Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Die ARI Community inklusive einer Studentengruppe aus Kyoto beim Community Event im Park (Foto: EMS/Sigmund)
Die ARI Community inklusive einer Studentengruppe aus Kyoto beim Community Event im Park (Foto: EMS/Sigmund)
09. September 2019

Mein erster Monat im ARI

Leah

Leah

Japan
unterstützt ein Landwirtschaftszentrum
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Minna-san, Konnichiwa!

Mein erster Monat im ARI ist schon fast vorüber und ich habe in dieser kurzen Zeit hier so viel erlebt, dass es sich so anfühlt, als ob ich schon ewig hier wäre. An einem einzelnen Tag hier lerne ich gefühlt mehr als in einem Schulsemester, über andere Kulturen, fremde Menschen, neue Gerichte oder interessante Hintergründe. Der Alltag im ARI ist gefüllt mit netten Gesprächen, viel Musik, gutem Essen und Gelächter, aber auch mit harter Arbeit und wenig Zeit für sich selbst.

Aber nun erst mal zum ARI: Was genau ist das ARI überhaupt, wer lebt und arbeitet hier und wie läuft der Tag so ab? Das Asian Rural Institute ist ein Training Center, in dem Menschen aus verschiedensten Ländern zusammen kommen, um dort über nachhaltige Landwirtschaft und den Aufbau von Kommunen und zu lernen. Nach dem neun Monate langen Training sollen die Teilnehmer dazu in der Lage sein, effektiv gegen Armut, Hunger und Ausgrenzung in ihren Heimatländern arbeiten zu können.
Dabei sollen sie eine „Leader Rolle“ einnehmen, das heißt ihr im ARI erlerntes Wissen weitergeben und verbreiten.
Die Teilnehmer werden Participants genannt und kommen primär aus Asien, Afrika und Pazifikinseln.
Dieses Jahr sind es 25 Participants aus 15 verschiedenen Ländern, darunter die Philippinen, Ghana, Indien, Indonesien, Myanmar und Kambodscha, also auch Länder, in die Freiwillige mit der EMS reisen.
Tatsächlich muss ich mir dies aber immer wieder ins Gedächtnis rufen, denn auch wenn hier eine unglaubliche Vielfalt von Kulturen und Sprachen zusammenkommt, fällt das im Alltag gar nicht so sehr auf, denn alle machen die gleiche Arbeit und verfolgen dabei ähnliche Ziele.
Im Mittelpunkt des Programms steht das Konzept „Foodlife“ - ein Begriff, mit dem die Wechselwirkung zwischen Leben und Nahrung, die alles Leben bedingt, erkannt und bewertet werden soll. Mehr dazu aber gleich.
Die ARI Community besteht außer den Participants noch aus Mitarbeitern, die hier fest angestellt sind, Volunteers wie mir, die hier für längere Zeit leben, Commuting Volunteers, die in der Nähe wohnen und regelmäßig mithelfen und Working Visitors, die nur für kurze Zeit im ARI bleiben.
Außerdem kommen viele Studenten- und Schulgruppen zum ARI, weswegen es auch ganz schön voll hier werden kann.
Die Schüler kommen im zum ARI zugehörigen Seminarhaus unter und haben ihr eigenes Programm. Oft nehmen sie jedoch am gemeinsamen Essen teil oder unterstützen uns während Foodlife Work, wodurch man leicht mit ihnen ins Gespräch kommt und ich auch schon einige besser kennen lernen konnte.

