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Teeplantagen in Munnar (Foto: EMS/Kreiter)
Teeplantagen in Munnar (Foto: EMS/Kreiter)
25. März 2019

Eine Erde - Umweltschutz in Indien

Jule

Jule

Indien
wirkt in einem Frauenzentrum mit
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Passend zu den weltweiten „Friday for future“ Demonstrationen an den vergangenen Freitagen habe ich mir überlegt, meinen nächsten Blogpost zum Thema Umweltschutz in Indien zu schreiben.

Am 3. März ist meine Familie endlich, mit einer Verspätung von 24h, in Madurai gelandet. Wir haben zwei Nächte in meinem Centre verbracht und haben uns dann auf den Weg nach Kerala gemacht. Wir waren in Munnar bei den Teeplantagen, in den Backwaters von Alleppey und am Strand von Varkala. Ich glaube, würde man meine Familie fragen, würden sie die Reise als „nicht wirklich indisch“ bezeichnen. Aber warum ist das so? Wir haben uns in touristischen Gebieten aufgehalten und wie würde man Touristen davon abhalten, Urlaub an einem Ort zu machen? Richtig: Müll. Es ist wirklich beeindruckend wie sauber die Gegenden sind, die von Touristen leben. Klar lag mal etwas Müll am Strand oder es schwamm vielleicht in den Backwaters mal eine Plastiktüte an einem vorbei, aber alles in allem war es wirklich sehr sauber.

Verlasse ich dagegen zum Beispiel das Centre Gelände um nach Nagalapuram zu laufen, begegne ich Plastik am Straßenrand, Hunden, die darin herumwühlen und Kindern, die einfach ihre leeren Plastikflaschen an den Wegrand schmeißen. Für mich etwas total unverständliches, aber sind die Inder wirklich solche „Umweltsünder“ wie wir es uns immer vorstellen?

Über die letzten Tage habe ich mich nun etwas intensiver mit dem Thema Umweltschutz in Indien auseinandergesetzt, da ich eine Anfrage der Universität in Nagalapuram bekommen habe, einen Vortrag für die Englisch Literatur Studenten zu halten. Unterstützung habe ich dabei von meinem Bruder Hannes Kreiter, der noch eine weitere Woche mit mir im WWTC verbracht hat, bekommen. Ich bin noch lange kein Experte im Thema Umweltschutz und Klimawandel, aber ich hoffe, es ist vielleicht für den ein oder anderen interessant meine Begegnungen mit diesem Thema hier in Indien zu erfahren. Um dieses umfangreiche Thema etwas einzuschränken, werde ich mich jedoch auf zwei große Bereiche beschränken: Die CO2 Belastung und die Plastik-/ bzw. Müllverschmutzung.

Die CO2 Belastung

Anfangen möchte ich mit dem CO2 Thema, das meiner Meinung nach manchmal etwas in dem ganzen Müll untergeht.

Ein großer Teil der Kohlenstoffmonoxid Belastung kommt von der Herstellung von Energie. In Indien kommt tatsächlich 62% der Energie von Kohlekraftwerken. Momentan werden hier leider noch weiter Kohlekraftwerke gebaut. Indien hat seine Ausbaupläne zwar nach dem Pariser Klimaabkommen 2015 drastisch reduziert, aber ein Ausstieg aus der Kohleenergie liegt trotzdem noch nicht in naher Zukunft.

Aber auch in Indien arbeitet man daran, erneuerbare Energiequellen auszubauen. Im letzten Oktober haben die erneuerbaren Quellen einen Anteil von 10% erreicht und bis 2030 soll dieser Anteil auf 40% steigen. Auf unserem Weg zu den Wasserfällen in Courtallam letzte Woche sind wir an hunderten von Windkraftanlagen vorbeigefahren und auch meine Einsatzstelle hat seit einiger Zeit für die eigene Stromversorgung Solarzellen auf dem Dach angebracht.

Ein weiterer großer Sektor im Verbrauch von CO2 ist der Transport. Hier muss man den Indern meiner Meinung nach einiges anrechnen. Während in Indien nur 9,82 PKWs pro 1000 Einwohner existieren, erreicht Deutschland eine Zahl von 573,03 PKWs pro 1000 Einwohner. Öffentliche Verkehrsmittel wie Busse und Züge werden hier viel häufiger genutzt und werden im Gegensatz zu Deutschland auch zu erschwinglichen Preisen für die Bevölkerung angeboten. Fliegen können sich nur sehr wenige leisten, weshalb auch mal mehrtägige Strecken mit dem Nachtzug hinter sich gelegt werden.

