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Foto mit einigen Mädchen und Frauen aus dem Hostel. (Foto: EMS/Oellig)
 Foto mit einigen Mädchen und Frauen aus dem Hostel. (Foto: EMS/Oellig)
19. Juli 2024

Chombala

Luisa

Luisa

Indien
Mädchenheim
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Liebe Leserinnen und Leser,

meine Zeit in Indien ist nun fast vorbei und ich habe immer noch nicht von meinen letzten 2 Monaten in Chombala erzählt! Deshalb mach ich das jetzt :)

Da das Mädchenheim schließen musste, wurde ich für die letzten 2 Monate nach den Sommerschulferien im April und Mai nach Chombala versetzt. Hier liegen das CSI Christian Muller Women‘s College, ein Hostel, das Life Skill Center, ein Kindergarten und eine Grundschule auf einem riesigen Grundstück direkt neben dem Highway nebeneinander.

Aber erstmal von vorne. Offiziell hatte der Bishop mich hier her zum „Life Skill Center“ versetzt, ein Projekt, das (als die Gelder noch ankamen) auch von der ems unterstützt wurde. Hier kommen dienstags, freitags und samstags Grundschulmädchen her, die aus ärmeren Familien (meist Fischerfamilien) stammen. Vor Schulbeginn bekommen sie dann Karate, Yoga oder Tanzunterricht und Frühstück. Ursprünglich bekamen sie auch Klavierunterricht, aber auch hier gab es große Einschränkungen, da die Funds blockiert werden. Ich hab bei dem Unterricht einfach immer mitgemacht. Es war total süß mit den Mädchen und interessant einmal eine richtige Yogaclass mitzuerleben, allerdings wurden die Unterrichtseinheiten in den letzten Wochen abgesagt, da Reparaturseinheiten am Gebäude stattfinden. Das Keyboard darf ich netterweise trotzdem benutzen :).

Aus der Kirchengemeinde in Kannur kenne ich den Administrative Officer des Colleges, Sir Shaji Bethel. Er hat mich allen dort vorgestellt und sein Bestes gegeben mich zu integrieren. Das war aber gar nicht so schwierig, denn alle Menschen hier, ob Schüler oder Lehrer, waren total interessiert und glücklich, dass ich da war und sind auf mich zugekommen. Mir wurde auch angeboten mich in die Psychologie Class zu setzen. Das hat mich total gefreut, allerdings wird trotz englischer Unterrichtsmaterialen auf Malayalam unterrichtet. Deshalb war ich nicht die ganze Zeit dabei, sondern nur bei manchen Stunden. Nichtsdestotrotz war es hilfreich um neue Freunde zu finden und total interessant mal den Unterricht mitzuerleben. Der hat mich teilweise total an meine Schulzeit zurück erinnert. Die Beziehung zwischen den Lehrern und Schülern ist ziemlich eng und freundlich gewesen. Die Lehrer haben den Unterrichtsstoff mündlich erklärt und dann Aufschriebe diktiert, aber manchmal mussten die Schüler auch Vorträge halten und Assignments abgeben. Generell ist mir aufgefallen, dass einige Schüler relativ unmotiviert waren und dem Unterricht nicht gefolgt sind, was ich gar nicht so erwartet hätte, weil in Kannur die Bildung höchste Priorität hatte und alle Schüler Semesterbeiträge zahlen müssen. Freunde von mir meinten, ihre Lieblingszeit im College ist die Mittagspause, wenn sie endlich essen können. Find ich ehrlicherweise ein bisschen witzig, aber gleichzeitig auch total krass, weil das so im Gegensatz zu meinen Mädchen aus dem Mädchenheim steht, die die Möglichkeit, das Studium zu bezahlen, gar nicht haben.

