
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Klappe, die Zweite! - Mamasa again
Ein Ort voller Möglichkeiten
Zu meiner Familie kann ich nur sagen, dass es nach wie vor sehr entspannt zugeht und ich mich zuhause sehr wohl fühle. Ganz nach dem Motto: Santai saja (just relax). Diese Vokabel ist in vielen Situationen brauchbar. Leider bin ich in Bezug auf meine Gastgeschwister etwas inaktiv geworden und gehe mittlerweile nicht mehr jeden Tag ke bawah (nach unten), um Joker zu spielen. Das liegt aber auch daran, dass sie wenig auf mich zukommen und dass immer alles von mir ausgehen muss. Deshalb frage ich mich manchmal, ob sie einfach nur schüchtern sind oder nicht wirklich Interesse haben, etwas mit mir zu machen. Bis auf Musa – er kommt manchmal zu Meri und mir nach oben und wir liegen alle auf dem Bett herum. Einmal habe ich auch mit ihm und seinem Freund zusammen den Kaninchenstall etwas komfortabler gestaltet. Außerdem habe ich ihm versprochen etwas Klavierunterricht zu geben, was ich jetzt endlich mal in die Tat umsetzen muss! Ich habe auch große Freiheiten, wenn es darum geht irgendwo hinzufahren oder abends ab und zu mal nach 22 Uhr nach Hause zu kommen. Denn bis auf die Frage: „Mau ke mana?“ (Wohin willst du?), die mir oft mehrmals am Tag gestellt wird, lassen mich die Ibu, Tius oder Meri „immer laufen“. Ich freue mich schon auf die Advents- bzw. Weihnachtszeit, in der die Familie nochmal eine ganz andere Rolle spielt. So etwas wie einen Adventskalender habe ich hier noch nie gesehen, deshalb kam mir die Idee einen für meine Gastfamilie zu machen. Gestern habe ich dann endlich meinen selbstgebastelten Adventskalender überreicht und er wurde mit großer Neugier in Empfang genommen.
Mau ke mana? - das fragen mich häufiger auch so einige Leute auf meinem Weg zur Arbeit – und sie sollten meine Antwort eigentlich langsam mal kennen: „Saya mau ke TK“ (Ich will zum Kindergarten). Im TK angekommen, gehe ich häufig in die Aula, da dort mittlerweile grade die Proben für ein kleines Krippenspiel ablaufen – das geht immer etwas chaotisch zu, da bei knapp 100 Kindern nicht immer alle beschäftigt sind. Wenn ich nicht grade versuche, einige Störenfriede zu bändigen, nehme ich den acht Monate alten Ryan von Miss Martha in einem Tragetuch entgegen. Er schreit nie, lässt sich schnell zufriedenzustellen und zum Lachen zu bringen – ein tolles und wahnsinnig süßes Baby!
Ansonsten gehe ich am häufigsten in “Class Star“, da ich dort mittlerweile alle Namen der Kinder kenne. Dadurch kann ich viele Aufgaben übernehmen wie zum Beispiel alle nacheinander aufzurufen, ihr Arbeitsblatt entgegenzunehmen oder Hände zu waschen. Außerdem kann ich so viel persönlicher mit den Kindern umgehen und kenne inzwischen auch die Frechdachse der Klasse. Viel Freude habe ich auch mit Tio – er ist sieben Jahre alt und hat das Down-Syndrom. Aber er ist eigentlich immer gut gelaunt und verhält sich sehr sozial gegenüber den Anderen. Nur bei Schreibübungen ist er ein bisschen langsamer, wohingegen er Aufgaben wie Ausmalen sehr genau und präzise bewältigt. Da es in Mamasa – soweit ich weiß – keine spezielle Schule gibt, wo Tio hingehen könnte, wird versucht, ihn möglichst in eine normale Klasse zu integrieren. Und das klappt meiner Meinung nach bei ihm echt gut und er wird von den anderen Kindern akzeptiert, die dadurch auch schon früh an Toleranz herangeführt werden.
In der Pause spiele ich oft Fangen mit den Kindern. Anfangs lief das so ab, dass ich alle fangen musste, woraufhin ich sie in die Luft nahm und etwas herumdrehte. Das gefällt ihnen so gut, dass mittlerweile ich eher vor den Kindern wegrennen muss, da ansonsten eine große Traube an Kindern gleichzeitig von mir hochgenommen werden will, wobei alle lauthals “Miss Henni“ rufen. Das wird auf Dauer ziemlich anstrengend, weshalb ich auch ein paar andere Dinge wie Hüpfkästchen ausprobiert habe (das ist nicht für eine große Anzahl geeignet) oder die Kinder mit ein paar Tropfen Wasser nasszuspritzen. Das blieb aber auch eine einmalige Sache, da einige Jungs anfingen, ihren ganzen Kopf unter den Wasserhahn zu halten – es war aber auch wirklich heiß an dem Tag.
Nach weiteren Liedern, Frühstück, Gebeten und einer auswendig vorgetragenen Leitlinie, wie man sich am restlichen Tag verhalten soll, geht es nach Hause für die Kinder.
