info_outline
Ausblick vom Balkon des Kinderheims (Foto: EMS/Rapp)
Ausblick vom Balkon des Kinderheims (Foto: EMS/Rapp)
05. September 2024

Rückblick auf sechs Monate Bali

Moritz

Moritz

Indonesien
Kinderheim
zur Übersichtsseite

nach Hause kommen in ein vorheriges Leben...

Rückkehr

Ich möchte diesen Blog nutzen um über meine Zeit als Freiwilliger auf Bali noch einmal mit zwischenzeitlichem Abstand nachzudenken. Es ist viel passiert, seit dem ich im September letzten Jahres mit Ida und Isabel nach Indonesien aufgebrochen bin und seit ich wieder zurück in Deutschland bin ist auch viel passiert. Nach ein paar Monaten Rückkehr merkt man wie schnell die Zeit verstreicht, und dass das Leben weiter seinen Lauf nimmt. Die Phase des Zurückkommens ist vielleicht die schwerste am Freiwilligendienst. Man kommt wieder zurück in die Heimat und hat wahrscheinlich einige neue Erfahrungen gesammelt, die die Sicht auf einen selbst und vielleicht auch die Sicht auf Zuhause, auf das Gastland und noch vieles mehr mit unter verändert hat. Doch Zuhause muss sich nicht zwingend etwas verändert haben, mir kommt es ein bisschen so vor als wäre ich in der Zeit zurück geworfen worden. Alles in Karlsruhe ist so geblieben wie ich es verlassen hatte. Ich kann nicht genau sagen, was ich erwartet hatte, aber irgendwie bleibt es manchmal ein merkwürdiges Gefühl wieder hier zu sein. Nach einer Weile gewöhnt man sich daran und dennoch wird es eher weniger Menschen in deinem Umfeld geben die dieses Gefühl nachempfinden können.

Ich würde sagen, dass mir die Zeit meines Auslandsaufenthalts auf jeden Fall gezeigt hat, dass ich gerne unterwegs und auf Reisen bin, fremde Länder und Kulturen zu entdecken immer wieder aufs neue überrascht und fasziniert und dass man durch eine extreme Umstellung seiner Lebenssituation viel lernen und für sein weiteres Leben mitnehmen kann.

 

Meine Aufgaben

Mein Alltag im Kinderheim (das ich im folgenden Panti nennen werde) war nicht von Anfang bis Ende gleich. Anfangs waren meine konkreten Aufgaben eine Stunde Englisch Nachhilfe pro Tag von 16-17 Uhr geben und morgens von 8-11 Uhr im Kindergarten (im folgenden Paud) mithelfen. Ab Ende Oktober war ich dann zusätzlich noch an mehreren Tagen die Woche in der Schule und habe den Lehrern im Englischunterricht assistiert.

 

Panti

Das Panti der Widhya Asih Bali Foundation besteht aus einer Heimleiterin, einer Köchin, einem Hausmeister mit seiner Frau und ihren zwei Kindern, dem Pfarrer mit seinem Bruder und 25 Jugendlichen, von denen natürlich jährlich welche gehen und neue dazu kommen.

Die Köchin, Kak Febi, war die Person mit der ich mich wohl am meisten ausgetauscht habe, sie konnte auch am besten Englisch. Die gemeinsamen Gespräche waren immer sehr angenehm und wichtig für mich, dass es jemanden gab mit dem ich mich flüssig unterhalten konnte, auch über Themen die anderen Leuten dort aufgrund der Sprache komplizierter zu erklären gewesen wären.

Die Heimleiterin, Ibu Endang, habe ich ebenfalls als überaus nette, kompromissbereite Person kennen gelernt, die stets versucht hat meine Wünsche und Interessen zu berücksichtigen und mir z. B. auch frei gegeben hat wenn es mir mal nicht gut ging.

Der Hausmeister, Pak Henri, konnte nicht so gut Englisch hat sich aber trotzdem immer bemüht, ins Gespräch zu kommen, auch auf Bahasa Indonesia, und wenn es nur über Kleinigkeiten ging, wie etwa was ich gerade koche/mache.

