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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Al-Hamdullillah - mein Lieblingswort taucht überall auf, sogar als religiöse Erinnerung mitten im Straßenverkehr (Foto:EMS/Kollert)
Al-Hamdullillah - mein Lieblingswort taucht überall auf, sogar als religiöse Erinnerung mitten im Straßenverkehr (Foto:EMS/Kollert)
30. Juli 2019

Wie Allah und die Blumen am arabischen Alltag teilhaben

Lisa Luka

Lisa Luka

Jordanien
arbeitet in der Theodor-Schneller-Schule mit
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Liebe Leser*innen,

mit großen Schritten nähert sich das Ende meines Freiwilligendienstes. Ich blicke schon jetzt dankbar auf die Zeit zurück, die ich hier verbringen durfte und auf all das, was ich mitnehmen kann. Im April kam mich meine Familie besuchen und wir hatten eine wirklich schöne Zeit hier in Jordanien. Dabei habe ich wieder einen frischen Blick auf einige Dinge bekommen, die mir durch das alltägliche Erleben schon ganz normal erschienen. Sei es das Einkaufen auf dem Markt, die Busfahrten durch die Stadt oder die Falafelsandwiches. Beim Übersetzen für meine Familie sind mir auch wieder meine so geliebten arabischen Höflichkeiten aufgefallen. Im folgenden Blogeintrag würde ich euch gern ein paar davon vorstellen:

In scheinbar allen Lebenslagen gibt es auf Arabisch einen Spruch oder ein paar Worte, die Respekt, Mitgefühl, Freundschaft, Vertrauen, Hoffnung... ausdrücken. Viele, die ich kenne, sind religiös geprägt und haben einen engen Bezug zu Gott, الله ("Allah"). Christ*innen und Muslim*innen benutzen die folgenden Ausdrücke gleichermaßen, denn auf Arabisch heißt Gott "Allah" bei beiden Gemeinden. Es beten hier also alle an Allah - ich habe es nie erlebt, dass dabei ein Unterschied gemacht wird. Ganz im Gegenteil, wenn ich hier jemandem auf seine*ihre Nachfrage antworte, dass ich Christin bin, bekomme ich eigentlich jedes Mal die Antwort, dass wir doch wie Geschwister sind.

Nun möchte ich also versuchen ein paar der am häufigsten gebrauchten Ausdrücke mit Euch zu teilen. Für die meisten gibt es keine wörtliche Entsprechung im Deutschen (und auch der Google-Übersetzer spuckt oft einfach "God Bless" hervor, auch wenn die tatsächliche Bedeutung um Einiges vielschichtiger ist.) Mit meinen Übersetzungen möchte ich also dem eigentlichen Sinn so nahe wie möglich kommen und außerdem erklären, wie die Formeln gebraucht werden. Auch ich habe vor allem über die jeweiligen Situationen Stück für Stück entschlüsselt, was die einzelnen Wünsche bedeuten. Deshalb werde ich zu jedem Satz ein paar Gelegenheiten schildern, in denen die Worte gebraucht werden. Ich hoffe, Ihr könnt Euch das Ganze dann ein bisschen besser vorstellen. Also - los geht's!

ما شاء الله
"Ma Scha° Allah" - Oh, Gottes Wille..
.. sagt man bei einer angenehmen Überraschung, wenn man verzückt ist und um Gottes Schutz bittet. Man kann Aufkleber mit diesem Schriftzug auf zahllosen Autos oder über Geschäften sehen, das erinnert mich immer an unseren Sternsinger-Segen. Auch hier stellt man mit der Formel etwas Neues unter Gottes Schutz/Willen. Meine Sprachlehrerin hat mir sogar einmal erzählt, dass eine fehlende Mascha°allah Bemerkung zum Beispiel bei dem neuen Auto des Freundes auf Neid hinweisen kann. Es muss sich aber nicht immer um etwas Materielles handeln: Mir wurde Mascha°allah auch schon für meine paar Wörter Arabisch gesagt, für die Ankündigung einer Reise und wenn ich Fotos von Kindern gezeigt bekomme, ist ein Mascha°allah auch nie fehl am Platz.

يعطك الاعفية
(allah) "jatik al-aafiah" - Gott gebe dir die Stärke/Kraft zum Tragen des Lebens..
..sagt man als Gruß und Verabschiedung besonders bei Menschen, die gerade arbeiten. Es drückt für mich aus, dass man jemandes Arbeit sieht, anerkennt und ihm *ihr wünscht, dass er*sie diese weiterhin gut ausführen kann. Wenn ich zum Beispiel an einem Falafelstand oder beim Bäcker etwas einkaufe oder mich beim Aussteigen vom Busfahrer verabschiede, sage ich jatik al-aafiah. Andersherum höre ich diese Worte am meisten bei meiner Arbeit im Büro, wenn jemand, der das Sekretariat der TSS betritt, uns dort Beschäftigte so grüßt.

