Weltweit erlebt
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14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Eine Wahlstation in Mamfe- in einer der weißen Kabinen wählte man den Präsidenten, in der anderen das Parlament. (Foto: EMS/Frey)
Ort der Wahlen
18. Dezember 2016

Es lebe die Demokratie!

Hanna

Hanna

Ghana
arbeitet in einer Berufsschule mit
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Schon im September, als wir in Ghana ankamen, sahen wir am Straßenrand Wahlplakate aushängen und im Laufe der Zeit begegnete ich immer wieder Menschen, die Werbe T-Shirts von ihrer Partei oder ihrem favorisierten Präsidentschaftskandidaten trugen. Letzte Woche wurde in Ghana ein neuer Präsident und ein neues Parlament gewählt. Es gibt mehrere Parteien, die sich zur Wahl gestellt haben, doch die beiden Parteien mit der höchsten Erfolgschance waren die NDC und NPP.

In meiner Umgebung und auch generell in der Ashanti-Region waren die Menschen eher für den Kandidaten der NPP- stärkste Oppositionspartei zur NDC, der zurzeit regierenden Partei mit dem Präsidenten John Mahama. „We are suffering, it’s time for change“- diese Worte bekam ich oft zu hören, als ich mit den Leuten in meinem Umfeld über die bevorstehenden Wahlen redete. Viele Leute sind unzufrieden mit der derzeitigen Situation: Die Schulgebühren, die Wirtschaftslage mit hoher Jugendarbeitslosigkeit und hoher Inflationsrate, den Stromausfällen und der nicht wirklich gut funktionierenden Krankenversicherung. So erhoffen sich viele durch einen Wechsel Besserung. Ein paar sagten aber auch, sie gehen nicht wählen, da sich sowieso nicht viel ändern wird ihrer Meinung nach.

Allgemein kann ich aber sagen, dass die Menschen sehr wenig Vertrauen in die Politiker haben. Sie werfen ihnen zum Beispiel Korruption und falschen Umgang mit den Staatsgeldern vor. Ob das stimmt, ist zwar eine andere Sache, doch ich denke, es ist wichtig, dass die Bevölkerung in ihre Regierung vertraut! Ich habe beobachtet, dass es oft Gerüchte oder Halbwissen gibt- dies zieht sich von medizinischen Fragen bis hin zur Politik. So ändern sich die „Fakten“ über Mahamas Amtszeit und seine Politik, je nachdem, auf welcher Seite die Person steht, mit der ich rede. Als ich nach verlässlichen Quellen suchte und im Oktober in den deutschen Medien nach Artikeln zur Wahl schaute, fand ich überhaupt nichts. Die letzten Einträge über die Wahlen in Ghana waren Berichte von 2012 (Seit kurzem gibt es aber nun auch in den deutschen Nachrichten Meldungen über die ghanaischen Wahlen). Für mich war es ziemlich krass, dass Ghana einen so geringen Stellenwert in den deutschen Medien hat.

Einmal kam die Parlamentskandidatin der NPP hier dem Distrikt ins Ramseyer zu Besuch, um für die NPP zu werben. Ich war erstaunt, dass das hier wohl kein Problem ist. Denn eigentlich sollten Bildungseinrichtungen ja politisch objektiv sein. Viele SchülerInnen jubelten, als die Kandidatin eine kleine Rede hielt und darin die jetzigen Umstände kritisierte und Stimmung für die NPP machte. Der Wahltag war nicht arbeitsfrei, doch man spürte den Ausnahmezustand deutlich. Am Morgen des Wahltages war ich mit meinen Gasteltern in ihrer früheren Heimatstadt Mamfe, die dort ihre Stimme abgaben. Die Wahlstationen waren im Freien, was eigentlich klar war. Doch ich war irgendwie überrascht, dass die Wahlkabinen einfach so auf der Wiese neben den Straßen standen und die Wahlboxen gar nicht geschützt waren. Außer einer Warteschlange gab es bei der Wahlstation nicht viel zu sehen, die Atmosphäre war sehr friedlich, ich habe nichts von Unruhen mitbekommen. Alle um mich herum waren darum bemüht, dass alles glatt läuft und keine Streitereien entstehen. Jedoch war ich nicht bei den großen Stationen, also kann ich nicht sagen, wie es dort abgelaufen ist.

