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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Kirchliche Trauung (Foto:EMS/Schöpfer)
Kirchliche Trauung (Foto:EMS/Schöpfer)
17. Dezember 2019

Eine indische Hochzeit in den Bergen

Janne

Janne

Indien
unterstützt ein Mädchenheim
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Ich hatte die Chance in Madikeri eine indische Hochzeit, nicht als Gast, sondern als ein Teil der Familie des Bräutigams, mitzuerleben. In diesem, meinem zweiten Blog Beitrag, werde ich davon berichten. Dabei ist es mir wichtig vorweg zu sagen, dass es sich um meine eigenen Erlebnisse und Eindrücke handelt, die sich nicht auf jede indische Hochzeit übertragen und verallgemeinern lassen. Ich habe mich mit einigen Gästen unterhalten und sie haben mir die einzelnen Traditionen und Abläufe erklärt und auf diese Erklärungen werde ich mich auch in meinem Blog stützen.

Diese indische Hochzeit beginnt mit der Verkündigung, drei Wochen vorher, in der Kirche. Nach der Kirche kommt die enge Familie mit nach Hause und dort wird eine traditionelle Süßspeise gekocht und es werden die ersten Einladungen verteilt. Von diesem Zeitpunkt an, ist die Hochzeit offiziell und die Vorbereitungen beginnen. Wo bei uns die Einladungen per Post kommen, müssen die Einladungen in Indien persönlich abgegeben werden. So habe auch ich von der Hochzeit erfahren. Eines Abends, fast eine Woche vor der Hochzeit, kamen die Eltern des Bräutigams zu uns ins Heim. Ich habe mich riesig gefreut, da es meine erste eigene Einladung war, die ich bekommen habe. Die Mutter des Bräutigams ist von Leena (stellvertretende Heimleiterin) die Schwester und der Vater ist der Bruder von Stella (Heimleiterin). Ich finde, es ist eine schöne Tradition alle persönlich zu besuchen, obwohl es sehr viel Aufwand ist, wenn man überlegt, dass von Braut und Bräutigam je 750 Einladungen verteilt wurden. Fünf Tage vor der Hochzeit, am 27. November sind wir nach Madkieri gefahren, ein Bergdorf mitten im Grünen. Als wir ankamen, waren schon einige Verwandte im Haus und es kamen immer mehr. Ich fand es spannend zu beobachten, dass die meisten Frauen in die Küche gingen, während die Männer im Wohnzimmer sitzen blieben. Es wurden die ganze Zeit Kaffee und Snacks gereicht, um die Gäste zu versorgen, was ich eine nette Geste fand. Ich habe mich auf eine Bank in der Küche gesetzt, um zu zuschauen, wie das Essen gekocht wird. Ich fand es spannend, wie so viele Frauen (ca. 12) zusammen kochten und schwätzten. Mir wurde erklärt, dass immer die älteste Frau in der Küche die Aufsicht über alles hat.

Dann wurde das Kochen für meine erste Roce Function unterbrochen. Roce findet an den fünf Tagen vor der Hochzeit statt. Viermal im kleinen Rahmen, wo Verwandte nach Hause kommen und einmal als Fest. Es ist etwas traditionelles Christliches und findet bei Braut und Brautigam getrennt voneinander statt. Roce habe ich wie eine letzte Segnung erlebt. Der Bräutigam setzt sich auf einen Stuhl und alle Verwandten schmieren ihn der Reihe nach mit Kurkumamilch ein. Es ist sehr lustig, weil der Bräutigam alles über sich ergehen lassen muss und mache Familienmitglieder etwas übertrieben haben mit der Milch. Nach der Roce darf der Bräutigam duschen und es wird Abendessen serviert. Es gibt ein Buffet, an dem sich jeder etwas nehmen kann. Nach dem Essen haben wir einen Lautsprecher raus in den Hof getragen und da wurde dann erstmal getanzt. Es war eine bunte Mischung aus Traditionellem, Modernem und, sehr beliebt, auch Paartanz.

Nach dem Tanzen machten sich die meisten Verwandten auf den Weg nach Hause und im Haus wurden alle Betten fertig gemacht. Wir mussten alle etwas zusammen rücken, aber jeder hat einen Schlafplatz bekommen. Am nächsten Tag waren alle früh wach, wodurch ich leider auch geweckt wurde. Die Frauen wuschen oder bereiteten das Frühstück vor. Zu meiner Überraschung liefen die meisten im Haus den ganzen Tag im Schlafanzug rum. Ich war oft die einzige, die sich umgezogen hatte. Die nächsten Tage wurde sich dann noch aufgehübscht, beispielsweise wurden Haarkuren verwendet oder Nägel lackiert. Außerdem mussten wir noch einiges besorgen, wobei wir immer wieder anhielten, um noch Leute einzuladen. Zudem kamen die Cousins und bauten ein Palmendach vors Haus und das komplette Haus wurde mit Lichterketten behängt, was mich eher an Weihnachten erinnerte. Hier ist es jedoch so, dass es allen zeigt, dass demnächst eine Hochzeit ist. Am Samstag, den 30. November morgens, kamen alle Verwandte und der Pfarrer zum Baumpflanzen. Es wurde gebetet und dann ein Loch ausgehoben. Es gab neun verschiede Zutaten (wie Geld, verschiede Körner und Joghurt), die von jedem Verwandten in das Loch gegeben werden. Der Baum steht symbolisch für die Ehe. Die Ehe soll wachsen und Früchte für die Familien tragen, beziehungsweise der Familie gut tun. Dieser Baum wird ein paar Tage nach der Hochzeit von den Eltern der Braut abgeholt. Als spezielles Essen zu diesem Anlass gibt es Reis mit einem Curry aus Waschkürbis.

