Weltweit erlebt
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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Eine Familie, die wir in Bangalore im Cubbon Park trafen (Foto: EMS/Kohrs)
Familie
08. November 2016

Familie

Annegret

Annegret

Indien
leistet ihren Freiwilligendienst in einem Frauenzentrum
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Gemeinsam stark

Vielleicht ist es noch etwas früh für einen Eintrag über so etwas Fundamentales, das meiner Meinung nach einen Großteil der indischen Kultur ausmacht, doch ich wollte nicht gleich in meinem dritten Eintrag über etwas Banales wie Essen schreiben. Außerdem hatte ich zu diesem Thema schon viele interessante Unterhaltungen mit verschiedenen Personen, sodass ich mich zumindest zum Teil qualifiziert fühle darüber zu schreiben.

Zunächst sollte gesagt sein, dass in Indien die Familie einen ganz anderen Stellenwert einnimmt als bei uns, sogar wichtiger als das Individuum ist. Dabei ist es sehr wichtig, dass man seine Eltern und Großeltern respektiert. Das wurde mir schon in einigen Fällen klar: In einer Unterhaltung erzählte ich, dass wir in Deutschland nach der Schule unser eigenes Leben aufbauen und permanent von zu Hause ausziehen. Daraufhin kam die Frage, was denn mit unseren Eltern geschehe, wenn sie alt werden. Als ich dann etwas von Altersheimen erzählte war mein Gegenüber schockiert: So etwas Grausames, aber bei uns im Kulturkreis ganz normal. Hier wurde mir erzählt, dass das Haus der Eltern immer das eigene zu Hause bleibt. Ein Mann Mitte zwanzig, der bei seiner Mutter wohnt, oder eine Familie mit zwei Kleinkindern, die wieder zu Hause einzieht, ist hier kein bemitleidenswerter Einzelfall, sondern ganz normal. Und es ist selbstverständlich, dass die Kinder sich um die alternden Eltern kümmern. Ich finde hier könnten wir uns etwas abgucken, an Respekt vor dem Alter und vor unseren Eltern fehlt es uns Deutschen glaube ich etwas.

Allerdings habe ich das auch an einem Beispiel verdeutlicht bekommen, das ich als nicht so positiv empfand. In einer Unterhaltung sprachen wir darüber, dass es in vielen westlichen Ländern illegal ist seine Kinder zu schlagen. Konkret ging es um einen Fall in den USA, in dem ein Mann verhaftet wurde, nachdem seine 14-jährige Tochter ihn wegen Körperverletzung angezeigt hatte. Für mich ist daran nichts verwerflich, ich würde sagen: Alles richtig gemacht, gut dass das Mädchen aus dieser Situation entkommen ist! Mein Gesprächspartner allerdings hatte eine andere Einstellung. Das Mädchen sei egoistisch, es solle bedenken was es damit seiner Familie antue und dem Ruf des Vaters. Dieser Blickwinkel war komplett neu für mich und ich weiß nicht wie viele ihn vertreten, es ist wie gesagt nur ein Beispiel.

Dass die Eltern irgendwie auch für andere Personen wichtiger sind hab ich gleich in den ersten Tagen mitbekommen. Gleich nach der Frage nach dem Namen kam: „So what about your parents?“ Zuerst war ich ziemlich verwirrt und dachte mir: Ja, was soll mit denen sein? Sind halt meine Eltern! Aber schnell wurde mir klar, dass sie nach deren Berufen fragen. Das ist sehr wichtig für den Ruf der Familie, der auch das Bild, das man sich von den Kindern macht stark beeinflusst. Was ich mache ist nicht so wichtig, aber oh! mein Vater ist Missionar, ich muss ein gutes Mädchen sein! Ich konnte ihnen leider später erst klar machen, dass Papa kein Missionar ist, sondern lediglich Jurist, aber jetzt habe ich den Ruf als „Good Girl“ weg. Vielleicht gar nicht so schlecht.

Die Familie spielt also eine große Rolle im Leben der meisten Inder, und dazu gehört natürlich auch die Hochzeit. Nun, das ist meiner Meinung nach einen Eintrag für sich wert, aber lasst es uns so sagen: Wenn die Familie nicht mit der Heirat einverstanden ist, hat man ein großes Problem. Und wenn man erstmal verheiratet ist, dann erwarten die meisten Eltern auch schnell die ersten Kinder, zwei werden angesichts der schnell wachsenden Population von Vielen als ideal angesehen. Was ich sehr süß finde: Viele benennen ihre Kinder mit dem gleichen Anfangsbuchstaben.

Auch zum Thema Kinder hatte ich eine interessante Unterhaltung mit einer Mutter von zwei Mädchen. Zur Zeit der Geburt ihrer zweiten Tochter lebte sie in Andra Pradesh, ein Bundesstaat in dem Bildung nicht so weit verbreitet ist wie in Kerala. Sie meinte, dort hätten nach der Geburt Leute versucht sie zu trösten: Ist ja nicht so schlimm, vielleicht wird’s nächstes Mal ein Junge. Anscheinend werden in manchen Teilen Mädchen immer noch als Last angesehen, was wahrscheinlich mit einigen Dingen zusammenhängt. Traditionell arbeiten Frauen nicht. Somit muss die Familie der Frau bei der Hochzeit mit einer hohen Mitgift aufkommen. Doch diese Traditionen lösen sich langsam auf, vor allem in Kerala, wo die meisten Frauen gebildet sind und arbeiten. Die Frau mit der ich die Unterhaltung hatte meinte jedenfalls, dass sie sehr glücklich sei mit ihren zwei Mädchen und auch nicht versuchen wolle ein drittes Kind zu bekommen, nicht dass Leute denken sie seien nicht zufrieden mit ihren Töchtern.

So, das war ein kleiner Einblick in diesen kulturellen Unterschied, ich hoffe es war interessant und ihr habt bis zum Ende gelesen!

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Die Arbeit im Asha Bhavan (Foto: EMS/Kohrs)
Asha Bhavan
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Früh morgens in Mysore (Foto: EMS/Kohrs)
Mysore