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Bei der Schulweihnachtsfeier führten die Kinder ein Krippenspiel auf, die Mitglieder der Kirchengemeinde und Eltern waren zu Besuch (Foto: EMS/Priya)
Bei der Schulweihnachtsfeier führten die Kinder ein Krippenspiel auf, die Mitglieder der Kirchengemeinde und Eltern waren zu Besuch (Foto: EMS/Priya)
17. April 2023

Was bisher geschah

Leonie

Leonie

Indien
Heim für Kinder mit geistiger Behinderung
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Wo kann ich besser meinen nächsten Blogeintrag schreiben, als auf einer der langen Zugfahrten durch Indien. Dabei wird einem klar, wie wahnsinnig groß dieses Land ist. Von meiner Einrichtung aus, die sehr weit im Süden von Indien liegt, sind es mit dem Zug fast 30 Stunden Fahrt bis nach Nagpur, der Mitte Indiens. In Deutschland hätte ich keine Lust auf so eine lange Zugfahrt gehabt, doch in Indien macht es mir Spaß mit dem Zug unterwegs zu sein: ich sehe so viel vom Land, lerne neue Leute kennen und habe Zeit, um Dinge zu tun, zu denen ich in meinem vollen Alltag nicht komme. Die Züge haben Kompartments mit Liegen, die man tagsüber runterklappen und zum Sitzen nutzen kann. Auf unseren Zugfahrten lernen wir immer wieder nette Menschen kennen, mit denen man ins Gespräch kommt und dabei Geschichten hört, Empfehlungen bekommt und nach Hause eingeladen wird. Die Menschen hier zeigen auch immer wieder stolz Fotos ihrer Familie. In den Abteilen ohne Klimaanlage sind die Fenster während der Zugfahrt offen und ansonsten sind die Türen auch nicht geschlossen, sodass man sich in die Tür setzen oder stellen kann und die wunderschönen Landschaften betrachten kann, die sich je nachdem in welchem Bundesstaat man grade ist stark unterscheiden. Bei den offenen Türen sollte man aber trotzdem vorsichtig bleiben, ich habe nämlich die schlimme Erfahrung gemacht, dass mein Handy dabei aus dem Fenster geflogen ist…

Wenn ich in Tamil Nadu in den Zug steige ist die Landschaft trocken, es gibt kleinere Palmen und Büsche, der Sand ist rötlich gefärbt und es ist sonnig heiß. Sobald man nach Kerala kommt wird es grüner, durch die hohen Palmen und Bananenstauden ist es schattig, man fährt über viele Flüsse und an Seen vorbei und kann manchmal auch das Meer erkennen. Sobald man aus Chennai rauskommt und weiter nördlich durch Andhra Pradesh fährt sehe ich sehr viele Reisfelder aus dem Zugfenster und einige Ochsenkarren.

Während ich so aus dem Fenster schaue, lasse ich die vergangenen Monate Revue passieren. Seit meinem letzten Blogeintrag ist nicht nur einiges an Zeit vergangen, sondern auch sehr viel passiert.

Das erste große Ereignis nach Diwali war Weihnachten, was bei mir in der Einrichtung groß gefeiert wurde. Schon im November begannen die ersten Weihnachtsvorbereitungen, die Klassen wurden weihnachtlich dekoriert, ich habe Weihnachtskekse mit den Kindern gebacken und wurde auf die ersten Schulweihnachtsfeiern eingeladen. Ich war auf mindestens sechs solcher Feiern, denn jede Schule und Kirche organisiert im Dezember eine eigene Weihnachtsfeier, bei der Reden gehalten und die Kinder Tänze, das Krippenspiel und Lieder aufführen. Es ist seltsam für mich Weihnachten im Warmen zu feiern, auch wenn viele der Menschen hier ihren Kindern abends Mützen anziehen, weil auch in Indien jetzt Winter ist. Mir fehlte die vertraute bittere Kälte, der trübe Himmel und das gemütliche Gefühl auf dem Weihnachtsmarkt oder zu Hause mit einem Kakao aber schon. Es gibt einige Ähnlichkeiten wie Weihnachten in Indien gefeiert wird, aber auch super viele Unterschiede. Genau wie in Deutschland ist man an Weihnachten mit seiner Familie zusammen, es wird eines der bekanntesten und beliebtesten Gerichte „Biryani“ ein Reisgericht voller Gewürze gegessen, welches zwar typisch für Weihnachten ist, jedoch auch ansonsten gerne und häufig gegessen wird. Viele Familien dekorieren ihr Haus mit Lichtern und einige haben auch einen Weihnachtsbaum und eine Krippe. Am 24. bereiten viele Familien Süßigkeiten und Snacks zu, die sie an die Nachbarn verschenken, denn Weihnachten wird hier erst am 25. Dezember gefeiert. Am Morgen ab 3 Uhr machen sich die Christen auf in die Kirchen, um Weihnachten mit einem Gottesdienst zu beginnen. Danach gibt es Kaffee und Kuchen vor der Kirche. Geschenke gibt es hier an Weihnachten jedoch eher nicht. Einige Kinder bekommen von ihrer Familie neue Kleider geschenkt, doch so wie ich es erlebt habe stand der Glauben und das Beisammensein im Vordergrund.

