Weltweit erlebt
ÖFP

Weltweit erlebt

10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

info_outline
Ein Gruppenbild, das bei unserem Ausflug entstand (Foto: Ems/Erstling)
22. Mai 2020

Alles vorbei...?

Valérie

Valérie

Indien
unterstützt ein Mädchenheim
zur Übersichtsseite

Ich bin jetzt zwei Monate wieder zuhause und es fühlt sich komisch an.

Ich wollte trotzdem einen Blogbeitrag schreiben; über den plötzlichen Abschied, das Wiederankommen und über das Gefühl sechs Monate in Kannur verbracht zu haben.

Am 16. März bekamen wir Indien-Freiwillige den Anruf, dass wir wegen des Corona-Virus zurück nach Deutschland müssen, weil unklar ist, wie sich Alles entwickeln wird und unsere Sicherheit gewährleistet werden soll. Von da an ging alles sehr schnell, die Sachen wurden gepackt, der Zug gebucht und ich musste mich von Allen verabschieden. Es hat sich am Anfang gar nicht real angefühlt. Doch nachdem meine Warden ein Gebet für den Nachhauseweg gesprochen hatte, winkten mir die Kinder schon zum Abschied. Ich saß in der Rikscha auf dem Weg zum Bahnhof, dann im Zug auf dem Weg nach Chennai, der Stadt, aus der wir wieder zurückfliegen sollten. Es war eine unangenehme Zugfahrt.

Es lag noch soviel vor mir. Und ich hatte gerade erst den Ort verlassen, den ich sechs Monate mein Zuhause genannt hatte. In Chennai traf ich die anderen Indien-Freiwilligen. Ich war erleichtert nicht mehr alleine zu sein und ich fühlte mich sicher; wir waren im Compound der CSI untergebracht. Einen Tag verbrachte ich dort, dann fuhren wir zum Flughafen und stiegen in unseren ersten Flieger, der uns nach Dubai brachte. Nach einigen Stunden Aufenthalt nahmen wir den nächsten Flieger nach Deutschland, nach Hause.

Jetzt bin ich schon zwei Monate wieder hier. Ich glaube an diese paar Tage werde ich mich immer erinnern. Was mir am Anfang hier sehr komisch vorkam, war, dass sich die Zeit in Indien plötzlich wie ein Traum angefühlt hat. Als wäre alles gar nicht in sechs Monaten, sondern in wenigen Tagen passiert. Ich habe plötzlich Dinge vergessen, die ich nicht vergessen wollte. Es hat sich so angefühlt, als wollte mein Unterbewusstsein die Zeit verdrängen. Es gab mir das Gefühl nie richtig dagewesen zu sein. Obwohl ich es war. Ich tue mir schwer, mich an alles zu erinnern. Aber ich werde die Menschen, die mich begleitet haben, die Orte, die ich gesehen oder gezeigt bekommen habe, die Einflüsse, die mich prägten nie vergessen. Es waren Monate, die nicht einfach so an mir vorbeitgegangen sind. Es war gut, dass ich dort war und ich habe viele Erfahrungen gesammelt, die ich ohne diese Zeit niemals hätte. Ich habe neue Freundschaften geschlossen. Ich habe eine neue Sprache gehört und versucht sie zu lernen. Ich war in einem neuen kulturellen Umfeld. Und vor allem habe ich gelernt.

Ich habe gelernt, dass ich zu wenig weiß, um von 'Indien' zu erzählen. Gelernt, wie verschieden Menschen und Kulturen sind. Gelernt, dass es einfacher ist hier zu bleiben, aber ich gewachsen bin durch diese Zeit. Und gelernt mich mit Dingen auseinanderzusetzen, die viel zu oft verschwiegen werden. Meine schlechten Angewohnheiten wieder zu verlernen. Denn viel zu oft denken wir, dass das was wir kennen und das mit dem wir aufgewachsen sind so richtig ist und stimmt. Neue Perspektiven und vor allem die Auseinandersetzung und das aufeinander hören hat mich sehr viel weitergebracht, auch wenn ich immer noch am Anfang bin über strukturellen Rassismus und so viel Weiteres zu lernen.

Ich bin sehr dankbar, für das, was ich erleben durfte. Es war nicht immer einfach, aber es hat mir so viel gezeigt. Ich hoffe, dass ich Alles, was ich gelernt habe irgendwie mitnehmen kann.

Liebe Grüße an alle,
Valerie

info_outline
An unserem Ausflugstag besuchten wir den Vismaya Waterthemepark (Foto: EMS/Erstling)