Weltweit erlebt
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14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Abele voller Vorfreude auf seine Familie daheim (Foto: EMS/Eckel)
Abele voller Vorfreude auf seine Familie daheim (Foto: EMS/Eckel)
06. März 2019

Lehrer Abele

Lena

Lena

Südafrika
arbeitet in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung mit
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Zu Hause hatte ich 10 Lehrer(innen) in 10 Fächern. Alle konnten predigen, nur wenige konnten das auch vorleben. Jetzt hab ich 50 Lehrer(innen). Keiner von ihnen predigt, aber alle lehren mich zu leben.

Abele hat mir gezeigt, dass ich mich über jeden Menschen, dem ich begegne, freuen kann. Dass ich ihm strahlend hallo sage und zuwinke. Dass das die größte Freude ist, die ich ihm machen kann: Menschen zu begegnen. Und dass es wichtig ist, andere Menschen wertzuschätzen. Seinen schnellen Daumen nach oben versteht jeder, genau so wie sein strahlendes Lachen. Er bekommt immer mit, wenn etwas schief geht und der Umgang damit führt meistens zu den glücklichsten Momenten des Tages: er lacht. Gerade eben habe ich leider nicht bemerkt, dass sich die Bremse seines Rollstuhls gelöst hat. Als ich Abele lachen hörte und mich umdrehte, sah ich wie er geradewegs den Garten runterrollte, ohne eine Spur Ärger, in völliger Freude. Außerdem ist er immer mein Freund und Helfer, indem er mir zeigt, dass jemand an der Tür klopft, wenn ich es nicht merkte, der den anderen Jungs klar macht, wohin sie gehen sollen. Und vor allem lehrt Abele mich, keine Scheu zu haben, Freude zu zeigen, zu strahlen, zu tanzen, einzuklatschen und dass das den Tag anderer Menschen zu einem glücklichen machen kann.
Das waren zu viele Wortwiederholungen von Freude&Lachen und invariable Satzkonstruktionen?

Das ist das Problem am Predigen. Das Wesentliche verliert man durch solchen stilistischen Firlefanz schnell aus den Augen. Deswegen lerne ich vielleicht gerade bei Abele, der nicht sprechen kann, so einleuchtend und klar.

Josy hat mich gelehrt, dass klares und bestimmtes Verhalten manchen Menschen mehr hilft oder in manchen Situationen einfach besser ist, als vorsichtiges, zögerliches. So hat Josy Morne gleich bei unserem ersten gemeinsamen Spaziergang zu seinem Glück gezwungen, indem er seine Hand genommen hat und losmarschiert ist. Morne ist also hinterhergedackelt und wir hatten einen sehr ausgiebigen und entspannten Spaziergang. Das war aber nur zu Beginn nötig, denn danach ist uns Morne einfach ganz gemächlich gefolgt. Wenn man weiß, dass Morne sonst eigentlich 90% des Tages (nämlich immer dann, wenn er nicht isst oder schläft) damit verbringt, wegzulaufen, zeigt das, was für ein hohes Sozialvermögen in Josy steckt. Außerdem sorgt Josy dafür, dass seine Zimmernachbarn beim Schlafen ordentlich zugedeckt werden und dass sich z.B. beim Essen alle auf ihren Stuhl setzen. Das sind vielleicht nur Kleinigkeiten, aber sie tragen viel zur Atmosphäre bei und zeigen, dass er an die Anderen denkt. Und mir tun diese kleinen Hilfen auch gut und es bestärkt mich darin, dass auch kleine Hilfen entscheidend sein können und anderen Menschen gut tun.

Karel hat mich gelehrt, dass Geduld manchmal alles ist, was nötig ist. Anfangs war er mir gegenüber komplett Kontaktscheu und skeptisch. Nach reichlich Beobachtungszeit seinerseits kam er dann immer häufiger zu mir, um ein kleines Provokationsspiel mit mir zu spielen: er deutet an, irgendetwas zu klauen und ich muss dann versuchen, das zu verhindern. In der Höchstphase hat er das bestimmt 20 Mal am Tag gemacht und wurde von meiner Kollegin schon mein „boyfriend“ genannt. Für meine Tanzversuche musste ich aber immer noch ordentlich Körbe einstecken :D. Aber irgendwann hat er angefangen, sich bei meinen Spaziergängen durchs Dorf einzuklinken und sich eines Tages bei mir eingehakt! Irgendwann hatte ich also so viel Vertrauen gewonnen, dass ich Rekordzeiten im“Karel-finden-und-dazu-bewegen-zum-Waschen-ins-Bad-zukommen“aufgestellt habe.

Außerdem hat er mir beigebracht, dass es eigentlich total egal ist, was irgendwelche Menschen über unsere Eigenarten denken. Denn wenn Karel mitten im Gottesdienst herzhaft und laut gähnt, finde ich das einfach herrlich :D. Karel ist taub, er nimmt also gar nicht wahr, dass das völlig natürliche, was er da gerade tut, von anderen Menschen als störend oder unhöflich wahrgenommen werden könnte. Mich bringen diese Situation jedes Mal wieder zum Schmunzeln und zeigen mir, wie absurd und willkürlich unsere ganzen „Benimmregeln“ eigentlich sind :D.
Falls ihr einen Ratgeber braucht, ohne Stress durchs Leben zu kommen, seid ihr bei Karel auch genau richtig. Egal wie viel zu spät wir schon dran sind, um zum Gottesdienst zu gehen, Karel ist durch nichts aus der Ruhe zu bringen. Und das Überlebensnotwendigste: Karel kriegt immer als erstes mit, wann es Essen gibt und sitzt als erstes am Tisch. Wenn er den Tisch wieder verlässt, muss sein Teller quasi nicht mehr gespült werden, denn Karels Zunge VERSCHWENDET NICHTS, was auf seinem Teller liegt. Lehre: sei zufrieden mit dem, was du bekommst und hole das Maximale raus :D.

So hört das Lernen niemals für mich auf und vielleicht lasse ich euch noch an ein paar mehr von meinen neuen Lehrer(innen) teilhaben!

Ich hoffe euch geht es gut und ihr seid zufrieden mit der deutschen Kälte :D. Seid dankbar für eure warmen Häuser :)

Liebe Grüße

Lena

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Karel (links), Abele und ich vor dem Elim Home (Foto: EMS/Eckel)
Karel (links), Abele und ich vor dem Elim Home (Foto: EMS/Eckel)
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Josy und Bebe beim gemeinsamen Spaziergang (Foto: EMS/Eckel)
Josy und Bebe beim gemeinsamen Spaziergang (Foto: EMS/Eckel)