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10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

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Ich und ein paar Mädels (Foto: EMS/Schmidt)
Ich und ein paar Mädels (Foto: EMS/Schmidt)
17. Dezember 2018

Alltag im Boarding Home

Nathalie

Nathalie

Indien
unterstützt ein Mädchenheim
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Was machst du eigentlich den ganzen Tag?

Da ich in letzter Zeit immer häufiger diese Frage gestellt bekomme, möchte ich in diesem Blogeintrag die Gelegenheit nutzen, mehr von meinem Alltag zu erzählen.

Mein Tag beginnt meist  ganz entspannt, so gegen  8.30 Uhr bei Bhagya (der Leiterin des Hostels) bei einem Tee und einem leckeren Frühstück. Anschließend gehen wir gemeinsam ins Office. Meist schaue ich ihr zu, helfe ihr bei der Arbeit, tippe Briefe am Computer ab oder sortiere Dokumente.

Um 11.30 Uhr ist es dann Zeit für mich rüber zu gehen, zur „Holy Cross Girls High School“, die sich direkt nebenan befindet. Seit Oktober unterstütze ich eine Lehrerin beim Englischunterricht der 6. Klasse. Mir werden sehr viele Freiheiten gelassen und daher darf ich oftmals eigenständig unterrichten. Die meisten Mädchen kommen aus „meinem“ Hostel. Drei Jungs aus dem Boys Hostel gehören auch zu meiner Klasse. Meine Schülerzahl variiert zwischen 12 und 21 Schülern. Warum die Anzahl jeden Tag unterschiedlich ist? – das weiß ich auch nicht so genau.

Eine Herausforderung ist es jeden Tag aufs Neue:  Die meisten Schülerinnen und Schüler können kaum Englisch und daher ist die Kommunikation ziemlich schwierig. Sie lernen Englisch als 2. Fremdsprache nach Hindi und jedes Alphabet hat unterschiedliche Buchstaben. Da wurde mir erstmals bewusst, wie einfach es eigentlich ist, in Deutschland Englisch zu lernen. Die Einen lesen flüssig einen Text, andere können nicht mal richtig das Alphabet. Die Unterschiede sind ziemlich groß und daher ist es auch für mich eine zusätzliche Herausforderung, den Unterricht passend zu gestalten. Die Texte in ihren Schulbüchern sind zwar ziemlich gut, aber viel zu schwer für die meisten meiner Schüler. Denn auch wenn sie Lesen können, verstehen sie den Inhalt nicht immer.

Nach meinem Freiwilligendienst möchte ich gerne Lehramt studieren, daher freut es mich umso mehr, jeden Tag, mein Lehrerdasein üben zu dürfen, erste Erfahrungen zu sammeln und mich vergewissern, dass das der richtige Beruf für mich ist.

Nach der Schule gibt es dann auch schon Mittagessen, das ich gemeinsam mit Bhagya zu mir nehme. Einige Mädchen essen in der Schule, aber es kommen auch einige zurück ins Hostel. Anschließend gibt es manchmal noch etwas Arbeit im Office oder ich habe Mittagspause. Diese nutze ich meist um meinen Unterricht vorzubereiten, Wäsche zu waschen oder für ein kleines „Nickerchen“.

Die Mädels kommen meist zwischen 16 Uhr und 17 Uhr von der Schule zurück und erledigen kleinere Aufgaben, wie zum Beispiel Hof kehren oder ihre Wäsche zu waschen. Auch unser Gemüseacker muss gegossen werden. Danach haben wir aber auch noch ganz viel Zeit zum Spielen und Toben. UNO ist der absolute „Renner“ und ich muss immer ziemlich aufpassen, dass die Mädels nicht schummeln. Ein paar Snacks und ein Tee am Nachmittag dürfen natürlich auch nicht fehlen.

Oftmals sitze ich auch mit den gleichaltrigen Mädels vom College zusammen. Sie zahlen dafür, dass sie im Boarding Home leben können. Sie schlafen nicht mit den anderen Mädchen zusammen, sondern in einem eigenen Zimmer. Mit ihnen unterhalte ich mich oft über die Unterschiede zwischen Deutschland und Indien… über den Glauben und die Kirche… auch über Beziehungen und Ehen.

