Weltweit erlebt
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Weltweit erlebt

10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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"Meine" College-Mädels und ich im Sari letzte Woche beim Erntedank-Fest in der Kirche. Mittlerweile sind sie gute Freundinnen von mir geworden. (Foto: EMS/Schmid)
"Meine" College-Mädels und ich im Sari letzte Woche beim Erntedank-Fest in der Kirche. Mittlerweile sind sie gute Freundinnen von mir geworden. (Foto: EMS/Schmid)
12. Februar 2019

Halftime and Daily Challenges

Nathalie

Nathalie

Indien
unterstützt ein Mädchenheim
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Tag 165

Das Zwischenseminar ist vorüber und somit hat offiziell die zweite Hälfte meines Freiwilligendienstes begonnen!
Das Seminar fand in Hyderabad (die Hauptstadt von Telangana) statt und wir hatten sechs Tage Zeit, uns über unsere Erfahrungen und Erlebnissen der letzten Monate auszutauschen. Kathrin, die Verantwortliche für alle EMS-Freiwillige, kam für uns nach Indien und hat das Seminar geleitet. Zudem hatten wir auch noch vier Freiwillige von anderen Organisationen dabei. In Form eines Flusses, oder in meinem Fall als Weg, haben wir die letzten Monate bildhaft reflektiert. Jeder hatte Zeit, seinen eigenen Fluss bzw. Weg der Erfahrungen mit den anderen zu teilen. Ich fand es gut, sich so intensiv über die positiven, wie auch negativen Erlebnisse auszutauschen. So gab es die Möglichkeit, von den anderen Mitfreiwilligen einen neuen Impuls zu bekommen oder eine neue Herangehensweise an ein Problem. Alle haben sich auch kleine Ziele für die kommende Zeit gesetzt. Auch wenn er noch so weit weg ist, haben wir uns dennoch mit dem Thema Abschied befasst. Da die Zeit hier für mich unglaublich schnell vergeht, wird der Abschied bestimmt schneller kommen als gedacht.

Ich habe die Zeit mit meinen Mitfreiwilligen ziemlich genossen. Oftmals saßen wir abends noch alle zusammen, redeten weiter, erzählten über Erlebtes und unsere Erfahrungen, spielten Spiele und waren auch mal beim Bowlen.

In diesem Blogeintrag soll es aber nicht nur um mein Zwischenseminar gehen, sondern auch um meine täglichen Herausforderungen. Seit ich im September in Indien gelandet bin, werde ich jeden Tag mit unterschiedlichen Dingen konfrontiert.

1. Tiere

In einem vorherigen Blogeintrag habe ich bereits über die Affen erzählt (die mich besuchen, wenn ich die Türe nicht richtig schließe…)  Ameisen begegne ich auch täglich und oftmals laufen sie quer durch mein Zimmer. Vor allem wenn ich Kekse nasche, scheinen sie es schon zu riechen und kommen vorbei.  Auch in meinem Badezimmer gehen sie gerne spazieren oder auch Käfer verlaufen sich öfters mal. Geckos, die an den Wänden und Decken entlang laufen, stören mich hingegen weniger. Denn sie fressen die lästigen Moskitos, von denen es zurzeit wieder besonders viele in Nandyal gibt. Wenn ich meine Zimmertüre öffne, stehe ich direkt in unserem Innenhof. Somit haben es die kleinen Tierchen ziemlich einfach, in mein Zimmer zu kommen. Dadurch kehre ich mein Zimmer mittlerweile fast täglich. Außerdem habe ich hier kein richtiges Fenster,  wie man es in Deutschland kennt, sondern nur ein Fliegengitter, Gitterstäbe und Klappläden links und rechts. Somit staubt es hier ziemlich schnell ein. Die eine oder andere Spinne läuft mir auch mal über den Weg. 

2. Duschen/Waschen

Viele wissen wahrscheinlich, dass ich mich nicht am Abend einfach unter eine Dusche stelle, sondern mit einem Eimer Wasser und einer Schöpfkelle dusche. Ich habe auch kein fließend Wasser. Hört sich jetzt wahrscheinlich für viele unvorstellbar an, ist aber gut machbar. Es gibt bestimmte Zeiten, an denen es Wasser gibt. Somit fülle ich all meine Eimer, wenn es Wasser gibt. Wenn ich es aber mal vergesse oder von einer Reise zurückkomme, kann ich immer nach Wasser fragen. Also alles halb so schlimm :). Aus der Leitung kommt immer kaltes Wasser und da es abends noch abkühlt, mache ich mir jeden Abend warmes Wasser mit meinem Tauchsieder. Wenn Zwischendurch noch Stromausfall ist, dauert das ganze natürlich länger…

Meine Wäsche wasche ich immer von Hand, denn eine Waschmaschine gibt es nicht. Im Hinterhof befinden sich unsere Waschsteine, auf denen ich meine Wäsche wasche. Oftmals wasche ich mit ein paar Mädels zusammen, so kann man nebenher reden und es macht gleich viel mehr Spaß. Zugegeben habe ich eine Waschmaschine bisher auch nicht wirklich vermisst.

