Weltweit erlebt
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14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Sonnenuntergang auf dem Ramseyer-Gelände (Foto: EMS/Frey)
19. Oktober 2016

Akwaaba- die ersten Wochen

Hanna

Hanna

Ghana
arbeitet in einer Berufsschule mit
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Umgeben von Menschen, die eine für mich etwas ungewohnte Art haben, Englisch zu sprechen

Seit mehr als einem Monat bin ich nun in Ghana - drei Wochen davon wohne ich schon in meiner Einsatzstelle. Ich habe mich schon recht gut eingewöhnt und freue mich immer wieder aufs Neue, die ghanaische Kultur jeden Tag ein bisschen besser kennenzulernen, zum Beispiel durch einen Besuch auf dem Markt, ein für mich bislang unbekanntes Gericht, eine Geschichte oder ein neues High- oder Hiplife-Lied.

Doch lasst mich von vorn beginnen:

Beladen mit schweren Koffern und Rucksäcken verließen vier staunende und etwas unsichere Gesichter den Flughafen Accras, gingen hinaus in die schwül warme Küstenluft Ghanas. Diese Kleingruppe bestand aus Felix, Federico, Chris und mir- den diesjährigen EMS-Freiwilligen für Ghana. Von zwei Mitarbeitern der PCG (Presbyterian Church of Ghana) wurden wir abgeholt und durch die dunkle Hauptstadt zu unserer ersten Unterkunft gefahren. Durch die offenen Autofenster wehte uns warme Nachtluft entgegen, zusammen mit den Autoabgasen und dem Geruch nach etwas Verbranntem, der mich hier nahezu überall hin begleitet. In Gedanken noch nicht ganz in Ghana angekommen, schaute ich fasziniert auf die vorbeiziehende Umgebung, die so fremdartig und neu war. Das Schaukeln des Autos verleitete meinen von der Reise müden Körper zum Dösen, alles schien unwirklich und gar nicht begreifbar. Doch anstatt aus einem Traum aufzuwachen und festzustellen, dass man sich zu Hause in Deutschland im eigenen Bett befindet, wachten wir am nächsten Morgen in einem Frauenzentrum der PCG in Accra auf, wo wir unsere erste Nacht übergangsweise verbracht hatten. Dort waren wir auf unsere indonesische Mitfreiwillige Yessica gestoßen, sie wird ein halbes Jahr in einem Hospital in Agogo sein. Nachdem wir uns dann im Headoffice der PCG vorgestellt hatten, ging es von Accra mit einem Kleinbus auf Weiterfahrt.

Die Straße führte uns aus der Großstadt hinaus, vorbei an etlichen Straßenverkäufern, die ihre Ware meistens auf dem Kopf tragen und damit an den Autoschlangen vorbeilaufen; an Plantagenpflanzen und wilden, naturbelassenen Gegenden. Durch kleine Dörfer, zwischen deren Häusern ich Menschen Fufu (das Nationalgericht) stampfen sah; vorbei an Kindern, die sich gerade wuschen. Eine stark gewundene Straße führte uns (im ersten Gang) hinauf in die Höhen Ghanas - zu einer Kleinstadt, deren Hauptstraße von vielen kleinen Ständen gesäumt ist, die alles Mögliche zum Verkauf anbieten. In dieser Kleinstadt - Abetifi - im Ramseyer Training Institute (welches ähnlich wie eine Jugendherberge aufgebaut ist), verbrachten wir die folgenden beiden Wochen.

Wir erhielten von unserem Teacher Yaw einen Sprachkurs in Twi (die im Süden Ghanas verbreitetste lokale Sprache) sowie eine theoretische Einführung in die ghanaische Kultur. Twi zu lernen war für mich anfangs nicht so einfach, da ich überhaupt keine Anhaltspunkte hatte, durch welche ich mir die Wörter merken konnten. Außerdem ist die Aussprache sehr entscheidend und stimmt oft nicht mit dem Geschriebenen überein. Doch durch viel praktische Übung lernt man es mit der Zeit immer besser! So gingen wir nachmittags immer in die Stadt, wo wir unsere neu erlernten Twi-Kenntnisse ausprobieren konnten - vor allem beim Grüßen und Einkaufen. Unser wohl am häufigsten gekauftes Gut waren Bofrots, ein leckerer Snack bestehend aus leicht gesüßtem Teig, der anschließend frittiert wird.

In der restlichen Zeit erkundeten wir die Gegend; spielten mit ein paar jungen Leuten Volleyball und Indiaka; lernten, aus Wasserbeuteln zu trinken und dabei möglichst wenig zu verschütten; schauten uns beeindruckende Sonnenuntergänge an und lernten uns vor allem untereinander besser kennen.