Mit den Kindern hatte ich eigentlich immer viel Spaß und auch wenn sie mich manchmal nicht wirklich als Lehrer respektiert haben, weil sie keine Lust hatten Englisch zu machen, haben sie sich immer gefreut wenn ich nach einem Ausflug wieder zurück ins Panti kam oder mich in der Freizeit mit ihnen beschäftigt habe. Mittlerweile vermisse ich sie schon sehr. :(

 

Nachhilfe

Nachmittags gegen eins/ halb zwei kamen die jüngeren Kinder aus dem Panti von der Schule zurück dann gab es Mittagessen (auf Indonesisch: makan sore). Nach dem Mittagessen hatten die Kinder oft kleine Aufgaben: Abwaschen musste jeder seinen Teller selbst, Zwiebeln und Knoblauch schälen, putzen/fegen wurde zugeteilt und danach hatten die Kinder Zeit sich auszuruhen. Um vier Uhr haben wir uns dann in der Aula versammelt, je nach Wochentag unterschiedliche Gruppen von Kindern, für die Englisch Nachhilfe. Hierbei hat es erfahrungsgemäß wenig Sinn gemacht, die Kinder nach Schulzugehörigkeit (Junior- bzw. Senior High School) aufzuteilen, da trotzdem alle ein unterschiedliches Englisch Niveau hatten. Manche konnten anfangs nicht auf simple Fragen wie:„How old are you?“ antworten, beschäftigten sich in der Schule aber schon mit höherer Grammatik und andere wiederum konnten sich flüssig auf Englisch unterhalten. Ich hatte mir vor meiner Abreise nicht vorgestellt, dass es so schwer werden könnte, Kindern ein bisschen Englisch Basics bei zu bringen. Ich denke jeder muss hier seine eigene Strategie entwickeln aber perfekt wird man diese Aufgabe als einzelner Lehrer nie für alle gleich gut gestalten können.

 

Sport

Mittwochs führte ich einen Sporttag ein, an dem ich mit den Kindern zu einem nahe gelegenen Park ging, in dem es Basketballfeld, Volleyballfeld, eine große Wiese zum kicken sowie einen Skateplatz gab. Als Willkommensgeschenk brachte ich den Kindern ein Skateboard mit, mein Eigenes hatte ich auch mit im Gepäck und so plante ich den Kids ein bisschen, das skaten bei zu bringen. Anfangs funktionierte das auch sehr gut, als ich noch neu war. Die älteren Kinder waren eher zurückhaltender während die jüngeren ausprobierten und Spaß hatten einfach ein bisschen zu fahren. Leider wurde in der Regenzeit der Sporttag immer unregelmäßiger eingehalten obwohl es gar nicht wirklich oft regnete. Die Kinder gingen immer weniger skaten und allgemein Sport machen, weil viele auch durch das frühe Aufstehen Nachmittags einfach zu erschöpft waren. Das frühe Aufstehen ist in der indonesischen Kultur verbreitet, Schlaf wird hier meiner Meinung nach definitiv unterbewertet, obwohl er ja vor allem bei der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen eine wichtige Rolle spielt.

 

kirchlicher Einfluss

Da es ein christlich geführtes Kinderheim ist ist der gesamte Alltag christlich geprägt. Jeden Tag wird vor dem Essen gebetet und es gibt vor dem Abendessen immer eine kleine Runde in der Bibelpassagen vorgelesen werden und christliche Lieder gesungen werden. Jeden Samstagabend ist in der zu dem Gebäudekomplex dazu gehörenden Kirche ein Gottesdienst extra für Jugendliche. Alle Gottesdienste in der Kirche sind öffentlich und werden von vielen Christen die in der Stadt Bangli leben besucht. Jeden Sonntagmorgen findet ein größerer Gottesdienst für jung und alt statt. Die Kinder mussten an allen diesen kirchlichen Veranstaltungen teilnehmen. In diesem Heim war es ihre Pflicht, obwohl 90% der Kinder eigentlich Hindus waren. Das ist ein Punkt den ich an dem ganzen Projekt stark kritisiere. Ich habe mich ganz zum Schluss meines Freiwilligendienstes mit einigen der älteren Kinder darüber unterhalten und sie mögen diese Erwartungshaltung ihnen gegenüber nicht. Und mich überrascht das nicht wirklich: ihre Familien gehören einem ganz anderem Glauben an. Die Tatsache, dass ihnen dort teilweise ein anderer Glauben aufgezwungen wird, einfach dadurch dass er maßgeblich ihren Alltag bestimmt, finde ich nicht richtig.
Hinzukommt, dass die Kinder in jedem Gottesdienst aufgefordert werden eine kleine Spende an die Kirche abzugeben, was in meinen Augen auch nicht angemessen ist. Ich möchte nicht, dass das missverstanden wird: ich hatte nichts gegen den hohen Stellenwert, den Religion in Indonesien einnimmt, was ich problematisch finde ist lediglich, dass Religion dort eine Pflicht ist, die im Heim auch für Kinder gilt, die nicht Derselben angehören.

