Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Der Chor meines Krippenspiels an supposed Christmas (Foto: EMS/Heidtmann)
Der Chor meines Krippenspiel an supposed Christmas (Foto: EMS/Heidtmann)
26. Dezember 2018

Frohe Weihnachten!

Solveig Marie

Solveig Marie

Indien
wirkt in einem Mädchenheim mit
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Eigentlich kann man von Weihnachten ja erst nach Weihnachten berichten. Hier hat Weihnachten aber schon am 25.11. mit "supposed Christmas" angefangen. Da sind einige Mädchen und ich um 5:00 Uhr aufgestanden, um zu christlichen Familien zu gehen und bei ihnen mit Gesang, Tanz und einer Kerze die Vorweihnachtszeit einzuläuten. Um 7:00 Uhr waren wir dann wieder im Hostel. Nachdem die Mädchen mich in mein Zimmer vorgeschickt hatten, um auch bei mir die Weihnachtszeit einzuläuten, habe ich mich gefreut, noch ein wenig schlafen zu können.

Am Abend war nämlich auch noch eine große Vorweihnachtsfeier. Jede Klassenstufe hat ein Lied aufgeführt und dazu getanzt und es wurde ein Krippenspiel auf Englisch aufgeführt, das ich geschrieben und mit den Mädchen einstudiert habe. Auch dort haben wir nochmals mehrere Lieder gesungen. Mein persönliches Highlight war, dass die Mädchen Stille Nacht, Heilige Nacht mit mir gesungen haben. Als ich mit den Proben angefangen habe, musste ich nämlich jedes einzelne Wort mindestens 10 mal vorsagen, bis die Aussprache einigermaßen gepasst hat. Am Ende haben sie es aber richtig gut gesungen! Dafür haben sie meinen vollen Respekt, ich habe nämlich so meine Schwierigkeiten, Lieder auf Telugu zu lernen. Von vielen Liedern kenne ich inzwischen die Melodie, aber beim Text kommt meist nicht viel mehr als der Refrain raus und selbst da mache ich einige Fehler. Ich singe aber trotzdem fleißig falsch mit.

Ein anderes Highlight war, dass wir in einem Film- und Tonstudio waren. Dort haben zuerst einige Mädchen ein Lied aufgenommen, das die Weihnachtsgeschichte erzählt (natürlich auf Telugu) und danach haben wir auf dieses Lied getanzt, wobei ich der Stern war, dem die Heiligen Drei Könige Folgen. Das schwierigste war dabei allerdings nicht der Tanz, sondern, meinen Einsatz nicht zu verpassen, weil ich eben nicht verstanden habe, was gesungen wurde. Meistens hat mich eines der Mädchen einfach liebevoll ein bisschen nach vorne geschubst. Wer das Video sehen will kann gerne mal auf Youtube vorbeischauen: www.youtube.com/watch (nach 4 Minuten komme ich ins Bild). Hier ist es übrigens üblich, Hintergründe zu wählen, die an die deutschen Alpen erinnern, und diese auch noch häufigen zu wechseln. Daher wurde auch schon bei einigen Bildern mit meiner Familie in den Bergen gefragt, ob die Landschaft im Hintergrund echt ist und vor allem, ob das echter Schnee wäre.

Wer nun auf den Geschmack gekommen ist, kann sich noch ein Video anschauen, bei dem Akshitha, Shradha, Shravani und Pavani tanzen: www.youtube.com/watch. Ich finde es sehr beeindruckend, wie gut alle Mädels aus meinem Hostel tanzen können und sie haben mir auch schon ein bisschen was beigebracht. Das war auch gut so. Ich habe nämlich ungefragt die Hauptrolle in einem Krippenspiel bekommen, bei dem natürlich auch wieder getanzt wurde. Diesmal war ich nicht der Stern, sondern der Engel, der einem Menschen den Weg zum Frieden zeigt. Das bedeutet, diesen Menschen weg von verführerischen Dingen wie Alkohol, Zigaretten, Clubs, Liebesbeziehungen, Geldgier usw. zu leiten. Diese Dinge gelten hier als schlechter Einfluss, der von Satan kommt. Die Lösung, um damit gar nicht erst in Berührung zu kommen, ist, an Jesus zu glauben.

Ich habe mich natürlich gefragt, warum ausgerechnet ich diese Rolle bekommen habe. Es war relativ schnell klar, dass es wegen meiner Hautfarbe war. Das ergibt aus meiner Perspektive immer noch überhaupt keinen Sinn, weil in den Ländern, in denen die meisten Menschen weiß sind, überwiegend jene Lebensformen gelebt werden, die hier verteufelt werden.

Mich interessiert daran weniger die Diskussion darüber, welche Lebensform als richtig oder falsch gilt, sonder wie die Menschen wahrgenommen werden. Ich werde hier nämlich überall sehr positiv empfangen und die Vorurteile, die mir aufgrund meines Aussehens begegnen, sind, dass ich besonders hübsch bin, Geld habe und zum Missionieren hierhergekommen bin. All dies gilt hier als besonders positiv. Umgekehrt habe ich in Deutschland oft erlebt, dass man Manschen, die fremd aussehen, zunächst einmal mit negativen Vorurteilen begegnet. Oft wird dieses Verhalten damit entschuldigt, dass die Menschen eine generelle Angst vor dem Fremden haben. Ich frage mich, warum das hier nicht so ist.

Ich falle hier nämlich durchaus als Fremde auf. Ich Lebe in einer Millionenstadt und trotzdem drehen sich die Leute zu mir um und schauen mich an, weil ich weiß bin.  Die Menschen hier haben in ihrem realen Leben wenig mit weißen Menschen zu tun, aber sie begegnen ihnen trotzdem in ihrem Alltag. In jeder Werbung, in jedem Film und in jedem Schulbuch sind Abbildungen von weißen Menschen, seien es Inder*innen aus dem Norden, die eine helle Hautfarbe haben, Inder*innen deren Bilder so bearbeitet wurden das sie weiß aussehen oder eben weiße Europäer bzw. Amerikaner. Weiß zu sein ist hier ein Schönheitsideal. Es geht sogar so weit, dass man Cremes und Shampoos zum Bleichen der Haut kaufen kann.

In den deutschen Medien wurde mir Indien als ein Land vermittelt, in dem die Frauen keine Rechte haben und die Männer Vergewaltiger sind. Also definitiv ein ganz anderes Land als jenes, das ich im Moment kennen und lieben lerne. Und dabei werde ich in meinen 10 Monaten hier nur ein Bruchstück Indiens Kennenlernen. Aber dieses Bruchstück ist eben auch schon vielfältig und ich darf ganz verschiedene Seiten kennenlernen - nicht nur die, die mir die Medien zeigen.

Das Bild, das uns in den Medien vermittelt wir, ist eben nur ein Teil von einem großen Puzzle. Das ist ja auch nicht unbedingt schlecht, aber es sollte einem bewusst sein, dass man Menschen nicht aufgrund dieses einem Puzzleteils in eine Schublade schiebt, sondern immer noch ein Auge auf die anderen Puzzleteile hat, die es sonst noch gibt.

Ich wünsche Euch frohe und gesegnete Weihnachten und nur das Beste für 2019.

Eure Solveig

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Shradah und ich bei der Supposed Christmas Feier (Foto: EMS/ Heidtmann)
Shradah und ich bei der Supposed Christmas Feier (Foto: EMS/ Heidtmann)
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Nicky, Sandra und ich als Engel beim Krippenspiel (Foto: EMS/Heidtmann)
Nicky, Sandra und ich als Engel beim Krippenspiel (Foto: EMS/Heidtmann)