3 Jahren vegan bin. Natürlich habe ich mich vor der Ausreise gefragt, wie ich das in Indonesien handhaben werde, aber letztendlich ist es überall, egal unter welchen Umständen möglich, sich vegan zu ernähren. Ich bin extrem dankbar, dass meine Gastfamilie so verständnisvoll in dem Punkt ist, ich habe am Anfang erklärt, warum ich entscheide, keine tierischen Produkte zu mir zu nehmen, und wie die meisten Leute konnten sie das auch verstehen. Darüber bin ich sehr froh, zumal ich auch einige getroffen habe, die das nicht verstehen können, und sich eher darüber lustig machen, aber das bin ich halt auch schon aus Deutschland gewohnt.
Manchmal sage ich auch einfach, dass ich Allergien habe, wenn ich schon merke dass derjenige meine Gründe nicht nachvollziehen könnte. Ich habe viel Spaß daran, indonesische Rezepte zu veganisieren, oder meine eigenen Rezepte für die ganze Familie zu kochen, die immer sehr sehr gerne gegessen, und für den Gesundheitsaspekt hoch gepriesen werden, was mich ganz happy macht :)
Klar, dadurch dass ich keine Tiere essen möchte, lerne ich auch einen großen Teil der Küche nicht kennen. Anstatt zu probieren, frage ich gerne dann einfach nach, was für eine Art Fleisch z.B in einer Speise drin ist, aus Interesse. Ich bin allerdings nicht so "streng" wie ich normalerweise bin; als ich z.B in Makassar war, wurde vorher extra Toast für mich gekauft, in dem aber Milchpulver enthalten war. Ich esse das dann halt einfach trotzdem, es wäre sehr unhöflich die liebe Geste abzulehnen. Auf großen Veranstaltungen gibt es oft nichts, was keine Tiere enthält, weshalb ich dann einfach nur Reis esse. Ich versuche dann einfach, dass der Gastgeber das nicht mitbekommt, damit er sich keine Vorwürfe macht.
Ich muss mich oft zurückhalten, auf dem Markt die Käfige mit Hühnern oder am Wegrand die Schweinekästen nicht aufzubrechen, haha. Trotzdem muss ich sagen, dass die "Beziehung" zu Fleisch um Längen besser als die des Durchschnitts in Deutschland ist. Wie oft ich etwas zu hören bekomme wie "Ich kann mir diese Schlachtungsvideos auch nicht angucken, dann könnte ich kein Fleisch mehr essen" - hier in Mamasa wiederum werden die Tiere einzeln, per Hand geschlachtet, oft auch das "familieneigene" Schwein. "Ethisch" ist das denke ich immer noch nicht, aber wenigstens ist man sich noch bewusst, woher sein Fleisch kommt, und muss sich nicht einreden, ein "Bio-Siegel" könnte für ein reines Gewissen sorgen.
Was ich übrigens amüsant finde, ist, dass sich Fleischesser denen ich erzählt habe, wie mir Hundefleisch auf einer Feier angeboten wurde, total entsetzt haben, gleichwie wenn ich von Beerdigungen erzähle auf denen Büffel/Schweine geschlachtet wurden.

Gewicht:

Eine der ersten Dinge, die mir erzählt wurden, war dass ich sicher 5-10kg zunehmen würde, und ich habe mit der Zeit so ein bisschen gemerkt, was für ein Tabu-Thema Gewicht in Deutschland eigentlich ist. Meine Erfahrung hier bisher war, dass es gar nicht so ein "persönliches" Thema zu sein scheint, wo dann beispielsweise bei Zusammentreffen ganz easy darüber diskutiert wird wie Tante XY ja so dick geworden sei, oder ganz selbstverständlich angeboten wird mir beim Abnehmen zu helfen weil ich ja schon ein bisschen "zu viel hätte" - bei Personenbeschreibungen bekomme ich auch oft "dünn" oder "dick" als einziges Merkmal neben der Anzahl von Kindern genannt. Klar, es ist schwierig bei Haar/Augenfarbe ins Detail zu gehen da ein Großteil der Leute schwarze Haare & Augen haben, aber es ist mir einfach aufgefallen.
Viele Fragen mich, ob ich hier traurig sei, weil ich noch nicht zugenommen habe; ich glaube Essen hat einen ganz anderen (gesellschaftlichen) Stellenwert, als ich es gewöhnt bin.

Gemeinschaft:

Beim Thema Essen möchte ich auch darüber schreiben, wie Essen in Gemeinschaft genossen wird. Ich denke es ist generell in vielen Kulturen so, dass Essen zusammen als soziales Ereignis geteilt wird. Mir wurde auch erklärt, dass wenn man zu Besuch zu jemandem vorbeikommt, und diese grade am Essen sind, bringt das Glück. Letztens bin ich einmal in einem Büro angekommen, und es war gerade Essenspause - begrüßt wurde ich dann mit der lieb gemeinten Aufforderung "mari, silahkan, makan!" (Komm, iss etwas!). Ich habe es bisher so empfunden als würde während des Essens eher wenig bis garnicht geredet, dafür davor und danach ordentlich geplaudert. Ist der Teller leer werde ich fast immer aufgefordert noch mehr zu nehmen (tambah, tambah!), weshalb ich immer von vornherein mir eher kleine Portionen auftue; es wird aber generell verstanden wenn ich sage, dass ich satt bin, obwohl darüber dann oft gelacht wird.
Den Kindern in den TK's in denen ich bin wird auch beigebracht, ihr Essen zu teilen, indem während der Essenszeit die Kinder den Teller der Lehrerin mit etwas aus ihren Frühstücksdosen füllen, eine sehr süße Geste.
Irgendwann habe ich dann auch gelernt dass es eher unhöflich ist, wenn ich zu Gast irgendwo bin und ablehne, wenn mir etwas zu angeboten wird. Mein Gedankengang war, den Leuten ja keine Arbeit zu machen - mit der Zeit wurde mir dann klar dass es sich für den Gastgeber anfühlt als wäre er ein schlechter Gastgeber, wenn der Gast nicht wenigstens eine Kleinigkeit trinkt/isst.

