Weltweit erlebt
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14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Vier Frauen malen zur Pongalfeier ein Blumenornament auf dem Boden (Foto: EMS/Rave)
20. Januar 2017

Neuigkeiten zum Jahreswechsel

Paula R.

Paula R.

Indien
unterstützt ein Internat für Kinder mit Behinderung
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Weihnachten und Silvester - meine Erlebnisse der letzten Wochen

Wie natürlich bei jeder und jedem von uns Freiwilligen war Weihnachten auch für mich dieses Jahr ganz anders als sonst. Viel wärmer, blinkender und länger. Zwar wurde es auch hier deutlich kühler als in den ersten Monaten - wofür ich sehr dankbar war, da ich zuvor Schwierigkeiten gehabt hatte einzuschlafen - doch die Pullover, Schals und Mützen, die manche Kinder sogar tagsüber anhatten, waren mir immer noch zu warm. Nur an ein paar Abenden saß auch ich glücklich in meinem einzigen Pullover aus meinem Koffer beim Essen. 

Ende November begann dann das Dekorieren. In allen Kirchen, Schulen und anderen Einrichtungen der CSI und auch auf manchen öffentlichen Plätzen tauchten die bunt blinkenden Plastikweihnachtsbäume auf. Und auch wenn ich schon ganz beeindruckt war von der Farbenpracht, fiel die Dekoration dieses Jahr weniger prachtvoll aus. Grund dafür war der Tod von Tamil Nadus Chiefministerin Jayalalithaa Jayaram am 5. Dezember. Bereits seit Ende September war sie sehr krank gewesen und an vielen Straßenecken Bilder und Gebetsstätten für sie aufgebaut worden, da ihr Zustand sehr kritisch schien. Dennoch war ihr Tod ein großer Schock für ganz Tamil Nadu und der Umgang damit war für mich eine sehr neue Erfahrung. Alle Medien waren voll davon und nachdem am Wochenende vor ihrem Tod eine fälschliche Meldung veröffentlicht worden war, wonach sie schon gestorben sei, wurde überall heiß diskutiert. Auch bei uns im Heim lief der Fernseher ununterbrochen und als ich morgens an einem Klassenzimmer vorbeilief und die dramatische Musik hörte, wusste ich, dass sie nun wohl wirklich gestorben war. Daraufhin hatten in ganz Tamil Nadu alle Schulen, Colleges und viele Läden und Büros drei Tage geschlossen und auch in den Nachbarstaaten wurde einen Tag um die Politikerin getrauert. Ein paar Tage lang herrschte Chaos; Busse fuhren nicht, viele Menschen rasierten sich als Symbol ihrer Trauer die Haare ab und bei ihrer Beerdigung, die live aus Chennai übertragen wurde, trauerten mehrere tausend Frauen und Männer. Diese Art der Trauer war eine neue Beobachtung für mich, denn auch wenn in Deutschland der Tod einer berühmten Persönlichkeit groß in den Medien behandelt wird, so erschien es mir noch viel größer und dramatischer. Ein Grund dafür mag auch sein, dass Jayalalithaa vor ihrer politischen Karriere eine sehr beliebte Schauspielerin war und auch jetzt noch läuft ständig einer ihrer Filme als Andenken an sie im Fernsehen.

Doch zurück zu Weihnachten. Wie ich durch Beerdigung und andere Veranstaltungen schnell gelernt habe, wird in Indien gerne lang und groß gefeiert. Sei es eine Hochzeit, eine Trauerfeier oder eben eine Weihnachtsfeier. Meist dauert eine solche ‚Function’ drei bis vier Stunden, sodass ich danach immer völlig erschöpft bin. Zwar sind all die Tänze, Lieder und Theaterstücke richtig schön anzusehen, besonders mit den aufwendigen Kostümen der Beteiligten, doch nachdem zu Beginn alle möglichen Gäste erst einmal Reden, Begrüßungen und Danksagungen ausgesprochen haben, von denen ich kaum etwas verstehen kann, muss ich leider schon mit meiner Müdigkeit kämpfen. Ich habe das Gefühl, dass diese Veranstaltungen hier viel anstrengender für mich sind als in Deutschland. Das hat aber nicht nur mit der Länge, sondern auch mit der neuen Sprache, den vielen Menschen und vor allem der speziellen Aufmerksamkeit, die uns als Gästen aus dem Ausland zuteil kommt, zu tun. Viele Male schon musste ich also nach vorne kommen, um den Kuchen anzuschneiden, ein Lied zu singen oder ein Fotoshooting über mich ergehen zu lassen. Und auch wenn ich die indische Gastfreundschaft liebe, wünsche ich mir manchmal einfach ignoriert zu werden und mit den Kindern auf dem Boden sitzen bleiben zu können.