 

Paud

Im Paud sind die Kinder nicht wie in einem deutschen Kindergarten den ganzen Tag, sondern werden von ihren Eltern mittags abgeholt. Die Kinder im Paud wohnen auch nicht im Panti sondern werden von ihren Eltern wie bereits erwähnt täglich hingebracht und abgeholt. Dort geht es darum die Kinder spielerisch zu erziehen, mit ihnen zu basteln, malen, schreiben üben als Vorbereitung für die Schule und draußen aktiv zu sein und Bewegung zu gewährleisten. Kreativität zu fördern ist nicht gerade an der Tagesordnung in einem Land wie Indonesien, da man die Kinder eher zu gehorsam gegenüber einer Autoritätsperson erzieht und weniger individualistisches denken mit auf den Weg gibt. Im Paud waren etwa 30 Kinder, Jungen und Mädchen gemischt. Mit einigen von ihnen konnte ich mich sogar ein klein wenig auf indonesisch unterhalten, manche von ihnen haben aber generell noch nicht so viel gesprochen oder waren für mich als Ausländer schwer verständlich. Mit den Kindern ist die verbale Kommunikation zu mir als Freiwilligem, aber auch zweitrangig, da sie ja andere Ansprechpartner haben und man immer irgendwie auch ohne Sprache kommunizieren kann, was nicht heißen soll, dass das einen nicht vor Herausforderungen stellt ;)

Die Kommunikation mit den Kindergärtnerinnen war leider auch nicht so einfach, weil diese kein Englisch sprechen konnten. Jedoch haben sie mich so herzlich in ihr Team aufgenommen, dass ich mich von Anfang an Willkommen gefühlt habe und sie Teil meiner engsten Mitarbeiter während meiner Freiwilligenarbeit wurden.

 

Schule

Nach einiger Zeit bat ich die Heimleiterin, mit den Kindern in die Schule gehen zu dürfen und beim Englischunterricht den Lehrern zu assistieren. Erst meinte sie, dass das nicht möglich sei, weil die Schule öffentlich sei. Nachdem sie mit dem Schulleiter gesprochen hatte und dieser nichts dagegen einzuwenden hatte konnte ich dann allerdings doch noch mit den Kindern zur Junior High School mit gehen. Zuerst hätte ich mir auch vorstellen können als Austauschschüler mit den älteren Kindern aus dem Panti auf die Senior High School zu gehen, aber das war nicht möglich und rückblickend muss ich zugeben, dass ich dem Unterricht nicht hätte folgen können.