Es war eine feierliche Stimmung in der Luft, und als mein Gastvater nach seiner Stimmabgabe mit einem in lila Tinte getauchten Finger auf mich zukam und anstrahlte (man wählt hier mit seinem Fingerabdruck), war ich froh, diesem Fest der gelebten Demokratie beiwohnen zu dürfen! Die Ghanaer erscheinen mir sehr stolz darüber, dass das Land schon seit vielen Jahren eine funktionierende Demokratie ist. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass man die Möglichkeit hat, für sein Land mitzubestimmen. Auf der Fahrt zurück nach Kumasi sah ich bei manchen Stationen extrem lange Schlangen. Außerdem wurde im Fernsehen von Fällen berichtet, bei denen die Betroffenen nicht im Wahlregister standen und somit nicht wählen durften. Im Großen und Ganzen waren die auftretenden Probleme jedoch wohl recht überschaubar.

Auf dem Campus des Ramseyer gab es auch eine Wahlstation. Nachdem das Wahllokal dann geschlossen hatte, konnte ich zusammen mit vielen Anderen das Auszählen der Stimmen beobachten, was in aller Öffentlichkeit gemacht wurde, um die Wahl transparent zu gestalten. Die Wahlbeamte sortierten zuerst die Stimmzettel je nach Partei, die gewählt wurde, und zählten die Zettel dann einzeln, und hielten sie jedes Mal hoch, damit alle es sehen konnten. Abends lief bei der Gastfamilie die ganze Zeit das Radio, durch welches die Ergebniszahlen der einzelnen Wahllokale vom ganzen Land verkündet wurden. Am Anfang schrieb einer meiner Gastbrüder die Zahlen der NPP und NDC noch mit und der andere jubelte jedes Mal, wenn die NPP mehr Stimmen gewonnen hatte als die NDC. Doch nach einer Weile flachte die Spannung ab, denn die endgültigen Ergebnisse waren erst zwei Tage nach der Wahl zu erwarten.

Schon nach einem Tag wurde die Tendenz immer klarer, dass der Kandidat der NPP das Rennen machen würde. Und tatsächlich: Am Freitagabend verkündete die Beauftragte der Wahlkommission Nana Akufo Addo (NPP Kandidat) als zukünftigen Präsidenten. Ich hörte Autokorsos hupend durch die Straßen fahren, und einige der Schüler, die hier auf dem Campus wohnen, tanzten begleitet von Trommeln über das Gelände und feierten ausgelassen. Die nächsten Tage kam mir die allgemeine Stimmung sehr locker und erleichtert vor. Viele Menschen haben nun NPP- Armbänder an oder tragen ein Tuch mit dem Parteisymbol um den Kopf. Außerdem gibt es ein paar Lieder, die NPP feiern und John Mahama etwas verspotten. So ist der Name eines Lied „John Mahama - Onaapo“, was so viel heißt wie „John Mahama- you won’t get it“. Dieses Lied höre ich gerade sehr oft- ob im Lehrerzimmer, auf der Straße oder im Radio.

Ich bin sehr gespannt, wie lang diese Freudenwelle noch anhält und inwieweit Nana Akufo Addo seine Wahlversprechen einhalten kann! Ich hoffe, Ihr konntet etwas Interessantes aus dem Eintrag mitnehmen!   Viele Grüße aus Kumasi Yaa Akyaa Hanna  

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Plakataushänge über die Wahlen (Foto: EMS/Frey)
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Das Auszählen der Wahlstimmen auf dem Ramseyer- Gelände (Foto: EMS/Frey)