Über meine Arbeit im Kindergarten und die Freizeit
Von Militärmusik, Hüftschwung & Hochzeiten
So, bevor es richtig in die Weihnachtszeit geht, möchte ich noch ein bisschen von meiner Arbeit im Kindergarten erzählen. Immerhin sind es jetzt schon knapp drei Monate, die ich hier bin und in denen sich langsam ein Alltag eingepegelt hat. Außerdem habe ich sowieso gerade ein bisschen mehr Zeit, da ich zu paar Tagen Hausarrest verdonnert wurde. Und nein, nicht weil ich unartig war und mir der Fisch zum Mittag nicht geschmeckt hat, sondern aufgrund eines entzündeten Mückenstichs an meinem Fuß. Tja, das kommt davon, wenn man vergisst, sich mit Mückenspray einzusprühen und dann barfuß in der Abenddämmerung mit seinen Freunden am Lagerfeuer sitzt. Um für die Weihnachtsaktionen im Kindergarten nächste Woche wieder fit zu sein, nehme ich jetzt brav meine Medizin ein, lege den Fuß hoch und nehme euch wieder ein Stückchen in meine neue Welt mit.
Ein typischer Montag beginnt für mich 7 Uhr, in dem ich von dem zum Fleiß und Tatkraft motivierenden Gesang der Soldaten geweckt werde. Den Ruf des Muezzins um 5 Uhr höre ich glücklicherweise schon gar nicht mehr, da ich mich schon so sehr daran gewöhnt habe. Beschwingt mit dem Ohrwurm der Militärmusik in meinem Kopf mache ich mir Frühstück und laufe die zehn Minuten bis zum Kindergarten, der hier TK genannt wird. Auf dem Weg dorthin komme ich an einer Motorradwerkstatt und an einer Baustelle vorbei, wo ich des Öfteren von den Arbeitern ein „Good morning, Anni“ (der Name meiner Vorfreiwilligen sitzt noch zu tief drin) und ein mehrdeutiges Zuzwinkern ernte. Dann lächle ich freundlich, aber sehe zu, dass ich schnell weiterkomme.
Um 8 rum (manchmal eher, manchmal später) beginnt das Programm im TK. Jeder Tag beginnt mit einer Art Morgensport auf dem Schulhof für alle Klassen. Es werden mehrere Kinderlieder abgespielt, zu denen getanzt wird. Das macht viel Spaß, vor allem für die Kinder, wenn sie mir zusehen, wie ich verzweifelt die komplizierten Bewegungen nachzumachen versuche. Irgendwie gibt es einen bestimmten indonesischen Move aus den Hüften (oder Knien?), den ich noch nicht auf die Reihe bekomme. Vielleicht sollte ich mal zu einem deutschen Kinderlied vortanzen…
Nachdem die Kinder erschöpft auf den Boden plumpsen, wird jeden Montag eine kleine Andacht gehalten, mit einer Bibelgeschichte, Gebet und Kollekte. Danach gehen die jeweiligen Klassen in ihre Räume zum Unterricht. Momentan sind es 6 Klassen mit jeweils ca. 15 Kindern im Alter von 4-6 Jahren. Davon läuft eine Klasse unter dem Prinzip des Montessori-Konzeptes und eine andere Klasse ist speziell für die Jüngsten und für Kinder, die es schwerer haben sich zu konzentrieren.
Anders als in Deutschland haben die Kinder bereits im Kindergarten Unterricht, indem sie Buchstaben, Zahlen und einige Wörter lesen lernen. Da wird nicht nur gespielt, eher könnte man es mit der Vorschule in Deutschland vergleichen. Die Lehrerinnen geben den Lernstoff meist durch einprägsame Sprechgesänge und Spielchen rüber, manchmal ist aber auch ein bisschen Frontalunterricht inkludiert. Je nachdem wie die Aufmerksamkeitsspanne der Kinder aktuell ist. Meist wird dem Lernen ein überstehendes Thema zugeordnet. So wurde im September und Oktober im Zuge des Themas „Traditionelles Essen aus Mamasa“ die Vokale und einige Konsonanten gelernt und natürlich auch, wie man die Gerichte kocht. Dazu gab es Ende Oktober einen extra Familientag, bei dem die Eltern mit ihren Kindern bei verschiedenen Stationen „Baroyo“ (Brei aus Kokosnuss, braunem Zucker, Süßkartoffel und Wasser) oder „Lappa“ (Klebreis im Bananenblatt eingewickelt) herstellen konnten.
Meine Aufgaben halten sich bis jetzt noch in Grenzen. Anfangs habe ich mich aufgrund meiner fehlenden Sprachkenntnisse einfach in den Unterricht gesetzt und zugeschaut, aber habe so schonmal Kontakt zu den Kindern aufbauen und die Sprache schneller lernen können. Jetzt übernehme ich schon kleinere Aufgaben, wie das Kontrollieren der Schreibaufgaben in den Heften, das Erklären von Bastelaufgaben, das Unterrichten von kleinen Englischeinheiten und das Entlassen aus dem Klassenraum in die Pause. Hier spiele ich meistens draußen mit den Kindern Fangen. Auch wenn dann bereits die Mittagssonne beginnt die Luft zu erhitzen und sich mein Trinkwasser dem Ende neigt, haben wir viel Spaß miteinander.