Nun aber zu meinem komplexen Tagesablauf, welcher mich anfangs ganz schön verwirrt hat:
Der Morgen startet um 6.30 Uhr mit Morgengymnastik, welche von einem Japanischen Radioprogramm angeleitet wird. Erst wird ein Lied gespielt, welches ich leider meistens verpasse, bevor es dann mit den etwa fünfminütigen Übungen losgeht. Das frühe Aufstehen ist nicht ganz so leicht für mich, aber zum Glück habe ich eine nette Zimmernachbarin, die sicher geht, dass ich es aus dem Bett schaffe.
Danach treffen sich die verschiedenen Arbeitsgruppen kurz zusammen, um die Aufgaben für das tägliche Foodlife Work zu besprechen. Ich bin im Moment in Gruppe 3.
Nun wird bis sieben Uhr geputzt, wobei ich gerade im Wohnheim der Frauen helfe.
Dann folgt die praktische Umsetzung des Begriffs „Foodlife Work“.
Entweder säe oder ernte ich oder ich jäte Unkraut auf dem Feld oder helfe im Hühnerstall.
Dabei arbeiten alle Community Mitglieder zusammen und es wird nebenbei eigentlich immer gesungen oder geredet.
Ich als Volunteer wechsle dabei jeden Monat die Gruppe, das heißt ich werde auch die Schweine und die Ziegen kennen lernen.
Um 8.15 Uhr gibt es dann endlich Frühstück, welches auch von einer Foodlife Gruppe zubereitet wurde, wobei der Bereich FEAST genannt wird, was für Food Education And Sustainable Table steht und sich um die Verarbeitung von Lebensmitteln kümmert.
Die Mahlzeiten finden alle in Koinonia statt, einem großen Saal.
Dann geht es um 9.30 Uhr mit dem Morning Gathering weiter, bei dem immer ein Community Mitglied etwa eine halbe Stunde über ein Thema redet, meistens über die eigene Person oder über das Heimatland, aber auch über Glauben oder politische Konflikte.
Singen und Beten ist ebenfalls fester Bestandteil des Morning Gatherings, welches in der campuseigenen Kapelle stattfindet, einem traditionellen japanischen Haus.
Gleich danach beginnt meine Hauptarbeit: in der Küche das Mittagessen zubereiten.
Dies kann ziemlich stressig sein, aber da wir eine lustige Truppe sind macht es auch Spaß.
Ich hatte schnell die Möglichkeit, selber Gerichte zu kochen, was für so große Gruppen eine ganz schöne Herausforderung ist.
Da über neunzig Prozent der Lebensmittel die wir im ARI essen auch hier angebaut werden, ist das Essen sehr saisonabhängig. Gerade zum Beispiel beinhaltet fast jede Mahlzeit Aubergine, Bohnen, Bitter Gurd oder Blaubeeren und Reis gibt es sowieso zu jeder Mahlzeit.
Trotz der begrenzten Auswahl sind die Gerichte sehr vielfältig und ich freue mich immer sehr auf die Mahlzeiten hier.
Nach dem Mittagessen bin ich wieder in der Küche, meistens zusammen mit Ramon, einem Mitarbeiter aus den Philippinen und Natsuki, einem Freiwilligen aus Japan.
Wir verarbeiten dann das frisch geerntete Obst und Gemüse, mahlen Mehl und zweimal in der Woche backen wir Brot.
Von 17.00 Uhr bis 18.00 Uhr ist es wieder Zeit für Foodlife Work und um 18.30 Uhr gibt es dann Abendessen.
Nach dem Abendessen unternehme ich meistens etwas mit anderen Community Mitgliedern und einmal in der Woche singe ich in einem Gospelchor auf dem Campus. Auch lernen Noriko, die hier über den Sommer arbeitet und Ryo, ein Participant aus Japan, regelmäßig mit mir Japanisch, was immer sehr viel Spaß macht.
Samstags endet die Arbeit nach dem morgendlichen Foodlife Work und sonst muss man sich am Wochenende noch für einen Dienst eintragen, da die Tiere natürlich auch am Wochenende gepflegt werden wollen.

So viel zum Tagesablauf im ARI. Aber was habe ich bis jetzt hier erlebt?
Am 14. August bin ich nach einem elf Stunden langen Flug sicher am Narita Flughafen in Tokio angekommen, wo ich von drei anderen Freiwilligen aus Deutschland herzlich (mit einem netten Schild) in Empfang genommen wurde. Diese heißen Raisa, Diotima und Julius und werden ein ganzes Jahr im ARI arbeiten. Zusammen sind wir dann zu diesem gefahren, wobei wir völlig erschlagen von der hohen Luftfeuchtigkeit in Japan waren, die sogar meine Brille beschlagen ließ.
Endlich angekommen bekamen wir auch gleich unsere Zimmer zugeteilt, wobei sich immer zwei Personen aus verschiedenen Ländern ein Zimmer teilen. Meine Zimmernachbarin heißt Mimi und kommt aus Amerika, lebt aber schon lange in Japan.
Dann dauerte es auch nicht lange bis zum Abendessen. Dort war ich erst mal völlig überwältigt von der Menge an Menschen, und dachte dass ich niemals in der Lage sein würde, mir all diese Namen zu merken. Tatsächlich hat dies aber nicht mal zwei Wochen gebraucht.
Am ersten Tag bekamen wir dann eine Campus Tour und wurden unseren Sektionen zugeteilt, in denen wir den Großteil des Tages arbeiten.
Im Moment bin ich den ganzen Tag in FEAST, was sich vermutlich aber bald ändern wird.
Die erste Woche war, was die Arbeit anging, aber sehr entspannt, da wir uns erst mal an das neue Klima und die neue Zeitzone gewöhnen sollten und uns alles erklärt werden musste.