Vor allem Ende September und Oktober ging ich danach noch nicht nach Hause, sondern über eine große Wiese zum STT (Sekolah Tinggi Teologi = eine Universität für Theologie). Dort spielte ich anfangs noch mit den High School Studenten Volleyball (High School und STT teilen sich die Gebäude und den Campus), bevor ich in die Aula zu den Theologiestudenten ging. Die Aula ist der Hauptraum des STT, wo an der einen kurzen Seite eine Tafel hängt und auf der etwa 20 m entfernten gegenüberliegenden Seite ein Redepult und ein Keyboard zu sehen ist. Wenn der Unterricht also grade beendet ist, können die Studenten ihre Stühle einfach um 180° drehen um danach am Ibadah (Gottesdienst) teilzunehmen – wenn einer stattfindet. Ein praktisches System wie ich finde. Dort habe ich auch John kennengelernt. Er ist grade im 5. Semester und leitet den Uni – Chor. Ein paar mal habe ich bei den Chorproben zugehört, wo ich manchmal echt Gänsehaut bekam – die Studenten singen mit vollem Elan und man kann ihnen ansehen (und auch hören), dass sie viel Spaß daran haben. Sie haben auch schon bei einigen Chorwettbewerben gewonnen, wie zum Beispiel zur großen Einweihungsfeier der katholischen Kirche in Mamasa (2. Platz). Ansonsten habe ich mit John und seinen Kommilitonen zusammen Keyboard gespielt, gesungen und gegessen. Entweder in der kleinen „Uni-Cafeteria“ (etwa 3x4m groß), wo es immer Indomie gibt oder in ´Pondok Bambu´ – einem wunderschön gelegenen Warung.
Einmal nahm mich John mit zu seiner Familie – etwa 40 Minuten mit dem Motor entfernt – deren Haus wir über eine kleine Bambus-Hängebrücke erreichten. Dort verfolgte ich den tragischen Weg eines Hühnchens mit: vom frei Herumlaufen in der Küche, einige Sekunden später mit nur noch an einer Sehne hängenden Kopf über einer blauen Plastikschüssel bis hin zum Braten am Spieß vor der Haustür und Johns Nichte, wie sie an der fertig zubereiteten Kralle nagt. Sehr interessant! Außerdem war ich mit John nochmal Badminton spielen, doch mein Plan dort jede Woche hinzugehen, hat sich irgendwie in Luft aufgelöst. Das letzte Mal war ich im Oktober dort. Auch meine Aussage, dass Naldi mein großer Bruder in Mamasa wird, war aus jetziger Sicht sehr voreilig. Er ist aufgrund seiner Arbeit viel unterwegs und wir treffen uns eigentlich gar nicht mehr. Nicht, dass das sehr schlimm ist, ich lerne eben auch viele neue Leute kennen und so blöd das auch klingen mag, das Leben geht weiter.
Eine „Horizonterweiterung“ bekam ich auch als Joel, mein Vorfreiwilliger, Mitte Oktober nach Mamasa kam. Durch ihn lernte ich einige neue Leute kennen wie zum Beispiel Suki, der hier so eine Art Onkel für die Freiwilligen ist. Mit ihm war ich seitdem schon bei einer Orang Mati (Beerdigungszeremonie), einem Büffelkampf, in ´Topinus´ - einem Nadelwald, der bei mir ein starkes Heimatgefühl hervorgerufen hat – und weiteres.
Außerdem hat mir Joel Rantebuda – ein Dorf in der Nähe – gezeigt und Demi und seine Familie vorgestellt (wozu ich später nochmal etwas erzählen werde). An diesem Tag haben wir zusammen mit Demi, der auf halber Strecke seinen Wasserbüffel im Fluss gewaschen hat, eine 4-stündige Wanderung rund um Rantebuda gemacht. Das war wahnsinnig schön und für mich das erste Mal, dass ich wirlklich mal raus aus Mamasa kota und ganz in die Natur kam. Mittlerweile sind Rantebuda und Demis Familie mein 2. Zuhause geworden, wo ich mindestens 2x pro Woche hinkomme. Also danke Joel!
Aber auch unabhängig von Rantebuda tat es gut mit Joel über alles zu reden und es war interessant zu erfahren, wie er Mamasa wahrnimmt und was er in seiner Zeit als Freiwilliger alles so gemacht hat. Dadurch habe ich angefangen Mamasa aus einem ganz neuen Blickwinkel zu betrachten und meinen Alltag etwas aufgelockert. Ich meine damit, dass man schnell anfängt sich an einen festen Alltagsrhythmus zu gewöhnen und sich sein Blickfeld dadurch erheblich einschränkt. Ich möchte aber nicht blind durch Mamasa laufen und mich auf ein paar Gewohnheiten begrenzen, sondern möglichst viele Dinge hier in Erfahrung bringen. So wird Mamasa schnell von einer etwas abgelegenen Kleinstadt zu einem Ort voller Möglichkeiten, die man in sechs Monaten gar nicht alle austesten kann.

