Persönliche Einblicke und Erlebnisse im RS Elim
Anfang Oktober hatte meine Gastfamilie Besuch von Dr. Etha, eine befreundete Ärztin die früher im örtlichen Krankenhaus Elim gearbeitet hat, aber nun in Jakarta lebt. Sie kann sehr gut Englisch und beim gemeinsamen Frühstück haben wir uns unterhalten. Sie hat mich gefragt, was meine Pläne für die Zeit nach dem Freiwilligendienst sind und ich habe ihr erzählt, dass ich nächstes Jahr vorhabe Hebammenwissenschaften zu studieren. Sie war sofort begeistert und hat vorgeschlagen mich im Krankenhaus vorzustellen und dass ich mich ein bisschen umschauen könnte. Gesagt getan. Ich wurde direkt dem Klinikdirektor vorgestellt und erhielt eine kleine Führung, durch die Geburtsstation, die Operationssäle und die Notaufnahme. Dr. Etha kommunizierte dann mit einer der Hebammen und einer Ärztin, dass ich nun von Zeit zu Zeit vorbei schauen würde.
Am Abend ist Dr. Etha dann wieder abgereist und ich hab mich am Nächsten Tag, nach meiner Arbeit im RBM direkt auf den Weg gemacht. Ich war sehr aufgeregt. Das erste Mal alleine in das Krankenhaus zu gehen, die Sprache noch kaum zu beherrschen, die Menschen nicht zu kennen und überhaupt nicht zu wissen, was einen erwartet, hat auf jeden Fall viel Mut erfordert. Ich habe es aber gemacht und die Hebammen waren total herzlich und haben mich sofort willkommen geheißen. Mittlerweile gehe ich jetzt schon seit über vier Monaten drei Tage in der Woche von 14:00-19:00 Uhr ins Krankenhaus und durfte schon unheimlich viel erleben, lernen und erfahren. Einen geregelten Alltag gibt es nicht, jeder Tag ist ganz anders und man weiß nie was einen erwartet.
Natürliche Geburten:
Mittlerweile durfte ich bei insgesamt sieben Geburten dabei sein. Jede ist auf ihre Art besonders und hat ihre ganz eigene Atmosphäre. Viele Frauen kommen mit ihren Müttern und ihren Freundinnen in den Kreissaal, manche auch mit ihren Männern. Der Kreißsaal ist gefliest und mit Vorhängen sind die verschiedene Betten voneinander abgetrennt. Oft helfen die Familienmitglieder und Freundinnen bei der Geburt tatkräftig mit und massieren oder halten die Beine oder den Kopf der Frau während sie gebärt. Meistens sind mehrere Frauen gleichzeitig im Kreißsaal und befinden sich in unterschiedlichen Stadien der Geburt, nicht selten helfen dann auch die Besucherinnen bei den Geburten der anderen Frauen mit. Das ist sehr faszinierend zu beobachten. Schon oft hatte ich gedacht die Familienkonstelation durchschaut zu haben, nur um dann, ein paar Minuten später festzustellen, dass die Frau, die, die ganze Zeit neben der Gebärenden stand, eigentlich die Mutter der Frau ein Bett weiter war. Eine Geburt sehen zu dürfen ist einfach etwas unbeschreibliches und ich kann immer noch nicht richtig realisieren, dass ich die Möglichkeit bekommen habe in Indonesien dabei zu sein, wie neues Leben auf die Welt gebracht wird. Durch die Gebärenden ist mir nochmal sehr viel bewusster geworden, wie stark Frauen sind und was für Wunder unsere Körper vollbringen können.
Kaiserschnitte:
Auch meine ersten Kaiserschnitte durfte ich schon sehen. Die Atmosphäre bei den Kaiserschnitten ist ganz anders, als die bei den natürlichen Geburten. Es ist viel ruhiger und die Frauen sind alleine und haben keine Angehörigen bei sich. Vor dem Kaiserschnitt wird immer noch einmal gebetet (bei meinem ersten Kaiserschnitt hab ich natürlich gebetet dass alles gut geht, aber auch, dass ich nicht ohnmächtig werde haha). Was ich zum Glück auch nicht geworden bin. Die Stimmung während des Kaiserschnitts war total entspannt und die Ärzt*innen haben Witze gemacht und sich mit mir unterhalten. Dr. Risa hat die vielen Schichten des Bauches der werdenden Mutter vorsichtig mit einem Skalpell aufgeschnitten und dann das Baby rausgehoben. Es war ein kleiner gesunder Junge. Nachdem auch die Plazenta draußen war hat Dr. Risa noch etwas aus dem Bauch rausgeholt und auf den Bauch gelegt. Es war aber offensichtlich noch mit dem Bauch verbunden und gehörte offensichtlich noch in den Bauch. Ich hab dann direkt gefragt, was es sei. Es war die GEBÄRMUTTER! Das war echt ein sehr krasser Moment und ich konnte die ganze Zeit nur denken: „Ich hab gerade zum ersten Mal in meinem Leben eine Gebärmutter gesehen“. Nach dem der Schnitt in der Gebärmutter zugenäht worden war, wurde die Gebärmutter wieder zurück in den Bauch gelegt und die Ärztin fing an die Bauchschichten nach und nach wieder zu zunähen.
