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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Ibraheem im Gemeinschaftszelt während er eine Shisha raucht (Foto: ems/Schnotz)
Ibraheem im Gemeinschaftszelt während er eine Shisha raucht (Foto: ems/Schnotz)
29. April 2019

Interview mit Ibraheem: ein Beduine aus Wadi Rum

Lisa

Lisa

Jordanien
arbeitet in der Theodor-Schneller-Schule mit
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Ganz im Süden von Jordanien, an der Grenze zu Saudi-Arabien erstreckt sich die Fels- und Sandwüste Wadi Rum. Entstanden ist diese wohl vor über 30 Millionen Jahren und wegen ihrer vielen Quellen haben schon in prähistorischer Zeit viele Nomaden dort gelebt. Momentan leben im Dorf Wadi Rum mehrere Beduinen, die vor allem vom Tourismus in der Wüste leben. Als ich im November 2018 zum ersten Mal in der Wüste war, haben wir im Fire Camp von Ibraheem AlZalabee übernachtet und seitdem waren Felix, Lisa Luka und ich noch einige Mal da. Bei meinem letzten Besuch habe ich Ibraheem ein paar Fragen gestellt, die ich hier mit euch teilen will.

Ibraheem ist 1991 in Rum, dem Dorf der Wüste Wadi Rum geboren. Er hat insgesamt siebzehn Geschwister, zehn Brüder und sieben Schwestern, er ist der Mittlere. Sein ältester Bruder ist jetzt 48 Jahre alt, während der Jüngste erst acht ist. Ibraheems Vater hatte insgesamt drei Frauen, eine Zahl die für die Beduinen in Wadi Rum normal ist, wie Ibraheem mir versichert. Sein Vater habe Kamele gezüchtet und diese dann verkauft, daher habe er sich viele Kinder auch leisten können. Aufgewachsen ist Ibraheem mit seinen Geschwistern im Dorf und war nur in seinen Ferien für längere Zeit in der Wüste. Mit sechs Jahren kann er alleine ein Kamel reiten, sein erstes eigenes Kamel nennt er Subhan, was Herrlichkeit bedeutet.
Im Dorf in Rum gibt es eine Jungen- und Mädchenschule für alle SchülerInnen von sechs bis 18 Jahren. Ibraheem verlässt die Schule mit 12 Jahren, nachdem er die sechste Klasse abgeschlossen hat, um zu arbeiten. Er führt nun Touristen herum und hilft seinen älteren Brüdern, die alle schon im Tourismusbereich arbeiten. In der Schule hat Ibraheem Englisch lesen und schreiben gelernt, aber sprechen lernt er erst durch die Touristen.
2015 feiert Ibraheem seine Hochzeit im Dorf mit über 1800 Gästen. Das ganze Dorf ist gekommen, was vor allem daran liegt, dass sie alle ein Stamm seien, erklärt Ibraheem. Seine Familie gehört zum Stamm AlZalabee, der in Wadi Rum lebt, aber auch zu vielen Teilen in der angrenzenden Wüste in Saudi-Arabien Zuhause sei. Insgesamt ist Wadi Rum 740km2 groß, bis zur saudi-arabischen Grenze sind es vom Camp nur 35km.
Zwei Jahre nach seiner Hochzeit wird Ibraheem Vater. Sein erster Sohn Nawaf wird geboren, ab jetzt wird Ibraheem von anderen Stammesmitgliedern mit Abu Nawaf (der Vater von Nawaf) angesprochen. Ibraheem will nicht so viele Kinder wie sein Vater. „Nicht mehr als sechs.“ Nawaf ist sehr gerne mit seinem Vater in der Wüste unterwegs, kommt auch gerne mit ins Camp und vor allem die Fahrt im Jeep macht ihm sehr viel Spaß.