Außerhalb Essen:

Fährt man ein bisschen durch die Städte in Indonesien, fallen ganz sicherlich die kleinen Warungs auf, vergleichbar mit kleinen Imbissen, die für gewöhlich sehr leckeres und preiswertes Essen haben. Sehr zu empfehlen, dort mal vorbeizuschauen und wenigstens einen der vielen Fruchtsäfte zu probieren. Jedes mal, wenn ich nach Polewali zum Visa verlängern gefahren bin, habe ich mit Pak Gannar und Papa'Kelyn, dem Fahrer, in einem Warung zu mittag gegessen. Auf dem Tisch dort stehen Minibananen und Kerupuk (Krabbenchips) zum snacken, sowie Wasser und Saucen (Kecap und Sambal). Zusätzlich wird eine Schüssel Wasser gereicht zum Hände säubern. Die beiden haben sich immer eine Schüssel Fisch in Brühe geteilt, es gab einen Pott Reis für alle, ich hatte Wasserspinat und Tofu dazu. Auf den Jus Sirsak habe ich mich dort immer besonders gefreut.
Man sollte auch keine zu große Scheu vor den "kaki lima", quasi fahrenden Straßenküchen haben, an denen alles mögliche von Bakso über Nasi Kuning (gelben Reis) und Gorengan (versch. frittierte Teilchen) bis zu süßen Speisen wie Muffins, oder dem mit Palmzucker und Kokosraspeln gefülltem Hefeteiggebäck roti pawa.

Aber was isst man denn so?:

Ich gebe einfach mal ein Beispiel, wie wir während der Erdbebenzeit im Kirchenbüro gekocht haben - das war dann offen für alle, die vorbeikamen und mitessen wollten. Da haben wir dann jede Mahlzeit gekocht, zuhause ist es eher so dass gekocht wird und Reste abgedeckt aufbewahrt wird - wer Hunger hat, nimmt sich einfach.

Morgens (ca. 6-7 Uhr): Nasi goreng (gebratener Reis) mit Omelette, gezuckertem Tee und Kaffee

Mittags (ca. 11-12.30 Uhr): Reis, Mie goreng (gebratene Nudeln), Suppe mit Gemüse und Fleisch

Nachmittags (ca. 15 Uhr): Pisang goreng (frittierte Bananen) oder Ubi goreng (Pommes aus Maniokwurzel)

Abends (ca. 17.30-18 Uhr): Reis mit Daun Ubi (Blätter der Maniokpflanze), frittiertes Tempeh, Fisch in Kurkuma-Brühe

Jeweils dazu steht Wasser aus 220ml-Plastikbehältern mit Plastikbezug in den man einen Strohhalm reinhaut, Kecap manis, und eine Chillisauce (hier "Lombok" genannt), was das Essen an sich dann nicht scharf macht sondern jeder für sich selbst das Schärfelevel bestimmen kann. Vor dem Geruch von Garnelenpaste (Terasi) renne ich immernoch weg, meine Nase will sich einfach nicht daran gewöhnen.

Ich habe mal für euch ein paar Tage ein Fooddiary geführt und daraus mal meinen Durchschnitts-Tag erstellt:

Morgens: Toast mit Marmelade Im TK: einen geteilten Snack der Kinder

Mittags: Obst wie Tamarillos oder Papaya

Abends: Reis mit viel Gemüse und Tempeh

Es tut mir sehr leid, dass der Blogpost so lang geworden ist, und immernoch fallen mir tausend Dinge ein, auf die ich eingehen könnte. Das zeigt denke ich, wie vielfältig die "indonesische Küche" ist, zumal ich hier wirklich nur einige Dinge angeschnitten habe und das auch nur auf meinen Erfahrungen in Mamasa basierend, jemand der in einer andere Region is(s)t wird sicherlich andere kulinarische Erfahrungen machen.
Das ist auf jeden Fall ein Aufruf, bei Möglichkeit die wunderbaren indonesischen Inseln zu bereisen und sich selbst eine Kostprobe zu verschaffen! Ich nehme viele Rezepte und Ideen mit nach Deutschland, um sie dort so gut es geht nachzukochen, sowie ich auch Rezepte hier in meiner Gastfamilie "lasse". Wenn ihr nicht warten könnt, dass ich wiederkomme und euch bekoche, schaut gerne auf der Seite "gutekueche.at" vorbei und probiert euch an Rezepten für Klepon, Gado-Gado, Saté, Mie goreng oder Nasi Kuning!

Ich wünsche eine wunderbare Zeit, ich hoffe ich habe euch etwas Appetit gemacht.
LG, Marie

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Potong padi auf dem Reisfeld meiner Gast-Ibu (Foto: EMS/Alvret)
Potong padi auf dem Reisfeld meiner Gast-Ibu (Foto: EMS/Alvret)
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Momentan in Saison: Rambutan, Langsam und Durian (Foto: EMS/Dunker)
Momentan in Saison: Rambutan, Langsam und Durian (Foto: EMS/Dunker)