 

Die Plastik-/ bzw. Müllverschmutzung

Ein weiterer Punkt ist natürlich die Plastik-/ bzw. Müllverschmutzung. Was mir gleich zu Beginn meines Aufenthaltes in Indien aufgefallen ist, ist das Problem der fehlenden Mülleimer und Müllabfuhr. Ich kann nur von den Städten und Dörfern reden, in denen ich bereits war, aber in diesen Gegenden ist mir aufgefallen, dass es leider sehr wenige Möglichkeiten gibt, seinen Müll überhaupt weg zu werfen. Als wir zum Beispiel in Chennai waren, sind wir bestimmt 1-2 Stunden mit unserem Müll in der Hand herumgelaufen, bis wir einen Mülleimer gefunden haben. Dies verleitet natürlich viele Menschen dazu, den Müll einfach auf den Boden zu werfen. Hier in meiner Einsatzstelle wird zwar darauf geachtet, dass der Müll nicht auf dem Boden herumliegt, sondern in Plastik, Papier und organischen Müll getrennt wird. Dieser Müll wird dann jedoch nicht abgeholt, sondern die Leute verbrennen ihn einfach. Das Problem bei Müllverbrennung mit normalem Feuer ist, dass die Temperatur nicht heiß genug werden und so giftige Dämpfe, die für den Menschen und die Umwelt schädlich sind, freigesetzt werden.

Eine weitere Sache, die mir aufgefallen ist, sind die kleinen Päckchen in denen die Leute hier zum Beispiel Shampoo, Waschmittel, Gewürzmischungen etc. kaufen. Jede Portion ist dabei sozusagen einzeln verpackt und man verbraucht dadurch viel mehr Plastik. Das Problem ist jedoch, dass sich viele Leute nur diese kleinen Päckchen, die um die 1-2 Rupie (ca. 1-2 Cent) kosten, leisten können. Eine große Flasche Shampoo für 200-400 Rupie (2,50-5 Euro) zum Beispiel können, auch wenn sie so natürlich auf lange Sicht sparen würden, sich viele Menschen einfach nicht leisten.

Trotzdem muss man auch hier genauer hinschauen. Wenn man zum Beispiel nach Nagalapuram läuft, mag es vielleicht so aussehen als ob die Inder einen riesigen Plastikkonsum haben. Es gibt aber auch viele Punkte, in denen sie Plastik einsparen. Das Hauptnahrungsmittel Reis wird zum Beispiel eigentlich immer in großen Jutesäcken gekauft. Auch Wasser wird in 20 Liter Kanistern gebracht, die dann wieder mitgenommen und neu aufgefüllt werden, sozusagen eine Art Pfandsystem. Kauft man sich frische Snacks oder Obst auf der Straße, werden diese meistens in Zeitungspapier eingewickelt und bei Feiern oder in Restaurants isst man nicht von Plastiktellern, sondern von Bananenblättern. Auch der Plastiktüten-Trend geht zurück und viele Inder erledigen ihre Einkäufe zum Beispiel mit einem Stoffbeutel. Bestimmte Arten von Plastik sind außerdem mittlerweile per Gesetz verboten.

Alles in allem habe ich feststellen müssen, dass nicht alles so schwarz-weiß ist, wie es manchmal vielleicht scheint. Die Inder sind nicht die Bösen und wir die Guten oder andersrum. Es ist immer wichtig bei sich selbst anzufangen und nicht mit dem Finger auf andere zu zeigen. Man kann und sollte die Aufmerksamkeit auf das Thema lenken, wie zum Beispiel mein Bruder und ich bei unserem Univortrag, indem man zum Beispiel demonstrieren geht oder eben einfach mit seiner Familie und Freunden darüber redet und diskutiert. Dabei muss man jedoch aufpassen nicht vorwurfsvoll zu sein, sondern versuchen gemeinsame Lösungen zu finden.

Bis bald!

Eure Jule

 

Extra Fact: Wie viele Erden brauchen wir denn noch?

Wir leben zwar alle auf einer Erde, das Konsumverhalten und die Bedürfnisse der Menschen sind aber manchmal so groß als hätten wir die Ressourcen mehrere Erden zu Verfügung. Nach einer Einschätzung des WWF („Living Planet Report 2016“) verbrauchen wir unsere Erde insgesamt 1,6-mal im Jahr. An erster Stelle steht hierbei Australien mit einem Verbrauch von 5,4 Erden, relativ dicht gefolgt von Deutschland mit einem Verbauch von 3,1 Erden. Indien hat dagegen nur einen Verbrauch von 0,7 Erden. Wenn wir so weitermachen wie bisher und die Bevölkerung dazu noch weiter wächst, werden wir noch vor dem Jahr 2050 die Ressourcen von 3 Erden benötigen!

Um es nochmal zu sagen, diese Zahlen sollen keinem irgendeine Schuld zuschreiben. Es geht nicht darum perfekt zu sein und sich komplett eingeschränkt zu fühlen. Man muss nicht nie wieder Plastik verwenden, vegan leben oder nie wieder irgendwo hin fliegen. Man sollte diese Dinge jedoch bewusster und reduzierter konsumieren, jeder in dem Maße in dem er sich wohl fühlt. Fangt bei euch selbst an und fangt heute damit an.

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Am Flughafen (Foto: EMS/Kreiter)
Am Flughafen (Foto: EMS/Kreiter)
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Vortrag über den Klimawandel an der Uni in Nagalapuram (Foto: EMS/Kreiter)
Vortrag über den Klimawandel an der Uni in Nagalapuram (Foto: EMS/Kreiter)