Ich habe durch die vielen Feiern praktisch einen ganzen Monat lang Weihnachten gefeiert, doch Weihnachten selber verbrachte ich die meiste Zeit im Zug auf dem Weg nach Goa. Der kleine Bundesstaat ist an der Westküste Indiens und ist bekannt für seine schönen Strände, die Partys und den Tourismus. Durch unsere Zeit dort wurde uns eine ganz andere Seite von Indien gezeigt. Insbesondere Merle und ich, die sehr ländlich und traditionell leben wurden überrascht, wie anders die Mentalität in Goa ist. Vieles ist weniger strikt, insbesondere, wenn es um Beziehungen, die Liebe, Feiern und Alkohol geht. Viele junge Menschen von überall aus Indien kommen nach Goa, um dort frei von den Regeln und gesellschaftlichen Zwängen zu sein. Natürlich kommt es auch hier darauf an, wo in Goa du dich aufhältst, denn hinter der touristischen Fassade in der wir uns hauptsächlich aufgehalten haben gibt es auch viel Armut und ähnliche Regeln, wie im Rest von Indien. Ich habe die 2 Wochen Ferien in Goa sehr genossen, war im Endeffekt aber auch sehr froh, durch meine Arbeit und den Kontakt zu den Menschen im Elwin Centre hinter die touristischen Kulissen blicken zu können und Indien von vornerein auf eine andere Art kennenlernen zu können.

Mittlerweile bin ich schon seit einem halben Jahr in Indien und habe mich gut in meiner Einsatzstelle zurechtgefunden und viele Freunde hier gefunden. Ich habe in den Monaten bis Januar meinen Vormittag häufig in der Physiotherapie verbracht und dort dem Therapeuten bei den Übungen mit den Kindern geholfen. Er selber hat sich die Zeit dabei genommen mir zu erklären, welche körperlichen Beeinträchtigungen die Kinder haben, wie es dazu kommt und welche Übungen helfen. Abgesehen davon habe ich viel Zeit in der Bäckerei verbracht und geholfen die Rezepte zu backen und einiges an deutschem Gebäck zum Verkauf gebacken. Wobei ich immer tatkräftig von den beiden Helfern Sassi und Shakila unterstützt wurde. Da ich festgestellt habe, wie viel Spaß mir das backen macht, habe ich beschlossen auch wöchentlich, wann immer die Zeit da ist mit einer Klasse zu backen. Der Lerneffekt für die Kinder ist sehr gut und nicht nur das Backen, sondern auch das Essen hinterher machen Spaß.

Abgesehen davon war ich immer wieder in unterschiedlichen Klassen und habe dort geholfen einzelne Kinder zu betreuen, was mit der Sprachbarriere zwar kompliziert ist, aber irgendwie doch möglich und habe Klassen betreut, wenn die Lehrerin nicht da war oder Lernmaterialien gebastelt. Eine Sache die auch ohne Worte sehr gut klappt ist eigentlich immer Sport, solange die Regeln nicht kompliziert sind, habe ich einiges an Sport mit den Kindern getrieben und zwischendurch auch geholfen einige der Schüler für Wettbewerbe mit anderen Schülern zu trainieren. Seit Januar war ich dann in der kombinierten 3./4. Klasse und habe dort Regina, die Lehrerin, unterstützt. Es tat gut für längere Zeit in einer Klasse zu sein und so alle Namen, das individuelle Lernprogramm, den Stundenplan und die Besonderheiten der Kinder kennenzulernen. Ich hatte Zeit mich für längere Zeit mit den Kindern zu beschäftigen und ihre Erfolge über die Monate zu sehen. Ein besonderes Erlebnis war es für mich mit den Kindern Fahrrad fahren zu üben, ihre Aufregung mitzuempfinden und mich gemeinsam mit den Kindern zu freuen, wenn sie einige Erfolge haben.

Seit ich im Elwin Centre bin habe ich die Kinder und die Mitarbeiter und Lehrerinnen schon so ins Herz geschlossen. Ich habe einiges ausprobiert und bin bei manchen Sachen, die mir besonders Spaß machen geblieben. Durch meine Reisen habe ich viele unterschiedliche Seiten von Indien kennengelernt und bin immer wieder erstaunt wie vielfältig das riesige Land ist. Ich freue mich schon auf meinen nächsten Blogeintrag.

Bis dahin, alles Liebe!

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die Kinder der 3./4. Klasse sind begeistert dabei deutsche Kuchen-/ Keksrezepten zu machen (Foto: EMS/Priya)
die Kinder der 3./4. Klasse sind begeistert dabei deutsche Kuchen-/ Keksrezepten zu machen (Foto: EMS/Priya)
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Weihnachten im Warmen: die Spiele an Weihnachten fanden draußen statt, nicht nur die Kinder waren begeistert dabei, sondern auch wir (Foto: EMS/Priya)
Weihnachten im Warmen: die Spiele an Weihnachten fanden draußen statt, nicht nur die Kinder waren begeistert dabei, sondern auch wir (Foto: EMS/Priya)

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