Am Abend stand dann die große Roce an. Wir machten uns alle schick, ich bekam einen Saree und wir fuhren zur Festhalle. Als die Roce mit Gebeten begann, wunderte ich mich, dass kaum Leute da waren, aber scheinbar störte es keinen. Ich und ein paar andere Verwandte standen am Eingang und begrüßten die Gäste, die nach und nach kamen. Höhepunkt war wieder, dass der Bräutigam mit Kurkumamilch eingeschmiert wurde. Dabei blieb es jedoch nicht, es wurden ihm auch noch Eier auf dem Kopf zerschlagen und er bekam eine Dusche aus Joghurt und Bier. Nach dem Abendessen wurde dann noch etwas getanzt. Besonderes lustig fand ich einen Tanz, bei dem Haushaltstätigkeiten, wie Kochen oder Waschen, nachgeahmt wurden.

Nachdem alles abgebaut wurde, fuhren wir wieder in unser Lichterkettenhaus zurück. Der nächste Morgen begann mit viel Aufräumen und Packen, da wir am Nachmittag nach Hasan fahren würden, wo am Montag, den 2. Dezember, die Hochzeit stattfinden würde. Die meisten Verwandten aus Madkieri fuhren mit uns im Bus. Mit viel lauter Musik zum Mittanzen auf dem Gang des Buses und Singen ging es nach Hassan. In Hassan findet die Hochzeit statt, da dort auch das Zuhause der Braut ist. Nachdem wir drei Stunden später angekommen waren, wurden in dem kleinen Hotel die Zimmer verteilt. Alle machten sich frisch und zogen sich um und dann gab es die nächste Veranstaltung. Wir fuhren in die große Halle, in der morgen auch die Hochzeit stattfinden würde. Das Brautpaar saß auf der Bühne und die Familien tauschten Genschenke aus. Neben Früchten, Kokosnüssen und Schmuck bekam die Braut einen Saree von den Schwiegereltern und der Bräutigam einen Anzug. Nach dem Abendessen, in der etwas herunter gekommenen Halle, nahmen wir den Bus zurück. Völlig erschöpft war ich froh, nun ins Bett gehen zu dürfen.

Am nächsten Tag wurde erstmal gefrühstückt bevor sich für die Kirche fertig gemacht wurde. Neben meinem Saree, den ich mir für die Hochzeit gekauft hatte, bekam ich noch Blumen ins Haar. Die Kirche war direkt um die Ecke, wo wir hin laufen konnten. Beim ersten Glockenschlag gingen wir gemeinsam mit dem Bräutigam in die Kirche. Nach dem zweiten Glockenschlag kam dann die Braut mit ihrer Familie in einem wunderschönen weißen Kleid. Der Gottesdienst begann mit dem Ringtausch und der Mangalsuthra Kette. Die Kette ist hier ein Zeichen dafür, dass eine Frau verheiratet ist. Es folgten Gebet und Gesang. Am Ende hat die Familie der Braut und die Familie des Bräutigams ein Lied für das Brautpaar gesungen, was ich besonders schön fand. Das Lied hatten wir die letzten Tage geübt und so durfte auch ich mitsingen. Nach der Kirche ging es zur Festhalle. Es folgte ein weiteres Gebet, bevor der Kuchen angeschnitten wurde und es Wein für alle gab. Dann musste sich die Braut umziehen, um den Saree anzuziehen. Nachdem sie den Saree angezogen hatte, kam das Beglückwünschen durch die Gäste. Es wurden Fotos gemacht, mit jedem, der auf die Bühne kam und es dauerte sehr lange bis das Brautpaar damit fertig war.

In der Zwischenzeit gingen wir mittagessen und saßen in der Festhalle rum, wobei ich mich mit ein paar Verwandten unterhielt. Die meisten kannte ich ja jetzt schon seit fünf Tagen und sie waren eine kleine Familie um mich rum. Nachdem der Abbau begann und wir getanzt hatten, traf sich die engste Familie des Brautpaares in der Mitte. Die Braut wurde nun offiziell von ihren Eltern an ihre Schwiegereltern übergeben. Dann machten wir uns gemeinsam mit der Braut auf den Weg nach Madikeri. Mit lauter Karaoke Musik ging es zurück. Der nächsten Tag war ein entspannter Tag, an dem sich jeder von der Hochzeit erholte und die Geschenke, was hauptsächlich Geld war, geöffnet wurden. Am Mittwoch, den 3. Dezember, stand dann ein weiteres wichtiges Ereignis an, die Brauteltern kamen zum Mittagessen und holten den Baum ab. Die Eltern und weitere Verwandte kamen. Es wurde gemeinsam mit dem Pfarrer gebetet, der Baum ausgegraben und die Münzen an die Gäste verteilt. Darauf folgte das gemeinsame Mittagessen. Dann nahmen die Eltern ihre Tochter und ihren Mann mit nach Hassan. Dort bleiben die beiden ein paar Tage, bis die Braut mit dem kompletten Besitz zurück nach Madikeri mit ihrem Mann kommt und vollständig bei ihren Schwiegereltern einzieht. Wir blieben noch bis zum nächsten Tag, um dann wieder ins Heim zu fahren.

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Mein erster eigener Saree (Foto: EMS/Schöpfer)
Meinen erster eigener Saree (Foto: EMS/Schöpfer)
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Begrüßung bei der Roce (Foto: EMS/Schöpfer)
Begrüßung bei der Roce (Foto: EMS/Schöpfer)