Weltweit erlebt
ÖFP

Weltweit erlebt

10 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

info_outline
Zeitung lesen: der Versuch, gleichzeitig Buchstaben, Vokabeln und das Zeitgeschehen zu lernen (Foto: EMS/Gieseke)
Zeitung lesen: der Versuch, gleichzeitig Buchstaben, Vokabeln und das Zeitgeschehen zu lernen (Foto: EMS/Gieseke)
07. November 2018

నేను తెలుగు నేర్చుకుంటున్నాను - Ich lerne Telugu!

Miriam

Miriam

Indien
arbeitet in einem Mädchenheim mit
zur Übersichtsseite

నీవు తెలుగు మాట్లా డగలవా? కొంచెం.

Niivu Telugu maatla dagalavaa? Konchem.

Kannst du Telugu sprechen? Ein bisschen.

Wie ich in meinem letzten Blogeintrag geschrieben habe ist es mir im Moment sehr wichtig, mehr von der Sprache zu lernen, damit ich mehr von den Menschen lernen kann.

Vor allem in den letzten drei Wochen nach meinem Besuch bei Solveig in Secunderabad und dem Dasara Festival in Mysore (eine tolle Erfahrung mit Elefantenumzug!) habe ich jeden Tag gelernt und dementsprechend auch ein paar Fortschritte gemacht. Wer mehr über Mysore und die Elefanten wissen will, schaut am besten bei Katharinas Blog vorbei :)

Ich hätte nicht gedacht, dass es mir so Spaß macht, die Sprache und die Schrift hier zu lernen. In Deutschland hatte ich mir (trotz guter Vorsätze) kaum etwas angeschaut. Aber die paar Wörter, die ich konnte, haben mir auch nicht so viel gebracht, weil vieles, auch vom Dialekt bedingt einfach nicht so verwendet wird, wie es in meinem Buch oder dem Internet zu finden war. Vielleicht ist das aber auch nur ein Versuch meine eigene Faulheit zu rechtfertigen ;)

Am Anfang wurden mir immer wieder ein paar einzelne Wörter gesagt, die ich mir gut oder weniger gut merken konnte. Sobald ich geistig in Khammam angekommen bin und mit meinen vielen Gedanken Zeit hatte, mich auch um die Sprache zu kümmern, habe ich angefangen, immer wieder nachzufragen und alles aufzuschreiben. Lehrer habe ich mehr als genug – Hema, die Warden des Girls Hostels und ihr Mann Jeevan sind hier oft meine Ansprechpartner, die mir immer viel weiterhelfen können. Ich habe vier Nachbarinnen im Zimmer nebenan, mit denen ich oft in dem kleinen Garten vor meiner Tür sitze und lerne. Sie waren die ersten, die mir Sachen beigebracht haben – vor allem einfache Wörter oder Phrasen, mit denen ich in ihren Witzen mitspielen konnte. Sie haben mir auch beigebracht, wie ich meinen Nachbar gegenüber jedes Mal fragen kann wohin er geht, wenn ich ihn sehe (und er läuft wirklich sehr sehr oft von irgendwo nach irgendwo), besonders wenn es extrem offensichtlich ist, wo er hingeht. Das hat sich zwischen uns auch ziemlich schnell als Witz etabliert. So konnte ich mich auch ziemlich schnell in die nicht-englischen Gespräche der Gruppe integrieren, auch wenn ich kaum mehr als aagu (=Stop), saree (=okay) und ekkadiki velthunavu? (=Wohin gehst du?) sagen konnte.

Meine Nachbarinnen haben mir auch die ersten Buchstaben beigebracht. Zuerst schien es mir unmöglich, mir die ganzen Buchstaben zu merken – das Alphabet hat 56 Stück, die sich zum Teil ziemlich ähnlich sehen. Die verschiedenen Elemente wie Kringel und Bögen werden schon in den Grundformen unterschiedlich kombiniert, weswegen ich sie oft verwechselt habe. Außerdem gibt es jeden Buchstaben zweimal – Vokale in einer kurzen und langen Form und Konsonanten in einer normalen und einer akzentuierten Form. Den Unterschied höre ich auch jetzt nur selten raus, weswegen selbst schreiben noch nicht wirklich geht. Es gibt zum Beispiel je vier verschiedene T- und D- Laute, die sich durch die Zungenposition (hinter oder zwischen den Zähnen) und der Akzentuierung unterscheiden. So gibt es aber quasi einen fließenden Übergang – oft weiß ich nicht ob der Buchstabe ein T oder ein akzentuiertes D ist. Das fällt mir immer noch schwer. Dann habe ich herausgefunden, dass es noch viel viel mehr Buchstaben gibt. Telugu wird nicht einzeln in Konsonanten geschrieben, sondern in Silben. So gibt es zum Beispiel den Buchstaben ka క, der dann beliebig zu kaa కా, ki కి, kii కీ, ku, కు, kuu కూ, ke కె, kee కే, kai కై, ko కొ, koo కో oder kau కౌ geändert werden kann. Wenn jetzt zwei Konsonanten aufeinandertreffen gibt es wieder Extrazeichen unter den normalen Buchstaben – zum Beispiel  kma క్మ, kraక్ర, kta క్త oder kka క్క. Um auf das vorherige Beispiel nochmal einzugehen: Durch die Ergänzung mit einem zweiten T- oder D- Laut kenne ich inzwischen sieben verschiedene T-Laute: టఠతథట్తత్తత్థ – unterscheiden kann ich sie aber nicht. Auch bei anderen Lauten wird es schwierig: కల్లు (Kallu=Augen), కాల్లు (Kaallu=Bein) und కళ్ళు (Kaallu (mit anderem Buchstaben für lu)= Beine) könnte ich ohne Kontext nicht auseinanderhalten.