يسلمو يديك
(allah) "jislamu ideek" - Gott segne deine Hand..
.. wird als Dank verwendet. Wenn jemand tätliche Hilfe geleistet hat, bittet man damit Gott um das Segnen dieser hilfreichen Hände. Das beginnt schon im ganz Kleinen: wenn ich beispielsweise jemandem ein Stück Papier reiche, wird mir mit einem Segenswunsch gedankt. Überhaupt gibt es unglaublich schöne Redensweisen um Dank auszudrücken. Dazu habe ich im Anhang den Auszug aus einem Buch beigefügt, in dem genau das sehr schön beschrieben ist.

السلام عليكم

"As-Salaam aaleikom" - Der Friede sei mit euch.. ..ist ein etwas förmlicher, sehr höflicher Gruß. Ich habe einmal gelesen, dass diese exakte Redewendung von Adam herstammen soll. Dieser hat die Engel mit dem Friedenswunsch gegrüßt und in dessen Tradition stehen wir Menschen, wenn wir uns gegenseitig so ansprechen. Übrigens muss man As-Salaam aaleikom unbedingt erwidern, sonst ist es wie wenn jemand ein high five geben will und in der Luft hängen gelassen wird - erst der Austausch der Friedenswünsche schafft eine freundschaftliche, respektvolle Basis. Wenn jemand in den Bus zusteigt, grüßt der*diejenige die Mitfahrenden oft so und wird mit der Erwiderung "wa aaleikom as-Salam" willkommen geheißen. Den Gruß gibt es auch weniger förmlich in der abgekürzten Version als "Salaam", was auch als Verabschiedung taugt. Insgesamt muss Salaam (= Friede) eines der am häufigsten gesprochenen Wörter auf Arabisch sein. Wie traurig, wenn man bedenkt, dass in so vielen Arabisch-sprachigen Ländern Krieg und Verfolgung herrschen.

كيفك - كيف عمورك - كيف عائلتك - شو أخبارك - كيف صحتك ؟؟؟
"Kiifek - Kif Omurek - Kif aailtek - schu achbaarek - kif sahhtek???" - Wie geht's dir - Wie ist dein Leben - Wie ist deiner Familie - Was sind deine Neuigkeiten - Wie ist deine Gesundheit??
Wann immer man sich trifft oder miteinander telefoniert, werden solche Nachfragen seltenst ausgelassen. Selbst wenn das nur förmlich und manchmal auch ohne Antwort abläuft - es gehört einfach zum guten Ton dazu, sich nach dem Wohlbefinden des Gegenübers zu erkundigen. Bei besonders herzlichen Freundschaften, in Telefonaten oder bei Respektspersonen kommt es mir schon manchmal so vor, als würde diese Fragerei bis zum Exzess praktiziert. Aber natürlich ist das je nach Situation unterschiedlich - manchmal bleibt es auch bloß bei einem hastigen "Kifek?" (Wie geht's?). Als eines meiner ersten Worte habe ich das durch den ständigen Gebrauch um mich herum gelernt und war ganz überrascht, als mir ein Kollege irgendwann eröffnete, dass Kifek ur-palästinensische Redensart ist. Die Jordanier*innen haben ursprünglich wohl eher "Schu lonek?" (wörtl.: Was ist deine Farbe?) benutzt, aber durch die vielen Palästinenser*innen in Jordanien ist Kifek inzwischen die scheinbar häufigere Frage.

الحمدلله
"Al-Hamdullillah" - Gepriesen / Dank sei Gott..
ist eine gängige Antwort auf die Fragen von oben. So nach dem Motto: Wie geht es dir? - Gut, Gott sei dank dafür! Aber auch wenn man sich über etwas freut, erleichtert oder dankbar ist, ist diese Formel angebracht. Hat man etwas verloren Geglaubtes wieder gefunden, ist gesund geworden oder hat gerade noch den Bus erwischt, sagt man dafür "Al-hamdullillah!". Auch in ernsteren Lagen weist diese Redewendung darauf hin, wem für einen guten Ausgang zu danken ist. In diesem Zusammenhang habe ich zum Beispiel schon öfters "Al-Hamdullillah" gehört, wenn es darum ging, dass in Jordanien kein Krieg herrscht. Inzwischen ist das definitiv eines mein Lieblingswort geworden! :)

ان شاء الله "
In Schah° Allah" - So Gott will
Sobald eine Aussage sich der Zukunft zuwendet, passt ein Inscha°allah eigentlich immer dazu: Wann ist nochmal die Abschlussfeier? - Am 15ten, Inschah°allah! Alles, was über das Jetzt hinausgeht, wird so in Gottes Hände gelegt. Allerdings kann diese Ungewissheit auch oft als Ausflucht vor einer definitiven Antwort genutzt werden. Mit einem "Inschah°Allah" lässt sich eine Frage locker abschütteln, ohne explizit ja oder nein sagen zu müssen. Lädt mich ein Fremder zu sich nach Hause ein und ich bin mir nicht sicher, ob ich das möchte, lautet die Antwort einfach: Besuch mich doch mal - Inschah°allah!

