
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Blickwechsel
Südafrika gehört mit Sicherheit nicht zu den am weitesten entwickelten oder reichsten Ländern dieser Welt, das weiß fast jeder. Dennoch finde ich es auch wichtig zu wissen, dass es ein Land mit vielen verschiedenen Gesichtern ist: In manchen Teilen ist Südafrika eine Industrienation, in manchen Teilen Entwicklungsland.
Meine Sicht auf das Land hat sich, seit ich begonnen habe mich damit zu beschäftigen, nicht nur einmal geändert.
Vor nun mehr als einem Jahr habe ich mich auf die Suche gemacht nach einer Stelle im Ausland, für ein Jahr. Als ich die Stelle, die ich letztendlich auch bekommen habe, entdeckte, war mir schnell klar, dass diese ziemlich gut zu mir passen würde.
Aber welche Vorstellung hatte ich damals von Südafrika? Ich denke es war ziemlich klischeehaft ... Man hört Afrika und hat sofort das Bild von Löwen und Antilopen im Kopf, die durch einen Nationalpark spazieren. Man sieht vor seinem inneren Auge Armut und den stetigen Versuch, Afrika in eine bessere Lage zu versetzen. Dass es zu allgemein ist, einfach nur von "Afrika" zu sprechen, war mir schon zu dieser Zeit klar, aber trotzdem hat man so ein Bild von Afrika. Mir war schon bewusst, dass ich diesen riesigen Kontinent differenzierter betrachten muss, aber ich wusste nicht, wie.
Dann begannen die Vorbereitungsseminare und ich tauchte tiefer in die Materie ein. An dieser Stelle möchte ich ein Video verlinken, welches einige meiner Bekannten mit Sicherheit schon kennen: www.ted.com/talks/chimamanda_adichie_the_danger_of_a_single_story Viel möchte ich dazu gar nicht sagen, da Chimamanda Adichie meiner Meinung nach hier schon die richtigen Worte gefunden hat. Mich hat das Video dazu veranlasst, mir öfter Gedanken zu machen, ob das Bild, das ich von Südafrika hatte, daraus entstand, dass ich nur eine Seite betrachtete und nur die "Single Story" kannte.
Inzwischen kenne ich ein paar Stories mehr, zum Beispiel die meiner Freundin Herschelle-Lee aus Elim, oder die von Soso, mit der ich einige Tage im Township Khayelitsha verbracht habe.
So. Nun will ich aber zum entscheidenden Teil kommen, nämlich meinem eigentlichen Aufenthalt. Es sind jetzt sechs Monate vergangen. Und ich kann definitiv sagen, dass es anders ist als ich erwartet habe. Das wichtigste ist, denke ich, dass man sich klarmacht, dass das Leben für die Menschen hier genauso normal ist, wie in Deutschland auch. Wenn Leute erfahren, dass ich in Südafrika bin, reagieren sie häufig überrascht, erstaunt und sogar besorgt. Und natürlich kann ich das irgendwo nachvollziehen, aber es ist auch ein wenig seltsam für mich, denn der Alltag hier ist für mich, wie für die meisten in Deutschland auch: Ich stehe um 6:30 auf, um 8:00 gehe ich zur Arbeit. Dort werden zuerst die Kinder gewaschen, dann gibt es Frühstück und danach kommen Programmpunkte wie Physiotherapie oder sensorische Stimulation oder einfach kleine Spiele zur Beschäftigung. Um halb eins habe ich für eine Stunde Mittagspause, danach arbeite ich bis vier. In der Zeit werden die Kinder, die einen Mittagsschlaf gemacht haben, aus dem Bett geholt, dann gibt es einen Snack. Gegen drei werden die Kinder dann bettfertig gemacht und damit bin ich dann normalerweise bis vier Uhr beschäftigt. Nach der Arbeit können wir uns kurz ausruhen und essen dann manchmal abends gemeinsam. Mal abgesehen von der Tatsache, dass das alles in Südafrika stattfindet, klingt das doch nach einem recht gewöhnlichen Alltag.
Ich merke aber gerade auch durch meine Erfahrungen in Kapstadt, dass es noch deutliche Unterschiede zu meinem Leben in Deutschland gibt. Auch wenn es die Apartheid offiziell nicht mehr gibt, kann man die "Rassentrennung" deutlich spüren: Schwarze, Farbige und Weiße leben immer noch klar voneinander getrennt in unterschiedlichen Stadtvierteln. Ich brauchte viel Überredungskunst, um meine farbige Freundin dazu zu bewegen, mich in ein schwarzes Township zu begleiten - das hat mich sehr beschäftigt. Eine Mischung der Kulturen scheint kaum möglich. "Nicht alle Schwarzen sind arm aber fast alle Armen sind schwarz." Diesen Satz las ich auf Spiegel online und kann dem nur zustimmen, obwohl es auch Townships für Farbige gibt, in denen wohl auch viel Armut herrscht. Südafrika hat wohl noch einen langen Weg vor sich, bis die die Folgen der Apartheid wirklich überwunden sind...