3. Müll

Müll ist in meinen Augen ein großes Problem in Indien. Bis jetzt habe ich nur selten einen Mülleimer oder ähnliches gesehen und wenn, werden sie auch nur selten genutzt (siehe Foto). In Großstädten wie Bangalore oder Hyderabad gibt es diese vermehrt und auch eine Müllabfuhr. Wenn ich in Nandyal unterwegs bin und Müll produziere, finde ich meist keine Mülleimer. Wenn ich ihn nicht mit in mein Zimmer nehme, landet er auf dem Boden. Irgendwann ist aber auch mein Mülleimer voll und er wird hinter dem Hostel, hinter einer Mauer entsorgt und verbrannt. Mülltrennung gibt es hier nicht. Ich kann oft meine Mädels beobachten, wie sie eine leere Kekspackung einfach auf den Boden werfen. Am Abend wird der Hof gekehrt und somit landet die Kekspackung auch auf dem Müllberg, hinter dem Hostel. Somit sehen sie auch keinen Sinn darin, ihren Müll gleich zu entsorgen.

Egal wo ich unterwegs bin, Müll findet man fast überall. Liegt wohl auch daran, dass sehr viel einzeln in Plastik eingepackt wird oder man immer eine Tüte bekommt.

4. Sprache

Auch wenn ich mittlerweile schon fast ein halbes Jahr in Nandyal lebe, fühle ich mich oft ausgeschlossen, weil ich meine Mitmenschen nicht verstehe. Auch wenn ich mit Bhagya oder Solomon (Ansprechpartner und Leiter des Boys-Hostel) im Office sitze, reden sie viel auf Telugu und somit fühle ich mich ausgeschlossen. Klar bin ich dabei Telugu zu lernen,  kann auch ein wenig Smalltalk und verstehe das ein oder andere Wort in einer Konversation. Ich war noch nie gut in Sprachen und Telugu ist für mich ziemlich schwer zu erlernen. Wenn ich in der Kirche bin, bei Functions (große Feiern) eingeladen oder alleine unterwegs bin, steht mir die Sprache oftmals im Weg. Mittlerweile verstehe ich schon einiges mehr, wie am Anfang, dennoch stört es mich.

Auch wenn ich mich mit meinen Mädels (vor allem mit den jüngeren) stellenweise kaum verständigen kann oder nur mit sehr gebrochenem Englisch, haben wir viel Spaß zusammen. Denn gemeinsam lachen und rumalbern funktioniert auch ohne gemeinsame Sprache!

5. Sonderstellung/Hautfarbe

In Deutschland habe ich mir nie Gedanken über meine Hautfarbe gemacht. Doch hier werde ich als etwas Besseres oder auch Besonderes gesehen, weil ich weiß bin. In meinen ersten Tagen auf indischem Boden ist mir eins gleich Aufgefallen: alle Plakate, Werbespots oder auch Serien, die ich bisher gesehen habe, sind mit weißen Menschen.

Egal ob ich in Nandyal oder einer Großstadt unterwegs bin, meist werde ich nach Bildern gefragt. Ich werde oftmals gebeten, ein Foto oder ein Selfie mit fremden Menschen zu machen. Irgendwann wird es aber dann auch nervig und man fühlt sich wie eine Attraktion. Hinzu kommt das auch eine große Menge Geld, die mit sogenannten „Whitening“ Produkten gemacht wird. Ob die ´bleaching´ Cremes wirklich etwas bringen, ist dahin gestellt. Einige meiner Mädels fragen mich auch immer wieder, ob sie denn etwas von meiner Creme bekommen, damit sie auch so hell werden wie ich. Wenn ich ihnen dann aber sage, dass ich nicht durch Cremes weiß bin, wirken sie stellenweise enttäuscht oder traurig.

Meine Mädels achten auch penibel darauf, dass ich nicht zu lange in der Sonne bin. Denn dadurch verliere ich ja meinen ´Glow´ und werde so wie sie.

Auch wenn ich mit Bhagya auf Functions bin, muss ich mich nicht wie alle in einer Reihe anstellen, sondern bekomme oftmals gleich mein Essen, weil ich weiß bin und dadurch als etwas Besseres angesehen werde. Wenn besondere oder angesehene Personen zu Besuch sind, oder Feste gefeiert werden, muss ich immer mit auf ein gemeinsames Foto. Auf meine Nachfrage hin, wurde mir gesagt, dass es etwas Besonderes ist, mit einem Weißen ein Foto zu haben.

 

Dies sind nur kleine Ausschnitte von meinen täglichen Herausforderungen und ihren Besonderheiten. Kein Tag ist gleich wie der andere. Themen wie Müll oder die Sache mit der Hautfarbe sind unendlich und daher kann ich nur berichten, was ich bisher erlebt und gesehen habe.

Bis zum nächsten Mal

Eure Nathalie

 

P.S. In den nächsten Tagen kommen mich meine Eltern hier in Nandyal besuchen! Ich freu mich schon sehr, ihnen mein indisches Leben zeigen zu können. Meine Mädchen fragen mich nahezu täglich, wann sie den endlich kommen. Gemeinsam verbringen wir vier Tage in meiner Einsatzstelle und anschließend reisen wir nach Chennai, um dort noch ein paar Urlaubstage zu verbringen.

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Alle Indien-Freiwilligen beim Zwischenseminar (Foto: EMS/Schmid)
Alle Indien-Freiwilligen beim Zwischenseminar (Foto: EMS/Schmid)
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Dieses Bild habe ich in meinen ersten Tagen auf indischem Boden in Bangalore aufgenommen. Man erkennt Unmengen von Müll, vor einem Mülleimer. Eine Kuh mitten in der Stadt ist auch nicht selten. Sie sucht im Müll nach Essen. (Foto: EMS/Schmid)
Dieses Bild habe ich in meinen ersten Tagen auf indischem Boden in Bangalore aufgenommen. Man erkennt Unmengen von Müll, vor einem Mülleimer. Eine Kuh mitten in der Stadt ist auch nicht selten. Sie sucht im Müll nach Essen. (Foto: EMS/Schmid)