صباح الخير – صباح النور – صباح الورد – صباح الفل و يسمين

"Subahh al-Cheir - Subah al-Nour - Subah al-Ward - Subah al-Foll wi jasmiin" - Wünsche für einen guten Morgen:
Einen Morgen des Guten, des Lichts, der Rosen und des Jasmins kann man sich auf Arabisch wünschen. Wenn ich zur Arbeit ins Büro komme und die Mitarbeiter*innen zum ersten Mal an diesem Tag sehe, dann tauschen wir immer solche Grußformeln aus - gefolgt von den obigen Nachfragen nach dem Wohlbefinden. Dabei gilt: je näher man sich kennt und befreundet ist, desto blumiger wird der Morgenswunsch. Ein insgesamt wunderschönes Ritual wie ich finde, es bringt mich immer wieder zum Lächeln, wenn mich jemand voller Enthusiasmus anstrahlt und mir einen Morgen des Jasmins wünscht.

صحة – على قلبك

"Sahha - Aala Albik" - Gesundheit - Zu deinem Herzen.. ...wünscht man sich zum Essen. Wenn wir im Internat mit den Mädels beim Mittagstisch sitzen und eines der Kinder fertig ist und aufsteht um den Teller zu spülen, ruft sie ein "Sahha" in die Runde und aus Respekt oft noch eines an die Erzieherin direkt. Aber auch der Gemüsehändler sagt mir das schon einmal im Vorhinein, wenn ich mich bei ihm mit Pfirsichen für die nächsten zwei Wochen eingedeckt habe. Als Antwort sendet man den Gesundheitswunsch wieder zurück an den Geber: "zu deinem Herzen".

Noch sooo viele mehr solcher Sprüche gibt es! Das war eine kleine Auswahl der Sprüche, die ich aufschnappen und verstehen konnte und nur ein klitzekleiner Bruchteil aller Höflichkeitsworte im Arabischen. Manchmal kommt mir diese Sprache wie eine Schatzkiste vor, aus der jeder, egal ob arm oder reich, sich reichlich bedienen und andere damit beschenken kann. Klar, ein bisschen kitschig ist das Ganze vielleicht auch, Kitsch scheint mir insgesamt hier ein bisschen beliebter als in Deutschland. Aber es ist doch immer wieder schön, wenn man sich gegenseitig Gutes wünschen und vor allem auch als Ausländer an diesem Tanz der Höflichkeiten ein bisschen teilhaben kann.

Von daher wünsche ich eine friedliche und gesegnete Sommerzeit des Jasmins, Lisa Luka :)

P.S.: Wie oben beschreiben kommt hier noch ein kleiner Auszug aus einem Buch einer palästinensisch-US-amerikanischen Autorin. Es geht darin um ein palästinensisches Familien-Schicksal und die später nach Amerika emigrierte Tochter. Sie beschreibt hier ihre Ankunft bei einer Gastfamilie in den USA und wie sie das einfache Wort "Danke" als zu wenig erachtet. Denn im Arabischen gibt es eine ganze Fülle an Danksagungen... "

"Danke" entgegnete ich. Ich war unsicher, wie die korrekte amerikanische Erwiderung auf ihren Enthusiasmus auszusehen hatte. In der arabischen Welt bildet die Dankbarkeit eine eigene Sprache. "Möge Gott die Hände segnen, die mir dieses Geschenk überreichen"; "Die Schönheit liegt in deinen Augen, die mich hübsch finden"; "Möge Gott dein Leben verlängern"; "Möge Gott immer deine Gebete erhören"; "Möge die nächste Mahlzeit, die du für uns zubereitest, zur Feier der Hochzeit deines Sohns/des Schulabschlusses deiner Tochter/ der Genesung deiner Mutter genossen werden" und so weiter, eine unendliche Kette von gebetsähnlichen Komplimenten. In dieser Kultur war ich aufgewachsen, daher hielt ich ein einfaches "Danke" für einen ungenügenden Ausdruck, der meine Stimme kleinlich und undankbar klingen ließ."

[Abulhawa, Susan. Während die Welt schlief. 31. Auflage. München: Diana Verlag, 2013. S.226]

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Ma Scha° Allah - hier bittet der Ladenbesitzer im Schriftzug über der Tür um Gottes Schutz und bezeugt dahinter gleich "es gibt keine Stärke außer in Gott" (Foto:EMS/Kollert)
Ma Scha° Allah - hier bittet der Ladenbesitzer im Schriftzug über der Tür um Gottes Schutz und bezeugt dahinter gleich "es gibt keine Stärke außer in Gott" (Foto:EMS/Kollert)
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Zwei meiner engsten Kolleginnen und ich - wir begrüßen uns immer mit blumigen Wünschen (Foto:EMS/Kollert)
Zwei meiner engsten Kolleginnen und ich - wir begrüßen uns immer mit blumigen Wünschen (Foto:EMS/Kollert