
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Von "Natal" bis "Tahun Baru"
Hallo zusammen,
endlich mal wieder ein Lebenszeichen von mir. Mittlerweile ist schon 2018 und die Zeit rennt mir davon. Doch ich habe auch so einiges zu erzählen. Also fange ich mal am 24. Dezember letzten Jahres an. Ayo! [Los geht´s]
Nach einem sehr entspannten Vormittag ohne jegliche Weihnachtsstimmung ging ich in die Aula der GTM, die zurzeit als „Kirche“ für die Jemaat Masko [meine jetzige Kirchengemeinde] genutzt wird. Eine neue große Kirche wird seit etwa fünf Jahren gebaut und sollte eigentlich zum neuen Jahr fertig werden. Naja, ich bin mal gespannt, ob ich die Einweihung noch miterlebe. Zumindest war die Weihnachtsdekoration der Aula durch die Pemuda [die Jugendgruppe der Kirche Masko] schon in vollem Gange. Etwa dreißig Leute waren damit eine Woche lang von mittags bis nachts beschäftigt. Also man kam, wenn man eben Zeit hatte. Sie ließen ihrer Kreativität freien Lauf, bastelten und installierten und hatten viel Spaß dabei. Ein paar Mal war ich auch dabei und versuchte mich nützlich zu machen. Nach dem normalen Ibadah malam [Abendgottesdienst] für den 4. Advent, verbrachte ich den Abend mit meiner Gastfamilie zuhause und wir aßen alle zusammen ein kleines Festessen. Später gab es eine 15-minütige Andacht, die um Mitternacht von dem Geräusch vieler Feuerwerke unterbrochen wurde. Dann bekam ich sogar noch eine sehr kreativ gestaltete Weihnachtskarte von meinen Gastgeschwistern und einen selbstgenähten Sarong (ein schlauchartiges Tuch, das man vielfältig gebrauchen kann) von meiner Ibu, meiner Gastmutter. Sie meinten es sei ein Dankeschön für meinen selbstgebastelten Adventskalender. Eingehüllt in meinen neuen Sarong tanzten wir noch zusammen „Goyang Tobelo“ (ein sehr entspannter Tanz, den meine Gastschwester Rahel als Morgensport ausübt) nach einem Video, das wir in Dauerschleife hörten.
Etwa halb 1 Uhr nachts meinte Meri „Es ist doch Weihnachten und die Pemuda wartet sicher auf dich“. Woraufhin ich wenig später hinten auf dem Motorroller saß, die kühle Nachtluft genoss, in den sternenklaren Himmel sah und von der Stille fasziniert war, die in den Straßen lag – wie mir es in Dresdens Straßen am Heiligabend auch aufgefallen war. Dieser Moment war einer der intensivsten „Weihnachtsmomente“.
Ich saß dann noch einige Stunden bei ein paar Freunden zuhause, wir tranken eine Art kalten Glühwein und führten tiefgründige Gespräche über schwierige Themen wie z.B. die gesellschaftlichen Privilegien von Frauen und Männern in Indonesien. Auf beiden Seiten bestand großer Redebedarf und ich fand es sehr gut mal so offen darüber reden zu können. Dann skpte ich noch genau im richtigen Moment mit meiner Familie, wobei wir zusammen den Verkündigungsengel wie jedes Jahr am Heiligabend hörten. Außerdem war ich ja nicht allein, sondern hatte drei so liebe Menschen um mich herum, dass ich gar nicht darüber nachdenken konnte traurig zu sein. Das Skypen mit Tante, Onkel und Cousins war dann wiederum sehr lustig, da abwechselnd Dinge von javanesischer Holzfigur über selbstgemachten Weihnachtsengel bis hin zu Batikhemden in die Kamera gezeigt wurden (meine Tante war vor zwanzig Jahren auf Java unterwegs gewesen) – auch eine Art von Kulturaustausch. Kurz vor der Dämmerung fiel ich dann schließlich in mein Bett.
