Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)
Tage seit Ankunft: 37
Unglaublich, schon über ein Monat ist jetzt vergangen, und das ging unfassbar schnell, vielleicht schneller als mir lieb ist. Es gibt gute und schlechte Tage, aber heute ist definitiv ein guter, also kommt hier mein Blogeintrag über meine Einsatzstelle.
AshaBhavan bedeutet „Heim der Hoffnung“ und ist eine Einrichtung für geistig behinderte Frauen. Es wurde Anfang 1998 gegründet und wird von der CSI (Church of South India) finanziert, die wiederum Partnerkirche der EMS ist. Auf dem Grundstück gibt es außerdem ein Law College und das St. Monica’s Convent, in dem eine „Sister“ wohnt. Sozusagen im Keller des Gebäudes befindet sich eine Art Nachhilfeinstitut, das von einer amerikanischen Organisation finanziert wird.
Jeden Tag kommen um die zehn Mädchen in das AshaBhavan, insgesamt sind es wohl über 20, von denen ich auch noch nicht alle kennengelernt habe. Mit Mädchen meine ich eigentlich Frauen von 18 bis 50 Jahren, doch das Alter merkt man ihnen aufgrund ihrer Behinderung nicht an. Fünf der Mädchen wohnen unter der Woche im Gebäude, da sie zu Hause keine Betreuung bekommen können.
Der Morgen beginnt entweder früh in der Küche, wo Tee und heißes Wasser für die Dusche vorbereitet werden, oder mit meinem Ausschlafen. Wenn ich mich jedoch um halb sieben aus dem Bett quäle, helfe ich der Betreuerin die Mädchen zu waschen und anzuziehen.
Frühstück gibt es gegen halb neun, eine Stunde später beginnt der Unterricht mit einer kleinen Andacht. Darauf folgen einige Gymnastik- und Dehnübungen. Dann machen wir was auch immer an dem Tag ansteht. Seit einigen Monaten sind nämlich zwei neue Therapeutinnen hier, die versuchen den Mädchen beizubringen etwas herzustellen was verkauft werden kann. Heute zum Beispiel wurden 30 Office Mappen verkauft und gerade arbeiten wir an Chormappen für einen Kirchenchor. Das dabei erwirtschaftete Geld soll den Mädchen als Taschengeld zur Verfügung stehen.
Falls es gerade keine Aufträge gibt an denen wir arbeiten, beschäftigen wir die Mädchen oft mit Schreibübungen und Ausmalen oder bringen ihnen Lieder bei. Meistens macht die Arbeit Spaß, da die meisten Mädchen total süß sind und obwohl die meisten nur sehr gebrochenes Englisch sprechen versuchen sie, mit mir zu kommunizieren und mir etwas Malayalam beizubringen. Da helfen auch die Lehrerinnen mit, denn ich möchte unbedingt das Alphabet beherrschen!
Die Schule geht bis Viertel vor drei. Dann habe ich Zeit für mich, sehr viel Zeit. Die verbringe ich entweder mit Riya, der jungen Beschäftigungstherapeutin, die auch hier wohnt, oder mit Wäsche waschen. Das nimmt ziemlich viel Zeit ein, vor allem wenn man gewohnt ist alles in die Waschmaschine zu schmeißen :D
Um 19:30 Uhr gibt es dann nochmal eine Andacht, bei der ich immer die Bibelstelle lesen oder beten soll. Das mit dem öffentlichen Beten fällt mir schwer, da ich das von zu Hause nicht gewohnt bin und auf Englisch auch nie die richtigen Worte finde. So fallen meine Gebete im Vergleich zu den Litaneien auf Malayalam, von denen ich natürlich nichts verstehe, ziemlich kurz aus, doch alle scheinen glücklich zu sein.
Der Ort, in dem ich bin, ist wirklich sehr klein, es gibt neben den Wohnhäusern einige kleine Geschäfte in denen man das Nötigste bekommt, eine kleine Kirche und eine Bushaltestelle. Von dort aus kann man nach Kottayam fahren. Das ist eine überschaubare Stadt, in der man aber vorzüglich shoppen gehen kann wie ich schon festgestellt habe. Aber vor allem für Frauen gibt es sonst nicht viele Möglichkeiten der Freizeitgestaltung, die auch noch durch die Ausgangssperre nach 18 Uhr eingeschränkt werden.
Bei dieser ganzen ungefüllten Zeit bleibt natürlich auch viel Zeit für Heimweh. Wie schon gesagt, es gibt Tage, da wünsche ich mir ich wäre wieder zu Hause. Wenn es mal wieder kein Wasser gibt, wenn ich niemanden verstehe und wenn ich mich nach meiner Familie und meinem Cello sehne. Aber ich lerne hier, die kleinen wunderschönen Momente wertzuschätzen. Zum Beispiel wenn endlich der Strom wiederkommt, wenn man sein erstes Chapati macht, wenn dich ein Mädchen liebevoll „Anniekutti“ nennt, wenn man etwas Neues auf Malayalam lernt oder wenn man den perfekten Platz zum Lesen findet. Zum Glück gewöhnt man sich an die blöden Momente, doch die schönen Momente kommen immer unerwartet und sind immer wieder toll. Deswegen schaue ich mit Zuversicht auf die nächsten Monate!