Wie man vielleicht hören kann ist es auch für mich noch sehr kompliziert – aber ich übe fleißig, übersetze Kinderlieder in meine Lautschrift, führe mein Vokabelheft inzwischen mit Telugu-Buchstaben und frage jeden, der ein bisschen Zeit hat nach Wörtern und den richtigen Buchstaben. Auch die Mädchen aus dem Girls Hostel haben Spaß daran, mir Wörter beizubringen – auch mit den kleineren, die kein Englisch können, funktioniert das über Pantomime und auf-Sachen-zeigen gut. Sie bringen mir auch gesprochenes Telugu dadurch bei, dass sie zum Teil einfach Telugu mit mir reden. Das kann manchmal auch nervig sein, weil sie zum Teil auch ungeduldig sind, schnell sprechen und viele das gleiche auch auf Englisch sagen könnten oder zumindest probieren könnten. Es ist anstrengend, aber eigentlich ist es gut so, weil ich dann gezwungen bin, genau zuzuhören und die paar Wörter, die ich auf Telugu kann, auch einzubringen.

Auch andere Leute reden immer mehr einfache Sachen auf Telugu. Smalltalk (der meistens über das Essen geht) und damit auch sämtliche Gemüsearten sind jetzt ganz gut machbar. Und ich kann inzwischen auch der Mutter von Jeevan oder den geistig behinderten Kindern in der Special School von meiner Familie oder von meinem Tagesprogramm erzählen. Es freuen sich immer alle, wenn wir uns so stichwortartig verständigen können und mich motiviert es, mehr zu lernen, damit ich richtig mit ihnen sprechen kann. Schon jetzt habe ich das Gefühl, dass die Sprache mich näher zu den Menschen bringt – auch wenn ich noch so viel zu lernen habe: Von Grammatik weiß ich noch ziemlich wenig – auch weil ich kein Telugu- Buch habe fehlt mir da der Überblick (außer das Verb "essen", das kenne ich inzwischen ganz gut: Ich habe gegessen, ich esse jetzt, sollen wir jetzt essen?...). Ich bin auch froh, Latein gelernt zu haben, einfach weil ich dadurch ein besseres Verständnis von verschiedenen Verb- und Nomenformen habe. So kompliziert wie die lateinische Grammatik sind zumindest die Verbformen, soweit ich weiß, nicht.

Ich finde die Schrift auch auf jeden Fall hilfreich, um die Sprache zu lernen – es ist sehr viel einfacher, ein Wort in Telugu zu schreiben und dann zu wissen, dass es stimmt, als zu versuchen es akustisch irgendwie in unsere Buchstaben zu übertragen. Da habe ich oft Sachen falschgeschrieben, weil ich sie nicht verstanden habe und jeder die Telugu Buchstaben anders in unsere lateinischen überträgt – da gibt es eben nur ein T und nicht sieben.

Ich bin selbst sehr gespannt, wie es mit meinem Telugu weitergeht. Auf jeden Fall lerne ich einfach mit meinem normalen Umfeld weiter. Seit letzter Woche trifft sich auch eine Lehrerein der benachbarten St. Mary's High School mit mir, was bis jetzt aber nicht besonders effektiv war, weil wir kein Telugu-Buch hatten. Aber das werde ich hoffentlich bald besorgen (gar nicht so einfach, ein Buch mit englischen Erklärungen zu finden). Meine Motivation ist auf jeden Fall ziemlich groß und jeden Tag sind es kleine Momente, die mich weiter motivieren: Das zahnlose Lächeln von Jeevans Mutter, wenn ich bei Aster-Jamal (ein Brettspiel hier in Telangana, man könnte sagen ein indisches "Mensch-ärgere-dich-nicht") auf Telugu mitzähle oder der Mitarbeiter Kondaya, der mich jedes Mal nach meinem Essen und meinem Befinden fragt. Mohan, den ich immer noch ab und zu frage, wo er denn hingeht, oder die Kinder, wenn ich verstehe, was sie mir sagen wollen oder und sie meine Antwort verstehen. Auch, dass ich zunehmend die Themen von Unterhaltungen verstehen kann gibt mir ein gutes Gefühl, mich mehr integrieren zu können.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Weg noch sehr lang ist, aber dass es mir unglaublich viel Spaß macht – viel mehr als ich erwartet hätte. Auch die Schrift habe ich schneller gelernt, als ich am Anfang dachte.

Damit möchte ich euch noch einen శుభొ దయం (shuboo dhayam= guten Morgen) wünschen. Ich melde mich bald wieder und ich hoffe, dieser Blogeintrag konnte ein bisschen meine Faszination für die neue Sprache ausdrücken.

Liebe Grüße, టాత (Tatha=Tschüss),

eure అక్క//చెల్లి (Akka/Celli = große/kleine Schwester) Miriam

info_outline
Ein paar meiner kleinen Lehrer vor dem Girls Hostel (Foto: EMS/Gieseke)
Ein paar meiner kleinen Lehrer vor dem Girls Hostel (Foto: EMS/Gieseke)
info_outline
Die beiden Alphabete - auch in der Special School lerne ich oft mit der Lehrerin (Foto: EMS/Gieseke)
Die beiden Alphabete - auch in der Special School lerne ich oft mit der Lehrerin (Foto: EMS/Gieseke)