Weltweit erlebt
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Weltweit erlebt

14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Dieses Haus sieht man immer beim Wäsche aufhängen oder wenn man in der Dining Hall sitzt. Besonders in der Abendsonne leuchtet alles schön rosa. (Foto: EMS/Rave)
08. Oktober 2016

Vanakkam!

Paula R.

Paula R.

Indien
unterstützt ein Internat für Kinder mit Behinderung
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Erster Monat in Salem

Nach einem Monat kommt nun auch mein erster Blogeintrag. Es ist verrückt, dass wir jetzt schon einen ganzen Monat in Indien sind und vor allem wie viel wir in dieser Zeit schon erlebt haben. Nach unserem einwöchigen Orientierungsprogramm in Chennai und Bengalore, über das in anderen Blogeinträgen bereits berichtet wurde, trennten sich unsere Wege fürs Erste und für mich ging es in einem Sleeperbus los nach Salem. Dort wurde ich im CSI Balar Gnana Illam Centre for the Mentally Challenged herzlich empfangen und nach einem kleinen Snack mit der Aufforderung  „take some rest“ auf mein Zimmer geschickt. So gestaltete sich auch meine erste Woche hier: Rest-taking, mich um meine Registrierung auf dem Polizeipräsidium kümmern und mich langsam mit dem Campus und der neuen Umgebung bekannt machen.

Zusätzlich zu der Schule und dem Heim für Kinder mit geistigen Behinderungen gehören auch noch zwei weitere Projekte zu meiner Einsatzstelle: Das BGI Early Intervention Centre, wo täglich Kinder zwischen 0 und 6 Jahren mit ihren Eltern zur Sprech- und Physiotherapie kommen und das BGI Adult Mental Retardation Home, ein gemeinsames Wohnprojekt für erwachsene Frauen mit geistigen Behinderungen. Alle drei Projekte arbeiten relativ eng zusammen, wodurch ich jedes schon ein bisschen kennenlernen konnte. Nach langsamer Annäherung mit den Kindern, einer ersten Runde „Feuer-Wasser-Sturm“ im Mädchenschlafsaal und spätestens nach der Entdeckung des Mangobaums auf dem Schulhof  wusste ich: Hier gefällt es mir.

Inzwischen hat sich auch schon ein Alltag eingeschlichen und ich kann mir endlich die teilweise sehr komplizierten Namen des Personals und ein paar der Kinder merken. Auch mein Tamilwortschatz hat sich schon etwas erweitert und anders als bei den anfänglichen Gesprächen mit den Kindern, die lediglich aus „Hi Akka“ oder „Bye Auntie“ bestanden, kann ich jetzt auch auf die Frage, ob ich schon gegessen habe antworten. Diese Frage bekomme ich sowieso am häufigsten gestellt. Zusätzlich zu der Frage nach Tee, der Anzahl meiner Geschwister und den Berufen meiner Eltern. All das kann ich jetzt schon brav beantworten und jeden Tag lerne ich neues dazu. Die Lehrer hier sind außerdem begeistert dabei Deutsch zu lernen und jeden morgen nach dem Teacher’s Prayer werden die Notizbücher gezückt und ein Satz in Tamil beziehungsweise Deutsch aufgeschrieben. Anschließend findet das Childern’s Prayer statt und danach geht es in die Klassen.

Es gibt verschiedenen Stufen, je nach Alter und Fähigkeiten der Kinder eingeteilt. Vormittags wird dann gerechnet, gelesen und geschrieben und nachmittags ist Lieder singen, Yoga oder Geschichten erzählen angesagt. Für mich ist der Unterricht interessant, auch wenn ich nicht sehr viel verstehen kann, vor allem weil jedes Kind andere Aufgaben, seinem Niveau entsprechend bekommt. Während manche dann schwierige Matheaufgaben lösen, sortiert ein anderes Kind kleine Bildchen in Obst und Gemüse ein. In anderen Klassen wird gar nicht gerechnet oder geschrieben, sondern Körbe, Puppen und Fußmatten hergestellt. Auch ich habe inzwischen das Korbflechten gelernt. Die hier angewandten Methoden sind sehr neu und interessant und es macht mir Spaß, am Unterricht teilzunehmen. Wenn ich mal nichts helfen kann, beschäftige ich mich damit Tamilvokablen zu lernen, worauf von allen Seiten begeisterte Helferinnen und Helfer mit Bildplakaten angerannt kommen und beeindruckt applaudieren, wenn ich nach dem dritten Versuch endlich das richtige Wort für Banane gesagt habe.

Auf einmal klingelt es und der Snackverkäufer Bashir kommt mit seinem Fahrrad angefahren und parkt unter einem Baum auf dem Schulhof. Nach und nach kommen Lehrer und Lehrerinnen sowie ein paar der Kinder auf den Hof und kaufen die in Zeitungspapier eingewickelten wunderbaren Snacks, mit denen sie es sich unter dem nächsten Baum gemütlich machen. Das ist einer der schönsten Momente des Tages. Ein weiteres meiner Highlights ist wenn nachmittags gegen fünf Uhr ein paar der hier arbeitenden Frauen, darunter die Köchin Veni und die zwei Caretakerinnen der Kinder, Umma und Mary, in der Dining Hall sitzen, Tee trinken, Zeitung lesen, Gemüse schnippeln und auf einem winzigen Fernseher tamilische Liebesfilme schauen. Auch wenn ich nur wenig an ihren Gesprächen teilnehmen kann und auch den Film nur mit Hilfe der dramatischen Musikeinsätze verstehe, setze ich mich gerne mit einem Buch dazu und genieße die Nachmittagsruhe.

So gehen die Tage dahin und ich fühle mich schon richtig wohl hier. Jeden Tag erlebe und lerne ich irgendetwas neues, sei es ein tamilisches Gedicht über die von hier stammenden Mangos oder frisches Kokosnusswasser am Straßenrand und ich lerne Kleinigkeiten, wie einen Ausflug zum Supermarkt zu schätzen. Vor ein paar Tagen bin ich von einem kleinen Urlaub bei Janina in Kannur zurückgekommen. Es war sehr spannend mal einen anderen, viel grüneren Teil Indiens zu sehen und mich mit Janina über unsere Erlebnisse auszutauschen und ihr Projekt kennenzulernen. Besonders schön fand ich auch, dass ich mich sehr gefreut habe, als ich dann zurück in Salem vertraute Straßen entlang gefahren bin und schließlich im BGI ankam und alle wiedergesehen habe. Das ist wohl das beste Zeichen dafür, dass ich Salem für die nächsten neun Monate mein Zuhause nennen kann.

 

Die liebsten Grüße also aus Mango City!

Paula

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Auf diesem Fahrrad kommt Bashir zwei mal täglich angefahren. Vollbeladen mit Tee und verschiedenen scharfen Leckereien (Foto: EMS/Rave)
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Lotte, Janina und ich beim Orientierungsprogramm in Bengalore. Zum ersten mal in angemessener Kleidung :) (Foto: EMS/Rave)