In der Junior High School schaute ich zunächst beim Englischunterricht zu um mir ein Bild zu machen, wie in Indonesien unterrichtet wird. Da der Unterricht auch in Englisch größtenteils auf Bahasa Indonesia stattfindet, war es mir nur begrenzt möglich wirklich mit zu unterrichten. Aber ich habe mich sehr gut mit einem der Englischlehrer verstanden und er hat sich Mühe gegeben mich in seinen Unterricht einzubringen. Meistens lief es so ab, dass ich ein bisschen von mir erzählte und die Kinder anschließend fragen stellen durften oder ein bisschen von sich selbst erzählt haben. Das war nicht schlecht um die essentiellen Vokabeln für grundlegende Kennlerngespräche zu üben und da ich in viele verschiedene Klassen kam, konnten wir das oft wiederholen. Mit der Zeit wurde das aber auch ein bisschen einseitig für mich da ich ja jeden Tag das gleiche zu erzählen hatte. Deshalb sind wir dann irgendwann wieder auf normalen Unterricht umgestiegen, der Lehrer hat mit den Kindern die vorbereitete Unterrichtsstunde nach Plan unterrichtet und ich habe versucht so oft Beiträge zum Unterricht dazu zu steuern, wie ich konnte. Das waren dann zum Beispiel Eselsbrücken für grammatikalische Regelungen oder bestimmte Vokabeln, die für ein Thema besonders wichtig sind oder auch Übungen mit Fragen oder Sätzen, um das Sprechen zu lernen. Wenn die Kinder etwas nicht verstanden, half mir der Lehrer in dem er das Gesagte für sie übersetzte. Auch in der Schule fühlte ich mich wie ein willkommener Gast und irgendwie als kleiner Teil des Ganzen.

 

Freizeit

Meine Freizeit habe ich vor allem damit verbracht in den Park zum Skateplatz zu gehen und mir ein Netzwerk aus indonesischen Freunden auf zu bauen. Es stellte sich als nicht schwierig heraus mit den Leuten in Kontakt zu kommen, weil man als Ausländer immer auffällt. Besonders in Bangli, einer Stadt die so überhaupt nicht touristisch erschlossen ist interessieren sich die Leute automatisch für einen und sind neugierig. Das kann ab irgendeinem Punkt auch lästig werden, wenn man immer aus der Menge heraussticht, aber man wird sicherlich öfter in Gespräche verwickelt als sonst. Jedenfalls habe ich auf dem Skatepark viele Freunde kennen gelernt mit denen ich eine gute Zeit hatte. Ob das jetzt an der Skate Community liegt, die ich allgemein schon immer als sehr offen wahrgenommen habe oder daran, dass ich in Bangli als Ausländer bekannt war wie ein bunter Hund ist eigentlich egal. Wichtig ist, dass wir eine gemeinsame Leidenschaft teilten und gute Freunde wurden. Dadurch kommt der Austausch und die ganzen Erlebnisse zustande die sich in einer Freundschaft so entwickeln. Manche haben mich auch mal zu sich nachhause eingeladen oder sogar zu einer Hochzeit mitgenommen. Es gab viele Anlässe zum feiern und diese wurden auch nicht versäumt ;)

Auch wenn hier wieder die Kommunikation teilweise ein Hindernis war hat man die gemeinsame Zeit genossen und sich nicht zu viel daraus gemacht, dass es hin und wieder Verständigungsprobleme gab. Vermutlich eine Bereicherung für Alle.

 

Abschluss

Zusammenfassend denke ich, dass diese Zeit in Indonesien auf jeden Fall Spuren hinterlassen hat, sich tief im Gedächtnis verankert und nie ganz abgehakt sein wird. Ich werde das Land mit Sicherheit nochmal bereisen, wenn sich mir dazu die Möglichkeit bietet und dann auch wieder meine Einsatzstelle besuchen. Die aufgeschlossenen und unglaublich gastfreundschaftlichen, gelassenen Menschen, die faszinierende Kultur und die atemberaubende Natur machen Indonesien zu etwas ganz Besonderem. Wenn ich nach diesen paar Monaten zurück denke, denke ich an gute und schlechte Zeiten und mir fällt es schwer diesem Aufenthalt einen eindeutigen Wert zuzuschreiben, der sich für mich ergeben hat. Aber ich glaube es ist auch gar nicht möglich diesen Wert in Worten auszudrücken, den so ein Erlebnis einem bringt. Man kann nur immer wieder darüber nachdenken und sich daran erinnern wie es war, denn eins ist sicher: so eine Erfahrung hat man nur einmal im Leben!

 

Saya akan kembali!

Euer Moritz

info_outline
In der Schule nach dem Englischunterricht (Foto: EMS/Rapp)
In der Schule nach dem Englischunterricht (Foto: EMS/Rapp)
info_outline
Im Hof vor dem Kindergarten (Foto: EMS/Rapp)
Im Hof vor dem Kindergarten (Foto: EMS/Rapp)

Kommentare

Kommentar schreiben