Der Anästhesist hat mich dann nach vorne ans Kopfende des Operationstisches geholt, weil die Mutter von dem kleinen Jungen mit mir sprechen wollte. Die Sicht der Frauen ist während dem Kaiserschnitt durch Tücher abgeschirmt, so dass sie nichts vom Kaiserschnitt mitbekommen. Die Frau hat sich dann von mir gewünscht, dass ich ihrem Sohn seinen Namen geben soll. Er sollte mit G anfangen. Ich hab mich natürlich sehr geehrt gefühlt, war aber auch total überfordert und hab fieberhaft nach einem indonesischen Namen mit G gesucht. Aber in meiner ganzen Zeit hier ist mir nie ein Junge oder Mann mit einem Namen mit G begegnet. Also hab ich gefragt, ob es ein indonesischer oder deutscher Name werden sollte. Der frisch gebackenen Mutter war beides recht.
Und bevor ihr jetzt weiterlest, nehmt euch gerne mal einen Moment Zeit und überlegt, welcher (nicht schwer auszusprechende) Jungenname mit G euch während einem Kaiserschnitt in Indonesien eingefallen wäre?
Ja genau, seeeehr schwierig. Mir ist nur „Gustaf“ eingefallen haha.
Die Mutter war aber sichtlich nicht begeistert, weshalb ich schnell die Ärzt*innen gefragt hab: „What is an indonesian name with G?“. Mit mehreren Geräten die lautstark laufen, Masken, Hauben und der Sprachbarriere wurde ich natürlich missverstanden und alle meinten nur total verwirrt „Wisgeee?“. Nach ein paar weiteren Versuchen und anderen Formulierungen hab ich dann meine Gastschwester angeschrieben und gefragt ob sie einen Namen wüsste. Sie hat leider nicht geantwortet, weshalb ich dann auf das gute alte Google zurück gegriffen habe: „indonesischer Name mit G für Jungs“ und da war er dann. „GIAN“.
Und so heißt der kleine Junge jetzt?. Das Gefühl nach dem Kaiserschnitt war einfach unglaublich und ich werde es auf jeden Fall nie vergessen und mich für immer mit Gian und seiner Mutter verbunden fühlen, auch wenn ich sie sehr wahrscheinlich nie wieder sehen werde.
Solche außergewöhnlichen Situationen gibt es für mich sehr oft im Krankenhaus . Es ist zum Beispiel auch schon öfters vorgekommen, dass ich darum gebeten wurde, frisch geborenen Babys an die Nase zu fassen, oder von Schwangeren darum gebeten wurde, erst meine Nase anzufassen und dann ihren Bauch, damit die Kinder später meine Nase bekommen. Irgendwie ist das eine unheimlich schwierige Situation, weil ich es auf der einen Seite natürlich absurd finde, weil die Mütter und Väter selbst total schöne Nasen haben und meine Nase dadurch so idealisiert wird. Auf der anderen Seite, will ich aber auch nicht nein sagen, wenn sie sich so darüber freuen und es sie glücklich macht. Ich hab mich dazu entschieden ihnen den Wunsch zu erfüllen, wenn ich darum gebeten werde, mich aber danach bei ihnen zu bedanken um zu zeigen, dass es für MICH etwas besonders ist und ICH dankbar bin hier zu sein.
Die Zusammenarbeit mit den Hebammen:
Die Hebammen haben mich direkt total herzlich empfangen und freuen sich immer wenn ich komme, auch wenn es ihrer Meinung nach zu selten ist. Da ich am Anfang noch kaum Indonesisch sprechen konnte, mussten wir uns in den ersten Wochen immer mittels „Google Übersetzer“ unterhalten. Mittlerweile ist das zum Glück nicht mehr nötig. Die Hebammen hier sind wirklich immer gut drauf und machen viele Witze und lachen unheimlich viel zusammen. Abends essen wir dann immer zusammen, meistens Reis, Tofu und Gemüse aus der Krankenhausküche (sehr lecker). Und wenn gerade nicht so viel los ist, kann es auch plötzlich passieren, dass sich das Hebammen Büro in einen Friseursalon verwandelt und mir die Haare geschnitten werden hehe. Nach den Schichten gehen wir manchmal zusammen in Restaurants oder shoppen. Manchmal ist es aber natürlich trotzdem noch schwer mit der Sprachbarriere und ich kann nicht so viel helfen oder dazu lernen wie zum Beispiel die Hebammenstudentinnen, denen die Hebammen ja erklären können wie und warum sie die Sachen machen. Trotzdem versuche ich immer wieder mein Interesse und Motivation zu zeigen, in dem ich so Sachen sage wie „empat sentimeter lagi“ (noch vier Zentimeter), wenn die Hebammen mir erzählen, dass der Muttermund gerade bei sechs cm ist oder lerne mit den Hebammenstudentinnen wie der Blutdruck gemessen wird. Wenn keine Geburten sind sehe ich dabei zu, wie zum Beispiel Katheter gezogen oder Infusionen gesetzt werden, unterhalte mich mit den Hebammen, schreibe Tagebuch oder lese.
Ich hoffe ich konnte euch ein bisschen die besondere Atmosphäre im Krankenhaus vermitteln und dass ihr jetzt einen guten Gesamteindruck über meinen Alltag in Rantepao habt.
Kommentare
Kommentar schreiben