Nur wenige Stunden später, am 25. Dezember, ging ich morgens mit meiner Gastfamilie in die Kirche Buntubuda. Als ich dann erwähnte, dass in Dresden grade kein Schnee liegt, sahen sie mich ganz verwundert an. Außerdem fiel mir auf, dass in allen Kirchen zu Weihnachten (am 25.12. abends) der gleiche Bibelvers Kolosser 3:15 gepredigt wird. Nach der Kirche gingen wir zum Essen zur Familie meiner Gastfamilie. Die sehr süßen Getränke wie Sprite, Cola und Fanta gibt es zu Weihnachten überall was in Kombination mit den ganzen Keksen echt zu viel wird. Als ich dann endlich nach drei Hausbesuchen wieder zuhause ankam, warteten schon Kinder aus Meris Englischkurs, denn jalan-jalan [umherziehen] von Haus zu Haus ist hier zu Weihnachten und Silvester ein Muss. Später hatte ich noch ein paar kleine Geschenke für meine Gastfamilie. Dabei ging es viel mehr um die Geste als um das Materielle, da sie immer so tolerant mit mir sind, mich auch alleine Dinge machen lassen und das ist wirklich nicht selbstverständlich. So war die bittere Schokolade eine sehr gute Idee, mal meine Dankbarkeit ihnen gegenüber auszudrücken.
Ursprünglich sollte ich 17 Uhr zu einer Chorprobe in der Kirche erscheinen, doch irgendwie war keiner da und so hörte ich drei Stunden einem Chorwettbewerb zu. Es gab Frauen-, Männer- und gemischte Chöre mit 8-40 Personen, jeder Chor hatte seine eigene Kleidung von gelben Hemden bis hin zu türkisblauen Röcken und Blusen waren alle Farben vertreten. Diese vielen Farben und unglaublich kraftvollen Gesänge voller Freude waren echt beeindruckend. 20 Uhr ging dann der eigentliche Ibadah natal [Weihnachtsgottesdienst] los. Doch die erste Stunde war gefüllt von fünf Rednern, die alle anscheinend sehr viel zu sagen hatten und ich mich fragte, ob das unbedingt bei einem Festgottesdienst sein muss. Es war ja grade deswegen, doch in dieser Phase fühlte sich Weihnachten für mich wie eine Achterbahnfahrt an. Im einen Moment ist es echt schön und ich bin überwältigt von der Weihnachtsfreude, die die Leute hier ausstrahlen – ganz fern von dem Weihnachtsstress, den ich aus Deutschland gewohnt bin. Aber im nächsten Augenblick ist der besondere Moment plötzlich verschwunden. Dann fing der Gottesdienst endlich richtig an und bei der Liturgie erlebte ich dann wieder so einige Höhepunkte. Ich habe mit der Pemuda zusammen gesungen und das hat so Spaß gemacht! Wir sangen viele indonesiche Weihnachtslieder, wobei viele Melodien mit den deutschen bzw. englischen Liedern übereinstimmen, aber auch ein Medley und ein südafrikanisches Lied waren dabei. Dann gab es noch eine unerwartete kleine Tanzeinlage mit großem Interpretationsspielraum, wobei eine Frau immer von den bösen und guten Mächten eingenommen wurde und sich am Ende für die gute Seite entscheidet, weil sie einen Beschützer hatte. Im Anschluss daran wurde das komplette Licht ausgemacht und acht „Engel“ von der sekolah minggu [Sonntagsschule] kamen mit echten Kerzen von hinten zwischen den Reihen vorgelaufen, begleitet von einem Solo eines Mädchens mit einer tollen Stimme. Das war auch ein intensiver Weihnachtsmoment, indem es nur diese Engel mit den Kerzen gab und das gab mir viel mehr als das ganze Geblinke aller bunten elektronischen Lichter. Im nächsten Augenblick wurde jedoch knallhart das Licht wieder angemacht „and the moment was gone“, ein Achterbahnmoment. Am Ende des Gottesdienstes, teilten wir (Pemuda) Essenspakate an alle aus, wie es sie immer gibt zu Feierlichkeiten, weil gemeinsames Essen hier eine sehr wichtige Rolle spielt. Diese beinhalten meistens Reis, Schwein und ein bitteres Spinatgemüse. Auch die Leute vor der Kirche, die bei den Motorrädern saßen, bekamen etwas. Anschließend aßen alle in der Kirche, unterhielten sich und ich traf „alte Freunde“ wie Naldi wieder, mit denen ich im September so viel unternommen hatte, schüttelte sehr vielen fröhlichen Leuten die Hand, wünschte ihnen „Selamat Hari Natal“ [Fröhliche Weihnachten] und machte unzählige Fotos. An anderen Tagen würden diese Fotos mich sehr nerven, doch an diesem Abend hatte ich auch großen Spaß an der Sache. Wir machten Fotos zu dreißigst, bewarfen uns mit Schnippsgummis und alle waren so erfüllt von der Weihnachtsfreude, wie ich es vorher noch nie gespürt hatte.