An meinem ersten Wochenende hier war gleich mal General Cleaning angesagt, das heißt zwei Stunden lang wird der komplette Campus inklusive der Wohnheime von der ganzen Community geputzt.
Danach haben uns Richelle, eine Participant aus den Philippinen und Souta, ein Freiwilliger aus Japan, mit dem Fahrrad die Stadt gezeigt.
Besonders spannend war dabei der Zwischenstopp an einem lokalen Tempel, an dem Souta uns die Reihenfolge beim Beten und die Bedeutung der verschiedenen Glücksbringer erklärt hat.
Dabei gibt es einen dieser Glücksbringer für eine Vielfalt von Situationen, sei es Prüfungen oder der erste Milchzahn eines Babys.
Am Tag darauf habe ich einen evangelischen Gottesdienst in Nishinasuno besucht, welcher zwar auf Japanisch abgehalten wurde, aber auf Englisch simultan übersetzt wurde.

Das Highlight der darauf folgenden Woche war ein Grillfest, zu dem uns eine japanische Studentengruppe die das ARI besucht hatte, einlud. Es wurde sogar ein Programm für uns vorbereitet, in dem die Studenten ihr Talent in Karate, Musik und Tanz vorführten und uns einen traditionellen Tanz beibrachten, der zu einem Insider im ARI geworden ist.
Am darauffolgenden Wochenende wurden wir von Jonathan, welcher für die Freiwilligen verantwortlich ist, zu einem Yukata Gottesdienst in seiner Kirche eingeladen.
Der Yukata ist ein traditionelles japanisches Gewand und wird, im Gegensatz zum Kimono, hauptsächlich im Sommer getragen, da der Stoff um einiges leichter ist und er auch einfacher zu binden ist. Nach dem Gottesdienst gab es Nudeln und Curry mit Reis sowie Shaved Ice mit Sirup, was laut Jonathan auf vielen japanischen Festivals serviert wird, aber von Region zu Region variiert.

Die Woche darauf wurde von einem Community Event unterbrochen, für das ich am Vortag mit Diotima fleißig gebacken habe: Blaubeerkuchen, Schokoladenkuchen und Zimtkekse. Wir sind in Bussen zu einem großen Park gefahren, in welchem wir gepicknickt und einen freien Nachmittag verbracht haben.
In der Nähe gab es einen Fluss, in dem ich trotz des eiskalten Wassers schwimmen war.

Die Region Tochigi, in der das ARI liegt, ist bekannt für ihre heißen Quellen, Onsen genannt. Diese werden durch Vulkanaktivität auf natürliche Weise beheizt. Letzte Woche sind wir abends mit Noriko in ein Onsen in der Nähe gefahren und seitdem würde ich am liebsten jeden Tag dort baden gehen.
Es gibt einige Regeln die man beachten muss, zum Beispiel darf man keine Badekleidung tragen, was aber gar nicht unangenehm ist. Das Wasser war leicht trüb und sehr heiß, es war unglaublich angenehm.

Am Sonntag, dem ersten Tag im ARI an dem ich ganz frei hatte, waren wir gemeinsam mit zwei Participants, zwei Mitarbeitern und Noriko in Shiobara wandern. Da ich die falschen Schuhe anhatte und es auf Grund des vielen Regen ziemlich rutschig war, war das ganze etwas zu abenteuerlich für mich, trotzdem hatte ich viel Spaß und mit Hilfe der Anderen habe ich die Wanderung unbeschadet überstanden. Am besten hat mir dabei ein kleines Teehaus am Fluss gefallen, in dem man japanische Leckereien in der Natur auf Felsen genießen konnte.

Ihr seht also, auch wenn sich mein Alltag größtenteils auf dem ARI Campus abspielt, hatte ich schon zahlreiche Möglichkeiten Japan und die japanische Kultur außerhalb zu entdecken.
Abschließend kann ich sagen, dass ich mich wirklich sehr wohl im ARI fühle, was größtenteils an der tollen Community liegt, in die ich mich schon sehr integriert fühle.
Ich bin schon sehr gespannt was die nächsten Monate für mich bereithalten.

Jaa mata,
eure Leah

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Das geerntete Obst und Gemüse wird frisch in der Küche verarbeitet. Hier wähle ich gerade Zutaten für das Mittagessen aus (Foto: EMS/Sigmund)
Das geerntete Obst und Gemüse wird frisch in der Küche verarbeitet. Hier wähle ich gerade Zutaten für das Mittagessen aus (Foto: EMS/Sigmund)
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Raisa, Noriko, Julius, Diotima und Ich beim Yukata Worship (Foto: EMS/Sigmund)
Raisa, Noriko, Julius, Diotima und Ich beim Yukata Worship (Foto: EMS/Sigmund)