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Familie 6 während Ramadan (Foto: EMS/Schnotz)
Familie 6 während Ramadan (Foto: EMS/Schnotz)
02. April 2023

Eine Erzieherin erzählt...

Benedikt

Benedikt

Jordanien
Internat
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Lang hab ich mich nicht mehr gemeldet und viel ist passiert in der Zwischenzeit. Heute erzähle ich euch mehr von der Erzieherin der "family 6" der Theodor-Schneller Schule: Avreana Abudayyh. In ihrer Wohngruppe, "family" in der ich mithelfe leben Jungs im Alter von zehn bis dreizehn. Im Moment sind viele Kinder zuhause bei ihren Familien und leben nicht im Internat, um Ramadan mit ihren Familien zu feiern. Letzte Woche habe ich mit ihr ein Interview gemacht und ihr Fragen zu ihrem Leben, der Schule und Jordanien gestellt. Wir reden miteinander Arabisch und ich habe ihre Antworten auf Deutsch notiert. Wegen meinem noch lange nicht perfektem Arabisch kann ich hier nicht immer Avreanas Wortlaut genau wiedergeben aber ich habe mich bemüht alles so exakt wie möglich darzustellen.

Avreana ist 29 Jahre alt und kommt aus Salt, einer romantischen, alten Stadt westlich von Amman, die bekannt ist für etliche alte Gebäude und verwinkelte Treppen, die die drei Hügel der Altstadt verbinden. Ihre Familie kommt ursprünglich aus Palästina. Sie ist griechisch orthodox und geht regelmäßig freitags in die Saint Georgés Kirche, eine kleine, gemütliche und einzigartige Kapelle, da sie in einer Höhle gebaut wurde. Gottesdienste an Freitagen und Samstagen sind relativ normal in Jordanien, da Sonntag für viele Arbeitstag ist. 

Sie ist das letzte von sechs Kindern, von denen zwei bereits selbst Kinder haben und lebt mit ihrer Familie in Salt, was in Jordanien in dem Alter durchaus üblich ist. Ihre Kindheit und besonders die Schule und das Leben mit ihrer Familie, sagt sie habe sie sehr genossen.

Was war dein Berufswunsch als Kind?

Als Kind habe ich nie drüber nachgedacht was ich einmal studieren will. Ich war gut in Mathe und wollte vielleicht etwas mit Mathe arbeiten. Später hab ich mich für soziale Fächer interessiert und schließlich Soziologie studiert, an der "University of Jordan" in Amman.

Was hast du nach deinem Studium gemacht?

Ich habe für zwei Jahre in Jerusalem gelebt und in einer katholischen Schule gearbeitet. Es war eine sehr schöne Zeit. Palästina ist ein wunderschönes Land und die Kirchen sind schöner als in Jordanien. (Weiter kommentiert sie die Spannung und die Konflikte in Jerusalem im Rahmen des Nahost Konflikts) Aber ich mochte die Menschen dort nicht wirklich. Sie denken nicht genug.

Und dann habe ich über einen Anruf eines Bekannten mitbekommen, dass an der Theodor-Schneller Schule eine Erzieherin gesucht wurde und habe dann 2020 angefangen hier im Internat zu arbeiten.

Was magst du am meisten an deiner Arbeit in dem Internat?

(Ohne zu Zögern) Die Kinder. (Wir beide lachen) Die Kinder kommen hier in das Internat, haben vielleicht Probleme zuhause oder in der Schule, aber hier können sie das vergessen und können einfach Kinder sein, Spaß haben, spielen und lernen.

Was ich noch an der Schule mag ist die Arbeit mit Menschen. Ich arbeite lieber mit Menschen als mit Geld. Außerdem liebe ich es, die Kinder aufwachsen und lernen zu sehen und selbst an der Arbeit zu wachsen und von den Kindern zu lernen.

Du bist Teil einer Minderheit hier in Jordanien. Wie ist dein Leben als Christin in einem muslimischen Land?

Schwer! Schon als Kind musste ich mit vielen Vorurteilen leben, dass meine Religion falsch ist. Das sind sehr arrogante Leute, die nichts über das Christentum und seine Traditionen und Werte wissen und auch nicht lernen wollen.