Doch am Ende dieser zwei entspannten Wochen war ich mehr als bereit, endlich zu meiner Einsatzstelle zu kommen:

Dem Ramseyer Vocational/ Technical Institute Kumasi!

Das Ramseyer ist wie eine Berufsschule mit praktischem Bereich. Die Schüler/innen lernen hier für vier Jahre und haben am Ende eine Ausbildung - zum Beispiel als Schneider/in oder Elektriker/in. Ich werde zwei Klassen in ICT (Computer) unterrichten und kann ansonsten in den verschiedenen Fachbereichen mithelfen. Da der Schulalltag nach den Sommerferien erst langsam eintritt, habe ich bis jetzt eine ruhige Eingewöhnungsphase, in der ich schon die Umgebung, viele Mitarbeiter/innen und ein paar Schüler/innen kennenlernen konnte.

Ich wohne hier in einem Gästehaus auf dem Gelände zusammen mit Godfred, einem junger Lehrer. Außerdem habe ich eine Gastfamilie, die direkt neben dem Gästehaus lebt und zu der ich immer gehen kann, wenn ich möchte. Die Familie besteht aus Papa, Mama Cynthia, meinen drei Gastbrüdern im Alter von 5, 13, 14 und meiner Gastschwester, die jedoch nur in den Ferien nach Hause kommt. Ich bin froh, hier für die nächsten Monate leben zu dürfen, da mir die Atmosphäre sehr gut gefällt! Außerdem habe ich durch sie schon viel von der Kultur gelernt. Was ich zum Beispiel schön finde, ist, dass man hier oft andere zu seinem eigenen Essen dazu einlädt und gemeinsam von einem Teller isst. Schon an einem der ersten Abende lud mich Godfred ein, und inzwischen mag ich es sehr, mir mit den anderen das Essen zu teilen, anstatt dass jeder seinen Besitzanspruch hegt. Ich wurde sogar schon von einer fremden Frau im Trotro (einem Kleinbus mit circa 12 Plätzen, der vom Prinzip so funktioniert wie Busse in Deutschland, nur ohne feste Abfahrtszeiten) zu ihrer roasted plantain (Kochbanane) mit Erdnüssen eingeladen!

Hier in Kumasi, der zweitgrößten Stadt Ghanas und gleichzeitig der Hauptstadt der Ashanti-Region, ist das Trotro eines der Hauptverkehrsmittel, das durch die belebten und teilweise unübersichtlichen Straßen fährt. Zuerst hat Kumasi aufgrund seiner Größe und Geschäftigkeit sehr einschüchternd auf mich gewirkt. Doch nach jedem Ausflug in die Stadt kann ich mich besser orientieren, was mir ein Gefühl von Sicherheit und einem Stückchen Heimat gibt. Aber auch, wenn ich einmal nicht weiß, wo das nächste Trotro in Richtung nach Hause abfährt, bin ich mir sicher, nicht verloren zu gehen. Es findet sich immer jemand, der mir zumindest die Richtung sagen kann, in die ich laufen muss, oder mich sogar zu einem Fahrzeug begleitet. Ich schätze die Hilfsbereitschaft und Herzlichkeit der Menschen hier sehr und hoffe, ein wenig von dieser Grundeinstellung in mir noch lang weiterzutragen!

Als letztes will ich das Thema Zeit ansprechen: Für mich vergeht die Zeit hier ganz anders als in Deutschland: Die meisten Dinge dauern einfach länger, deshalb bringt es nichts, sich abzuhetzen. Für ein kleines Gespräch mit jemandem, den man auf dem Weg trifft, ist immer Zeit. Natürlich ist das oft ziemlich entspannt, doch leider teilweise auch sehr unproduktiv und man kommt nicht richtig voran. Ich merke, wie ich mich immer mehr anpasse und die Dinge auf mich zukommen lasse.

Es gibt so viele Dinge zu berichten, doch genug für dieses Mal.

Ich hoffe, ich konnte euch einen Teil meiner Eindrücke vermitteln! Und bitte bedenkt, dass dies meine persönlichen Wahrnehmungen sind, und sicher nicht auf ganz Ghana übertragbar sind. Jeder hat ein anderes Verständnis von seiner Kultur und lebt sie dementsprechend anders. Also kann man nicht direkt eine Kultur kennenlernen, sondern nur die verschiedenen Menschen, die sie leben.

Liebe Grüße aus Kumasi

Yaa Akyaa Hanna

(Kurze Namenserklärung: In Ghana bekommt man je nach Wochentag, an dem man geboren wurde, einen Beinamen, so ist meiner „Yaa“. „Akyaa“ ist der Name einer Queenmother, er wurde mir von einem Lehrer als weiterer ghanaischer Namen gegeben)

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Das Gästehaus (Foto: EMS/Frey)
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Aus dem Trotro fotografiert (Foto: EMS/Frey)