Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Eine Kreuzung auf meinem Schulweg, im Hintergrund sieht man den Clock Tower. (Foto: EMS/Janke)
Eine Kreuzung auf meinem Schulweg, im Hintergrund sieht man den Clock Tower. (Foto: EMS/Janke)
26. September 2018

Wann bin ich eigentlich angekommen?

Anna

Anna

Jordanien
wirkt an einer integrativen Blindenschule mit
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Nach einem Monat hier in Jordanien frage ich mich jetzt, ob ich denn schon angekommen bin. Seit vier Wochen lebe und arbeite ich hier. Ich laufe jeden Tag durch die Straßen von Irbid, treffe und rede mit vielen Menschen und habe schon viele traditionelle Gerichte gegessen. Also eigentlich müsste ich ja schon angekommen sein, aber wie genau fühlt sich das an? Woher weiß ich, dass ich mich eingelebt habe?

Meine Ankunft fühlt sich an, als wäre sie erst letzte Woche gewesen. Ich weiß noch ganz genau, wie ich in Amman aus dem Flugzeug gestiegen bin. Ich war voller Anspannung und Vorfreude und hatte noch gar nicht realisiert, dass ich jetzt 10 Monate hier verbringen werde. Nachdem Annabelle, meine Mitfreiwillige, und ich unseren Fahrer gefunden hatten, sind wir nach Irbid gefahren. Auf der Autofahrt war ich hauptsächlich damit beschäftigt, aus dem Fenster zu schauen. Die Wüstenlandschaft die, je näher wir Irbid kamen, immer grüner wurde, hat mich sehr beeindruckt.
In unserer Wohnung wurden wir ganz herzlich von Elham begrüßt. Sie wohnt über uns und hat mit einem leckeren Essen gleich dafür gesorgt, dass wir uns wohl gefühlt haben. Am nächsten Tag wurden wir von Assis, unserem Pfarrer, zur Schule gefahren und haben dort erst einmal eine Führung von dem ganzen Gelände bekommen. Dieses beinhaltet nicht nur eine Schule, sondern auch einen Kindergarten, ein Fußballfeld und noch viele andere Spielmöglichkeiten. Außerdem haben wir viele Lehrer und andere Mitarbeiter kennengelernt und natürlich Miss Sabah, die Schulleiterin und Frau von Assis. In dieser ersten Woche hat uns Assis die Stadt und unseren Schulweg gezeigt und uns viel erklärt, zum Beispiel, wie und wo wir einkaufen gehen können. Außerdem waren wir fast jeden Tag bei Elham, die immer etwas zu Essen für uns hatte und uns unsere zahlreichen Fragen beantwortet hat.
Die Woche ging schnell vorbei, wir haben hauptsächlich den Lehrern beim Dekorieren des Schulgebäudes geholfen. Am nächsten Montag war es dann so weit, es war erster Schultag. Nach dem Morgenappell bin ich das erste Mal in die Nursery, zu den ganz kleinen Kindergartenkindern, gegangen und habe dort geholfen.

Diese ersten Tage liegen nun schon mehrere Wochen hinter mir, mittlerweile kennen Annabelle und ich unseren Schulweg, gehen alleine einkaufen und erkunden in unserer Freizeit die Stadt. Wir haben schon viel erlebt, zum Beispiel die ‚‚Congratulation‘‘ in der Schule, wo die besten Schüler jeder Klassenstufe geehrt wurden und ein Gemeindefest unserer Kirche.

Mich an den Schulalltag zu gewöhnen, fiel mir am Anfang sehr schwer, da vor allem das frühe Aufstehen nicht zu meinen Stärken zählt. Es zahlt sich aber, vor allem bei dem halbstündigen Schulweg von der Wohnung zur Schule, aus. Die sonst so volle Innenstadt ist morgens angenehm ruhig und es laufen vor allem Schüler und Arbeiter herum. Die ersten Verkäufer öffnen ihre Läden und die Straße ist zwar nicht leer, das ist sie glaube ich zu keiner Uhrzeit, aber es fahren nur wenige Autos. Die Stadt wacht langsam auf und die Temperatur ist noch angenehm kühl.
An der Schule angekommen, gibt es erst einmal einen Morgenappell. Dies ist der tägliche Start in den Schultag und wenn er beendet ist, gehen alle Schüler in ihre Klassen. Die letzten Wochen bin ich immer in die Nursery gegangen, aber ab dieser Woche helfe ich verstärkt in der Schule mit. Mittags, wenn alle Schüler gegangen sind, kümmern sich Annabelle und ich um die deutsche Korrespondenz, wir beantworten E-Mails und schreiben Dankeskarten. Dann machen wir uns auf den Heimweg, welcher ein völlig anderes Erlebnis als morgens ist. In der Stadt herrscht ein reges Treiben, auf den Straßen finden sich Verkaufsstände, Busse und viele Autos. Am Straßenrand sind viele verschiedene Geschäfte, von Gewürzen über Kleider zu Teppichen findet sich hier alles Mögliche zum Einkaufen. Es sind auch viele Menschen unterwegs, was den Weg oft sehr anstrengend macht. Deshalb bin ich meistens froh, wieder in der Wohnung zu sein, wo ich mich ein bisschen ausruhen kann. Manchmal gehe ich dann noch einkaufen oder besuche Elham auf eine Tasse Tee.

Ich habe mich hier nach einem Monat also schon an einige Sachen gewöhnt, vor allem an den Tagesablauf. Aber es gibt auch immer noch viele ungewohnte Sachen. Am meisten stört mich die Sprachbarriere, gerne würde ich Arabisch besser verstehen, aber es ist eine ganz neue Sprache für mich. Deshalb ist die Situation, dass ein Kindergartenkind mir eine Geschichte erzählt oder mich fragt, ob es etwas trinken kann und ich es nur irritiert anschaue, leider keine Seltenheit. Auch fühle ich mich oft fremd, habe das Gefühl nicht hineinzupassen oder Angst, etwas falsch zu machen und mich nicht richtig zu verhalten.

Die Frage, ob ich schon angekommen bin, kann ich also nach einem Monat noch nicht beantworten. Vielleicht kann ich Sie auch nach 10 Monaten noch nicht beantworten. Aber das finde ich gar nicht so schlimm. Ich habe in diesen ersten paar Wochen gelernt, dass es nicht darum geht, sich möglichst schnell anzupassen, immer perfekt zu handeln und die fremde Sprache zu perfektionieren. Es geht für mich vielmehr darum, offen zu sein, zu lernen und mit Menschen in Kontakt zu treten und manchmal auch über seinen eigenen Schatten zu springen und Neues auszuprobieren.

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Der Eingang der Arab Episcopal School (Foto: EMS/Janke)
Der Eingang der Arab Episcopal School (Foto: EMS/Janke)
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Eine leere Straße zu meiner Lieblingsuhrzeit: morgens (Foto: EMS/Janke)
Eine leere Straße zu meiner Lieblingsuhrzeit: morgens (Foto: EMS/Janke)