(Sie erzählt mir, dass in extremen Fällen diese Arroganz auch zu Gewalt führen kann, dass in Amman einmal ein über der Straße aufgehängtes Plakat, auf dem ein Bibelvers geschrieben war von Leuten abgerissen wurde. Später wurde es aber wieder aufgehängt erzählt sie und begründet dies mit den Worten: "Denn es stand nichts Falsches auf dem Plakat".)

An Feiertagen steht manchmal die Polizei an den Türen der Kirchen um für Sicherheit zu sorgen. In Ägypten gibts es auch Kirchen in die die Mitglieder nur hineingehen können, wenn sie ein Kreuz Tattoo auf ihrem Daumen vorzeigen. Wenn man miteinander reden würde wäre das alles nicht nötig.

(Ich finde es bewegend was Avreana mir erzählt und meine wir können davon sehr viel lernen in Deutschland. Dort sind Muslim*innen die Minderheit und erfahren auch Diskrimminierung und Gewalt. Wenn wir aber miteinander reden und voneinander lernen können, kann diese Angst vor dem Unbekannten schwinden.)

An der Theodor-Schneller Schule leben muslimische und christliche Kinder zusammen. Wie erlebst du das Miteinander im Internat?

Manchmal gibt es Probleme und Kinder wollen nicht miteinander reden, aber sie sind eigentlich alle gleich. Alle beten zu Gott und leben hier zusammen. (Hier, wenn Avreana von Gott redet, sagt sie das Wort ربنا also "Unser Herr" und benutzt damit einen Begriff, der von beiden, muslimischen und christlichen Menschen benutzt wird und lässt verstehen, dass wir alle, die wir auf der Erde leben von dem gleichen Gott kommen. Bei "ihren Kindern" gibt es oft religiöse Diskussionen und oft werden Fragen gestellt, die in etwa so anfangen: "Miss Avreana? Ich habe ein Video gesehen, da waren Menschen, die waren christlich, und haben … gemacht" Dazu sagt sie: )

Die Kinder sind sehr neugierig und fragen mich immer viele Sachen. Ihnen kann ich von Jesus und und dem Christentum erzählen und erklären was es bedeutet christlich zu sein. Sonst würden sie davon nirgendwo lernen.

(Am 22. März hat der heilige, muslimische Monat Ramadan angefangen. Die Kinder in unserer Gruppe fasten fast alle. Ich frage Avreana wie der Monat für sie ist:)

Für mich ist er einfach, für die Kinder ist er schwierig. Aber das ist ihnen auch egal, sie mögen es hier mit ihren Freunden zusammen Ramadan zu feiern.

Gibt es etwas was du den Menschen in Deutschland gerne über Jordanien erzählen würdest?

Es ist ein schönes Leben hier in Jordanien und es ist schön die Menschen kennenzulernen. Außerdem hat Jordanien eine interessante Geschichte, die es sich lohnt anzuschauen und darüber zu lernen. Unser Land ist sehr schön, besonders Petra und  Wadi Rum.

(Ich erzähle ihr, dass ich vor meinem Abflug oft gefragt wurde ob es nicht gefährlich sei in Jordanien zu leben und dass ich vorsichtig sein solle. Sie lacht darüber.)

Nein, Jordanien ist nicht gefährlich.

 

Es hat mir viel Spaß bereitet dieses Interview zu machen und euch so eine Person aus Jordanien näher zu bringen und auch selber mehr von dem Land und dem Leben als Christin in Jordanien zu erfahren. Ich genieße jeden Tag hier, seien es die Ausflüge aber auch der Alltag in dem Internat und ich freu mich auf die nächsten Monate und Wochen und besonders auf Ostern um zu erleben, wie man hier die Auferstehung Jesus feiert.

 Bald melde ich mich wieder um euch noch mehr aus meinem Leben hier zu berichten.

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Kinder aus family 6 (Foto: EMS/Schnotz)
Kinder aus family 6 (Foto: EMS/Schnotz)
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Ich mit den Kindern (Foto: EMS/Feick)
Ich mit den Kindern (Foto: EMS/Feick)

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