Ibraheems Camp heißt Fire Camp und ist ungefähr zehn bis zwanzig Minuten vom Dorf entfernt, wenn man mit dem Jeep unterwegs ist. Es wurde 2003 gebaut und Ibraheem hat es erst vor drei Jahren für 10.000 Jordanische Dinar (umgerechnet 12.656€) vom Vorbesitzer abgekauft. In der Hochsaison (März bis Anfang Mai) übernachten etwa 30-40 Personen pro Nacht im Camp. Er hat fünf Angestellte, einen Koch und vier Fahrer, die die Gäste auf Jeeptouren durch die Wüste fahren. Mittlerweile hat er auch mehrere Wassertanks, nicht nur damit man im Camp duschen kann, sondern auch für das Kochen in der Küche. Das ganze Camp wird mit Solar-Strom versorgt, eine Investition, die Ibraheem sehr glücklich macht, denn ein Generator in der Wüste ist sehr laut und würde so die natürliche Stille zerstören.

Ein paar Fragen zum Schluss:

Was ist deine liebste Kindheitserinnerung?
Die Momente, als mein Vater mir wichtige Dinge über das Leben in der Wüste erklärt hat. Er hat mir gezeigt, wie man in der Wüste nachts Auto fährt und was ich machen muss, wenn ich mich nachts verlaufe und keine Orientierung mehr habe. Ich kann mich an den Sternenkonstellationen orientieren, dabei ist vor allem der Nordstern wichtig.
Da mein Vater Kamele gezüchtet hat, hat er mir viel über sie beigebracht. Zum Beispiel, wie ich ein Kamel wiederfinde, wenn es weggelaufen ist. Jedes Kamel hat einen anderen Fußabdruck, daran kann ich dann erkennen, wo es hingelaufen ist.

Was war dein Traumberuf als Kind?
Als ich kleiner war, wollte ich unbedingt Pilot werden. Jetzt bin ich aber sehr viel lieber am Boden. Einmal bin ich nach Dubai geflogen in einem sehr kleinen Flugzeug, da hatte ich vor allem beim Rückflug etwas Angst, weil es sehr wackelig war.

Ist es manchmal anstrengend immer neue Touristen durch die Wüste zu führen, und hattest du schon komische Erlebnisse?
Meine Arbeit ist toll. Ich mag es, dass ich so viele Menschen treffen kann und jeder Tag anders ist. Die meisten Touristen sind sehr nett, aber es gibt leider auch manchmal nicht so freundliche Touristen, die dann Probleme machen. Einmal hat mir ein Tourist aus Mexiko mein Handy gestohlen und in seinem Zelt versteckt. Da musste ich dann schon die Polizei einschalten.

Wo ist dein Lieblingsplatz in der Wüste?
Am liebsten bin ich in AlFurra neben der Grenze zu Saudi-Arabien. Dort gibt es eine Quelle und meine Eltern, sowie viele meiner Verwandten, leben dort.

Was sind deine Hoffnungen und Sorgen für die Zukunft?
Ibraheems Neffe, der neben ihm sitzt, sagt: „Wir leben von Tag zu Tag. Am Morgen entscheide ich, was ich heute genau mache und wie der Tag aussieht“
(Ibraheem lacht): So eine Frage hat mir noch niemand gestellt. Ich muss erst nachdenken. Natürlich wünsche ich mir Gesundheit für meine Familie und auch in Zukunft ein gesichertes Einkommen. Ein Traum von mir ist, irgendwann meinen besten Freund  in den Niederlanden zu besuchen, den ich 2013 kennengelernt habe, als er Wadi Rum besucht hat.
Ich habe keine Angst vor der Zukunft, dennoch hoffe ich sehr, dass es in Jordanien keinen Krieg geben wird. Zum einen natürlich, wegen meiner Familie, aber auch wegen den Touristen. Ist hier Krieg kommt keiner mehr und ich habe keine Arbeit. Einen anderen Beruf habe ich nie gelernt.

 

Interessante Links:

Die offizielle Website des Wadi Rum Fire Camps: www.wadirumfirecamp.com

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Aussicht über Wadi Rum von Ibraheems Camp aus (Foto: ems/Schnotz)
Aussicht über Wadi Rum von Ibraheems Camp aus (Foto: ems/Schnotz)
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Das Fire Camp bietet Platz für über 40 Gäste und hat einen Waschraum, rechts im Bild (Foto: ems/Schnotz)
Das Fire Camp bietet Platz für über 40 Gäste und hat einen Waschraum, rechts im Bild (Foto: ems/Schnotz)