Egal ob ich mit den Jüngeren Spiele mache oder gute Gespräche mit den College-Mädels führe, die inzwischen wie Freundinnen für mich sind, genieße ich jeden Moment

Um ca. 18.30 Uhr findet in der „Hall“ eine kleine Andacht statt. Es werden Lieder gesungen, aus der Bibel gelesen und gebetet. Gegen 19.30 Uhr gibt es dann Abendessen, das ich wieder bei Bhagya zu mir nehme. Anschließend rede ich mit ihr noch über den Tag, schauen Fernsehen oder ich setze mich noch zu den Mädels, die draußen lernen. Oftmals nutze ich die Zeit aber auch um mit meiner Familie und Freunden zu schreiben.

Da die Mädchen auch samstags in die Schule gehen, habe ich von Montag bis Samstag den gleichen bzw. einen ähnlichen Tagesablauf. Jeden zweiten Samstag im Monat ist schulfrei. Sonntags gehe ich mit den College-Mädels um circa 7.30 Uhr in die Kirche. Meistens dauert der Gottesdienst zwischen zwei und drei Stunden. Leider verstehe ich nichts, da alles auf Telugu (die Landessprache von Andhra Pradesh) ist. Die jüngeren  Mädchen gehen in die „Sunday School“, die wie eine Art Kinderkirche ist.

Das Gebäude
Das Boarding Home ist ein U-förmiger Komplex. Auf dem Titelbild meines ersten Blogeintrages sieht man den Eingang und den Hof. Auf der rechten Seite befinden sich mein Zimmer, das Zimmer der College-Mädels, das Office, ein Durchgang zum Hinterhof und die Küche. Auf der anderen Seite ist die „Hall“, in der die Mädchen gleichzeitig  schlafen, essen, spielen, beten und lernen. Daneben befindet sich ein „Box-Room“, hier hat jedes Mädchen ein Schließfach für persönliche Dinge. Ganz hinten befinden sich dann noch die Waschräume. 

Über den Hinterhof kommt man zum Haus von Bhagya. Dort befinden sich auch die Waschssteine, auf denen die Mädchen ihre Wäsche waschen.

Zum Hostel gehören auch einige Affen. Wilde Verfolgungsjagden über die Dächer und Bäume, die einen ganz schönen Lärm verursachen, sind nicht selten. Deshalb sollte man auch immer gut seine Türen schließen, sonst gehen sie in die Räume, suchen nach Essen und verwüsten alles…Ja, ich spreche aus Erfahrung :)

Die letzten Wochen waren zudem noch mit vielen Tanzstunden und Krippenspielproben geprägt. Ich wurde gebeten, auf ein deutschsprachiges Lied einen Tanz einzuüben. Zudem habe ich noch ein Krippenspiel auf Englisch umgeschrieben und mit ein paar Mädels geprobt.

Meine Mitfreiwilligen Miriam und Solveig waren mich letzte Woche besuchen und gemeinsam haben wir Nandyal und einen Hindu-Tempel besichtig. Außerdem bin ich diese Woche noch auf einer Hochzeit eingeladen, auf die ich schon sehr gespannt bin.

Weihnachten werde ich mit meiner lieben Mitfreiwilligen Lea in Bangalore verbringen und zu Silvester treffen sich alle Freiwilligen in Goa. Ich bekomme außerdem Besuch aus Deutschland, von meinem Freund, worauf ich mich schon sehr freue.

In diesem Sinne wünsche ich euch eine schöne Weihnachtszeit!

Bis bald, eure Nathalie

P.S. In meinem nächsten Blogeintrag berichte ich von meiner Weihnachtsfeier im Hostel, wie ich Weihnachten verbracht habe und über meinen Aufenthalt in Goa.

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Der Innenhof des Hostels (Foto: EMS/Schmidt)
Der Innenhof des Hostels (Foto: EMS/Schmidt)