Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)
Bisher sind wir alle Wege zusammen gegangen …
Sei es der Weg zur Post, in die Schule oder zur Kirche, zum Einkaufen oder Spazierengehen. Dieses Mal wollte Julia früher zur Kirche gehen, um Klavier üben zu können ohne sich in irgendeiner Form beobachtet vorzukommen. Ich kann das gut nachvollziehen, es war für mich also kein Problem. Meine erst einmal einzige Sorge war, dass ich die Zeit vergesse und entweder gar nicht oder viel zu spät in der Kirche erscheine. Aufgrund dieser Sorge, habe ich öfters auf die Uhr geschaut. Jedoch änderte das nichts daran, dass ich mich beeilen musste. Letztlich konnte ich mich aber doch pünktlich auf den Weg machen.
Anständig bekleidet verließ ich das Haus: eine Jeans, die die Knöchel bedeckt, und ein langärmliges Oberteil, das locker und nicht zu kurz ist und keinen Ausschnitt hat. Ich vergaß lediglich ein Haargummi für einen Zopf. Der Grund für meine Wahl war aber nicht der Weg, sondern die kühlen Temperaturen in der Kirche dank Klimaanlage. Dort friere ich hin und wieder...
Julia und ich stellten bereits fest, dass es keinen Unterschied macht, ob wir in Langarmoberteilen oder kurzärmligen T-Shirt das Haus verlassen. Die meisten Frauen tragen hier ein Kopftuch und lange Kleidung, sodass wir leicht auffallen. Wir haben trotzdem nicht das Gefühl, uns würden die Männer mehr hinterher rufen, pfeifen, starren oder hupen, wenn wir ein kurzärmliges Shirt tragen. Es gibt aber durchaus auch Frauen, die uns durch ihren Blick deutlich machen, dass sie unseren Kleidungsstil für unangebracht halten. Inzwischen können wir das gut ignorieren, bleiben unbeeindruckt und gehen einfach weiter.
Mein Weg führt mich an der Hauptstraße entlang, an der oft viel los ist. Nach der Schule kommen wir nur langsam voran. Die breiten Bürgersteige sind gefüllt mit vielen Menschen, die sich die Waren der vielen kleinen Läden ansehen, Tüten in den Händen halten und mit Familien und Freunden unterwegs sind. Die Straße selbst ist nicht weniger mit Autos gefüllt. Wir leben hier eben in der Innenstadt Irbids. Um 17:30 Uhr ist dagegen viel weniger los, sodass ich zügig voran komme und mich nur selten an Leuten vorbei dränge. Platz macht mir hier nur sehr selten jemand.
Im Vorfeld habe ich mir auch die Frage gestellt, wie es sein wird, wenn ich alleine laufe und mir die Männer etwas rufen et cetera, da es jetzt nur an mich gerichtet sein kann. Ich beantworte die Frage sehr sicher mit einem „Es ist nicht anders!“ Zumal ich auch nicht das Gefühl hatte, verhältnismäßig viel zu hören zu bekommen. Dabei muss ich zugeben, ich habe die Reaktionen der Männer nicht so ignoriert wie sonst. Manchmal fällt mir erst spät auf, dass jemand gepfiffen hat, dieses Mal war es nicht so. Ich lief also genauso selbstsicher wie sonst auch zur Kirche.
Für mich war die Tatsache selbst (alleine auf dem Weg zur Kirche zu sein) auf einmal komisch. Meine Befürchtungen lagen schon eher bei dem Gedanken, dass ich mich verlaufe. Das ist der wahrscheinlich eigentlich suspekte Gedanke, da ich den Weg sechs Mal die Woche laufe und das schon seit anderthalb Monaten.
Eure Alisa aus dem inzwischen herbstlichen Jordanien