Weltweit erlebt
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Weltweit erlebt

14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Der "Fridaywalk" ist das Highlight für viele der Kinder (Foto: EMS/Held)
Der "Fridaywalk" ist das Highlight für viele der Kinder (Foto: EMS/Held)
21. Dezember 2017

Unruhige Nächte

Leon

Leon

Jordanien
unterstützt eine integrative Schule für Gehörlose
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Herausforderung angenommen

Morgens um 6:00 geht der Tag für mich los. Ich muss die Jungs im Internat wecken und die Kleineren für die Schule fertigmachen. Dies mache ich natürlich nicht alleine. Mein Betreuer Joel ist immer mit dabei, da er verantwortlich für das Jungeninternat ist, und die sogenannten Shabab, das sind die älteren Jungs, müssen mich auch unterstützen. Danach habe ich Pausenhofaufsicht bis zum Frühstück um 7:30. Hierbei ist meine Aufgabe das Hören. Wenn ein Kind weint oder um Hilfe schreit, muss ich zur Stelle sein. Auch wenn es zu Kämpfen kommt oder ein Kind versucht abzuhauen, was durchaus schon vorgekommen ist, ist es meine Pflicht dies zu verhindern. Allerdings ist diese Arbeit sehr anstrengend, da viele der Kinder wahrscheinlich auch eine psychische Krankheit haben. Dadurch muss ich ständig aufmerksam sein und darf mir kaum eine Pause gönnen.

Nach dem Frühstück gehen die Kinder zur Schule. Dann unterstütze ich zweimal die Woche Joel bei der "Sponsorshipwork". Diese Arbeit ist sehr wichtig für das Institut, da dadurch viele Spenden gesammelt werden. Es ist nämlich so, dass fast jedes Kind Unterstützer aus der ganzen Welt hat. Diese zahlen für die Schul- und Internatskosten. Da diese Unterstützer nun aber irgendwie über ihr "Patenkind" informiert werden müssen, schreibe ich zur Zeit Geschichten über jedes Kind, welche dann natürlich auch ins Englische übersetzt werden müssen.

Außerdem habe ich noch zweimal die Woche Gebärdensprachunterricht und einmal Arabischunterricht. In der Gebärdensprache habe ich schon meinen ersten Test bestanden und befinden mich nun in Level zwei von vier.

Nach dem Mittagessen habe ich meistens zwei Stunden frei, in denen ich endlich einen wenig entspannen und den Kopf abschalten kann. Danach bin ich für die Wäsche verantwortlich. Ich muss zusammen mit vier kleinen Jungs und einem der Shabab die Wäsche auf die Schränke der Kinder verteilen. Aber wie kann ich wissen, welche Kleidung zu welchem Kind gehört? Da jedes Kind eine Nummer hat, die in jedes Kleidungsstück eingenäht ist, ist es relativ einfach die Klamotten zu verteilen. Allerdings hat es etwas gedauert bis ich die Nummer von jedem Kind kannte.

Nach der Wäsche habe ich wieder bis um 18:00 Pausenhofaufsicht. Natürlich ist Gebärdensprache dabei ein Muss. Die Kinder spielen hier an der Schule am liebsten Fußball. Neulich gab es sogar ein Fußballturnier zwischen verschiedenen Schulen, bei welchem sich das HLID (Holy Land Institut for the Deaf) als Schule für taube Kinder gegen die anderen Schulen durchsetzen konnte.

Mit den Kindern komme ich eigentlich ganz gut klar, obwohl viele von ihnen schon viele Volontäre aus Deutschland erlebt haben und genau wissen, wie man diese hereinlegen kann. Allerdings gibt es auch jüngere Kinder, die noch nicht so gut gebärden können. Und da ich auch noch nicht so gut gebärden kann, weiß ich wie diese sich fühlen. Deshalb verbringe ich mit diesen Kindern etwas mehr Zeit während der Pausenhofaufsicht. Dieses Jahr kamen fünf wirklich noch sehr kleine Kinder neu an die Schule. Sie konnte natürlich keine Gebärdensprache und waren weit weg von zu Hause. Oftmals bin ich alleine für diese zuständig. Dies ist vor allem der Fall während den Prüfungsphasen, da dann alle Kinder lernen müssen und nicht auf dem Pausenhof spielen dürfen. Es ist gar nicht so einfach diese zu betreuen, da ich keinerlei Erfahrung im Umgang mit 3-5-jährigen Kindern habe. Außerdem sind sie auch noch taub und verstehen keine Gebärden. Dies ist eine wirkliche Herausforderung, da es schwer ist, ihnen selbst ein einfaches Spiel zu erklären ohne dass deren Aufmerksamkeit abschweift.

Aber genau wegen solchen Herausforderungen wollte ich ein Auslandsjahr machen, um Neues zu an mir zu entdecken und meine Grenzen kennenzulernen.

Nach dem Abendessen spiele ich dann noch ein wenig mit den Kindern bis es um 20:30 für die Kleineren in das Bett geht und eine unruhige Nacht für mich beginnt. Mein Schlafzimmer befindet sich nämlich direkt neben den Schlafzimmern der Kinder. Diese sind alle taub und hören es nicht, wenn jemand einmal laut stampfend zum Klo rennt oder aus einem schlechten Traum aufwacht und schreit. Ich aber kann hören, weshalb ich nie wirklich durchschlafe. Außerdem können die Kinder auch bei mir klopfen, wenn sie nachts ein Problem haben. Aus diesem Grund werde ich auch sofort hellhörig, wenn ich Schritte im Flur wahrnehme. Wegen diesen unruhigen Nächten sind die zwei Stunden frei am Tag wirklich wichtig.

Natürlich sieht nicht jeder Tag so aus. An einem Samstag habe ich frei. Freitags und sonntags ist keine Schule. An diesen Tagen haben ich morgens zwei Stunden lang Pausenhofaufsicht. Freitagmittag findet dann der "Fridaywalk" statt. Während die Shabab in den Workshops arbeiten müssen, machen die älteren Mädchen zusammen mit allen kleineren Kindern einen Spaziergang durch Salt. Ich muss dabei aufpassen, dass keines der Kinder einfach so auf die Straße rennt. Natürlich ist das Hören auch hier wieder eine wichtige Aufgabe, denn Taube hören ein heranfahrendes Auto nicht, weshalb ich die Gruppe immer darauf aufmerksam machen muss.

Sonntags hingegen bekommen die Kinder mittags ein wenig Geld und können sich in den umliegenden Shops ein paar Süßigkeiten kaufen. Für die meisten Kinder ist dies das Highlight der Woche, weshalb selbst eher anstrengende Kinder an einem Sonntag brav sind.

So sieht meine Woche als Volontär am HLID in Jordanien aus. Viele neue Eindrücke, viele Herausforderung und viel Arbeit. Allerdings bin glücklich, dass ich mich dazu entscheiden habe nach Jordanien zu gehen. Hier lerne ich völlig neue Seiten an mir kennen und habe auch das Gefühl, dass ich wirklich gebraucht werde.

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Auch der taubblinde Mohammed darf sich sonntags etwas kaufen (Foto: EMS/Held)
Auch der taubblinde Mohammed darf sich sonntags etwas kaufen (Foto: EMS/Held)
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Auf dem Pausenhof wird gerne mit farbigen Tuch gespielt (Foto: EMS/Held)
Auf dem Pausenhof wird gerne mit farbigen Tuch gespielt (Foto: EMS/Held)