Obwohl von dieser Stimmung für mich am nächsten Tag nicht mehr viel übrig war hatte ich ein paar wunderbare letzte Tage im Jahr 2017. Ich traf mich oft mit der Pemuda, lernte viele Studenten kennen, die in ihren Semesterferien aus Makassar in ihr Campung [Heimatstadt] zurückgekommen sind. Darunter war auch Vica, die allerdings in Jakarta klassischen Gesang studiert, wo sie auch viele deutsche und italienische Arien singt. Generell war ich sehr fasziniert davon, diese klassische und romantische Musikszene auch in Indonesien/Jakarta vorzufinden. Ansonsten genoss ich meine Freizeit, ging sogar einmal joggen, genoss die Abende, das Ausschlafen (das sieht Meri glücklicherweise sehr entspannt und auch sie schläft gerne mal aus) und fuhr nach Rantebuda. Mit Demi und seinen drei Kindern ging ich auf das Reisfeld, machte eine Schlammschlacht mit den Kindern und wir aßen frisch gefangenen Fisch. Am 30.12. ging ich noch mit zum Reisfeld von Eppi (er ist 25 Jahre alt und auch von der Pemuda), zusammen mit seiner im 5. Monat schwangeren Frau Anti plus Familie. „Potong Padi“ [Reis ernten] mit einer Sense, zusammen mit acht anderen Frauen hatte ich ja schonmal Anfang Dezember in Taupe, einem Dorf nahe Mamasa ausprobiert. Doch Eppis Reisfeld war etwas wilder und sehr tief! Als ich ins sawah stieg versank ich bis zum Bauchnabel. Etwa vier Stunden musste erstmal Wasser abgelassen werden, um das Fischefangen zu erleichtern.
Bei einer Instantnudel-Mittagspause zeigten mir Anti und Eppi dann stolz das Ultraschallbild ihres Kindes, ein Junge. Ich habe mich so für die beiden gefreut und meine Einstellung gegenüber junger Eltern und früher Hochzeit hat sich im positiven Sinne verändert. Auch wenn ich Eppi beobachte, wie er mit allen Kindern umgeht, sie auf den Arm nimmt und das sehr viel Freude auf beiden Seiten auslöst. Nachdem ich dann 90 Minuten unter dem Bambusunterstand geschlafen habe, hatten die Anderen bereits 20 Fische gefangen und nach einem Bad in den Air Panas [heiße Badequellen], brachte ich drei Fische mit nach Hause.
Tahun Baru [Silvester] verbrachte ich mit Freunden, Musik und einem guten Blick über die Stadt für die Feuerwerke. Gegen drei Uhr haben wir Ikan Mas [Goldfisch] über dem Feuer gebraten und zusammen von einem großen Blechteller gegessen. Über die Gräten freuten sich die Hunde, die schon ungeduldig neben uns warteten. Den ganzen Nachmittag bis Abend am 1. Januar verbrachten wir (meine Gastfamilie und ich) in Osango, einem Stadtteil von Mamasa. Dort besuchten wir diverse Familienmitglieder von Meri, die ich zum Teil auch schon kannte, was den Besuch wesentlich entspannter und lustiger machte. Wir aßen Reis, Gemüse, Hühnchen, einen Fruchtsalat und ganz viel Gebäck. Unter anderem besuchten wir Willi, den Computerscience-Studenten aus Makassar, falls ihr euch noch erinnert. Seine ältere Schwester Nya hingegen ist allein in Makassar geblieben, um zu arbeiten. Meine Frage, ob es sie nicht stört Weihnachten allein zu sein wurde mit ´Nein´ beantwortet.
Ich war in dieser Zeit zwischen Weihnachten und Silvester grade mal einen ganzen Vormittag zuhause, doch ansonsten immer unterwegs. Auch ein Zeichen dafür wie viele Möglichkeiten es in Mamasa gibt und wie pudelwohl ich mich hier fühle.