Bevor die Kinder nach Hause geschickt werden, ist nochmal Disziplin angesagt. Alle Kinder müssen die Hände waschen und dann wird gegessen. Aber nicht bevor ein Gebet gesprochen und mit der Lehrerin das Essen geteilt wurde. Nachdem die Brotbüchsen leer sind und die zuvor sauberen Hände mit Schokolade oder Reis bestückt sind, gibt es ein Dankesgebet und es werden nochmal diverse Reime aufgesagt. Dann werden die Kinder entlassen und verabschieden sich von deren Lehrerin entweder mit einer Umarmung, einem Handklatscher oder ganz formell, mit gefalteten Händen vor der Brust. Spätestens 11 Uhr sind fast alle Kinder von ihren Eltern abgeholt worden und dann treffen sich die Lehrerinnen im Büro, um die nächsten Tage durchzusprechen und Lernmaterial vorzubereiten. Hier kann ich dann auch ein bisschen kreativ werden und immer mehr in die lustig lockeren Gespräche der Lehrerinnen einsteigen.
Insgesamt bin ich sehr beeindruckt von dem pädagogischen Konzept des TKs. Es scheint eine gute Mischung aus Lernen, Disziplin, Spiel und Spaß zu sein. Auch, dass viel gesungen und der christliche Glaube so im Vordergrund steht, gefällt mir sehr und ich bin sehr froh, hier arbeiten zu dürfen.
Im Januar werde ich höchstwahrscheinlich anfangen, immer mehr selbst zu unterrichten und das nicht nur im TK, sondern auch an einer Hochschule für Theologie, wo ich Jugendlichen Englisch näher bringen soll. Ich bin gespannt, wo sich das hin entwickelt, meistens ändert sich ja dann doch alles nochmal ;)
Genauso spontan gehe ich mit meiner Freizeit für den Rest des Tages um. An einem Tag mache ich mit meiner Gastfamilie einen Spaziergang auf den dicht befahrenen Straßen ohne Fußweg, an einem anderen Tag treffe ich mich mit Freunden und wieder an einem anderen Tag setze ich mich mit Meri in ein Café, um über das Leben zu philosophieren. Manchmal bleib ich auch zu Hause und verbringe viel Zeit mit meinem Gastbruder Musa. Gemeinsam tauschen wir uns über die zahlreichen Unterschiede zwischen Indonesien und Deutschland aus, backen gemeinsam Bananenbrot und schauen Horrorfilme bis tief in die Nacht. Wenn der Regen dann immer noch nicht aufhören mag, gebe ich ihm Klavierunterricht. Denn wenn hier jemand Klavier spielen kann, dann meistens aus dem Gefühl heraus. Das ist zwar auch nicht schlecht, aber mein Musikerherz sagt mir, ein bisschen Notenlehre und Rhythmusgefühl kann auch nicht schaden. Und ich würde sagen, wir sind erfolgreich. Ob es jetzt daran liegt, dass er ein talentierter Schüler ist oder ich einfach eine gute Lehrerin, kann ich nicht genau sagen ;) Hauptsache wir haben Spaß.
Ein anderer großer Teil meiner Freizeit nehmen tatsächlich Hochzeiten ein. Fast jede Woche bin ich zu mindestens einer Hochzeit eingeladen. Keine Ahnung woher die ganzen jungen Menschen kommen, langsam müssten in Mamasa doch alle miteinander verheiratet sein, oder?
Jedenfalls wird das hier schon etwas anders zelebriert. Es gibt mehrere Feste, mal bei der Familie der Braut und mal bei der Familie des Bräutigams, wo zusammen eine Andacht gehalten und gemeinsam gegessen wird. Meistens bin ich beim Höhepunkt des ganzen Heiratsprozesses dabei. Hier ist es dann nicht verwunderlich, wenn die Gästeanzahl auf mehr als 2000 Leute hinausragt, die alle so schick gekleidet und aufwendig geschminkt sind, als ob sie selbst gleich heiraten würden. Nachdem die Eltern, Geschwister, Trauzeugen und zuletzt das Brautpaar festlich eingelaufen sind, folgen lange Reden von wichtigen Personen. Das kann auf Dauer schonmal langweilig werden, weil ich nicht alles verstehen kann. Wenn sie dann noch mit der lokalen Sprache „bahasa mamasa“ anfangen, bin ich völlig aufgeschmissen und warte nur noch auf das leckere Essen danach. Dafür lohnt es sich immer zu kommen und ich würde behaupten, dass das viele Gäste ähnlich sehen… Doch jede Hochzeit ist eine Erfahrung wert, um einen Einblick in das kulturelle Leben zubekommen.
Somit ist immer was los in Mamasa oder besser gesagt, es besteht immer die Möglichkeit, dass ich das Beste aus dem Tag herausholen kann. Vieles kommt mir entgegen, aber Vieles habe ich auch selbst in der Hand. Ganz im Sinne der Diskussionen mit Meri, solle ich doch jede Chance nutzen, neue Freunde zu finden, neue Dinge auszuprobieren, neue Orte und Veranstaltungen zu besuchen, um neue Erfahrungen zu sammeln, daran zu wachsen und die zehn Monate letztendlich unvergesslich zu machen.
So, bevor ich jetzt noch mehr abschweife, ist für diesen Blogeintrag erstmal wieder Schluss. Ich muss sowieso gleich los zur Chorprobe, um zu Weihnachten „Oh come all ye faithful“ aus voller Kehle mitsingen zu können.
Danke für euer Interesse. Im nächsten Blog geht es dann endlich um Weihnachten.
Bis dahin wünsche ich euch eine gesegnete und besinnliche Adventszeit!
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