Trotzdem waren die circa sieben Weihnachtsfeiern verschiedener Einrichtungen und die drei (von neun) Male Sternsingen, an denen ich teilgenommen habe sehr schön und vor allem die Begeisterung unserer Kinder, als sie in aufwendigen Kostümen das Krippenspiel vorführten. Da bei uns die Weihnachtsferien schon am 22. Dezember anfingen, aber alle anderen Freiwilligen Weihnachten in ihren Projekten verbrachten, fuhr ich über die Feiertage erneut zu Janina nach Kannur. Doch unser Plan von ein paar entspannten Tagen wurde wie so oft von spontanen Einladungen zu verschiedenen Weihnachtsfeiern durchkreuzt. Ich war froh, dass es Janina offensichtlich genauso ging und letztendlich konnten wir uns doch noch einen gemütlichen Heiligabend mit Räucherstäbchen, Bananenchips und Weihnachtsfilmen machen.

Am 25. Dezember machten wir uns dann endlich auf nach Goa, wo wir zusammen mit den anderen die Weihnachtsferien verbrachten. Janina, Lotte, Jonas, Leon und ich wohnten in einem kleinen Haus mit zwei Zimmern in Candolim, die anderen sechs waren in Anjuna. Nachdem ich Janina fast jeden Monat gesehen hatte, egal ob in Kannur oder bei mir in Salem und wir im November auch Lotte in Khammam besucht hatten, war es sehr cool auch die anderen wieder zu treffen, die ich seit September nicht gesehen hatte. Es war sehr interessant von ihren Erfahrungen zu hören und nach einer Weile auch schön mal wieder über ganz andere Dinge zu reden und sicher zu sein, verstanden zu werden. Überhaupt waren die Tage in Goa eine Art Pause von unserem bisherigen Indienaufenthalt. Vieles ist dort ganz anders als in unseren Einsatzstellen, was natürlich auch an den vielen Touristen liegt. So liefen die Leute auf einmal viel freizügiger herum, es gab Pizza und Pommes zu kaufen und die Preise waren um einiges höher, als wir es inzwischen gewohnt sind. Da wir es irgendwie komisch fanden, auf einmal im Bikini herumzulaufen (auch wenn wir da im Grunde die einzigen waren), entdeckten Lotte, Janina und ich den Charme dabei in Kleidern zu baden. Die Schals allerdings ließen wir ohne zu zögern weg und besonders ich genoss es endlich mal wieder meine Haare offen lassen zu können.So verliefen die Tage entspannt mit ausschlafen, baden und ein paar Ausflügen. Trotz meiner anfänglichen Befürchtungen muss ich sagen, dass Goa, wenn man nicht gerade in den ganz und gar touristischen Vierteln herumläuft wirklich schön ist. Das konnten wir besonders gut sehen, als wir uns für einen Tag Motorroller ausliehen und auf kurvigen Straßen durch wunderschöne Landschaften und kleine Dörfer fuhren. Dort waren auch nur noch wenige Menschen unterwegs und in einem kleinen Restaurant am Straßenrand konnten wir unheimlich lecker und zu normalen Preisen essen. Die Zeit ging schnell vorbei und am Tag der Abreise waren wir alle etwas wehmütig.

Gut erholt und mit der Erwartung, dass es jetzt vermutlich ein bisschen schwierig wird sich an den Alltag, das Alleinsein und die eingeschränkte Freiheit zu gewöhnen, wurde ich leider mit traurigen Nachrichten empfangen. Während der Ferien war unsere Warden, eine ältere Frau, die mich immer wie eine Oma umsorgte, an einer Herzerkrankung gestorben. Die erste Woche herrschte hier daher eine sehr bedrückende und traurige Stimmung, die den Alltag bestimmte. Inzwischen ist aber wieder relativ normaler Alltag eingekehrt, auch wenn ihre Abwesenheit deutlich zu spüren ist. Da letzte Woche das Erntedankfest der Hindus ‚Pongal’ gefeiert wurde, hatten wir ein langes Wochenende. Die meisten Kinder fuhren nach Hause, doch etwa zwanzig Kinder blieben aus verschiedenen Gründen hier. Auch wenn der Abreisetag immer sehr traurig ist, weil die Kinder hoffnungsvoll am Fenster warten, aber manche Eltern leider nicht kommen können, mag ich Wochenenden wie dieses sehr. Es herrscht eine viel familiärere Stimmung und Ruhe und es ist keiner da, der sagt was wir zu tun haben. So habe ich es sehr genossen in der Küche zu helfen, zu lesen, draußen mit den Kindern die Wäsche zu waschen und ihnen die Nägel zu lackieren (Jungs und Mädchen whoop whoop) – allerdings nur die linke Hand, da mit der rechten gegessen wird. Außerdem konnte ich auch mal wieder ein paar meiner tamilischen Lieblingsserien mitanschauen, die sonst zu Sendezeiten kommen, zu denen ich im Unterricht bin. Nun hat die Schule wieder angefangen und die meisten Kinder sind zurück, aber wer weiß, ob nicht bald wieder frei ist, denn seit dieser Woche streiken viele Einrichtungen wegen des Verbots von ‚Jallikattu‘, einem traditionellen tamilischen Pongalspiel, das eine Art Stierkampf ist. Ich jedenfalls hätte nichts gegen noch einen Tag schulfrei…

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Die Kinder in ihren aufwendigen Weihnachtskostümen (Foto: EMS/Rave)
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Lotte, Jonas, Janina und ich bei unserer Rollertour (Foto: EMS/Rave)