Unabhängig vom Unterricht gab es immer wieder Functions, beispielsweise zum International Environment Day oder die Inauguration des Red Ribbon Clubs. Der Red Ribbon Club ist eine Bewegung der indischen Regierung an indischen Bildungsstätten, die Aufmerksamkeit auf wichtige Themen, wie Blutspende und vor allem AIDS, lenken möchte. Bei diesen Events wurde ich als „Chief Guest“ mit vorne auf die Bühne gesetzt und sollte - teilweise mit und teilweise ohne Ankündigung - eine kleine Rede halten. So stand ich an meinem 3. Tag hier plötzlich vor dem ganzen College und sollte meine Gedanken zum International Enviroment Day teilen, nachdem eine Ayurveda Doktorin gerade eine wundervolle, interaktive Rede gehalten hatte…Was ich gesagt habe, habe ich schon wieder vergessen, aber ich befürchte meine letzten Worte waren so etwas wie „so let us all be happy and healthy“ haha.. Aus meiner Comfort Zone bin ich also durchaus gepusht worden, mittlerweile kann ich mit diesen spontanen Reden aber denke ich deutlich besser umgehen :). 

Bei diesen Functions ist es immer so, dass vor jedem Beitrag einer Person, dem Schulleiter und den anderen Special Guests persönlich ein Dank ausgesprochen werden muss. Auch ganz am Ende wird sich nochmal bei jedem bedankt. 

Die respektvolle Anrede ist hier ganz wichtig, bei den Lehrerinnen und hohen Positionen im College muss vor dem Name immer Ma‘am oder Sir gesagt werden und auch bei Schwestern, Freundinnen oder Aufsichtspersonen muss man Auntie oder große Schwester sagen. Deshalb werde ich auch immer „Luisachechi“ oder „ Luisechi“, also „Luisa große Schwester“ oder „Luisa Schwester“, genannt. Auch Jomol hat mich mal darauf angesprochen, wie man bei uns in Deutschland bei älteren Freunden und Familie den Respekt ausdrückt. Als ich ihr dann erzählte, dass es sowas bei uns gar nicht gibt, wir nur den Namen sagen, war sie ganz erstaunt und geschockt, dass man sich so keinen extra „Respekt erweist“. 

Ich wohne in dem Hostel, das zum College gehört und direkt auf dem Campus ist. Hier verstehe ich mich mit den anderen Mädchen und Frauen und vorallem auch der Köchin total gut. Ihr schaue ich momentan viel über die Schulter, damit ich in Deutschland ein paar Gerichte nachmachen kann, die ich definitiv vermissen werde. Die Hostelmanagerin Molly Auntie war früher mal Warden im Mädchenheim in Kannur, wohnt da und ist die beste Freundin meiner Warden dort. Dadurch bin ich fast jedes Wochenende zurück in Kannur, was sich immer wie Zurückkommen zur Familie anfühlt :). Zurück im Hostel nimmt mich Molly Auntie immer mal wieder mit zum Markt um Einkäufe zu erledigen und hat mir auch schon den Strand von Mahé gezeigt, der nicht weit von hier ist. Außerdem kauft sie mir typischerweise ganz viele Snacks und überhäuft mich mit Essen. Unsere typische Konversation kann man meistens so übersetzen: Molly Auntie: „willst du Snacks?“, Ich: „nein danke, ich bin immer noch so voll“, Sie: „oh doch, schau mal die Snacks kaufe ich dir“. Sie kümmert sich sehr um mich und ich hab sie wirklich gerne. Ihre Tochter wohnt und arbeitet tatsächlich in Deutschland. Aus Kerala kommen ganz viele Menschen als Pflegekräfte nach Deutschland. Sie werben hier mit dem Gehalt umgerechnet in indische Rupien. Das Gehalt für Pflegekräfte wirkt hier sehr sehr hoch, in Deutschland reicht das aber nur knapp aus, da neben dem Gehalt,  leider auch alle Preise höher sind. Die Arbeitsbelastung als Pflegekraft mit Pflegemangel in Deutschland kommt da noch dazu und so werden die Erwartungen, die hier aufgebaut werden, leider nicht erfüllt. Molly Aunties Tochter zum Beispiel ist alleine für 25 Senioren verantwortlich und am Ende des Monats bleibt nichts übrig, was sie nach Hause schicken kann. Das tut mir total leid. Immerhin wohnt sie in Augsburg, also nicht weit von mir entfernt, und ich kann ihr Gewürze und Medikamente aus Indien mitbringen :). 

Außerdem hat jetzt die Regenzeit begonnen, was öfter mal zu Stromausfällen führt und es schwierig macht die Klamotten trocken zu bekommen. Regenzeit bedeutet hier oft auch Krankheitszeit, wegen vermehrter Moskitos und möglicherweise verunreinigtem Wasser. Das wird aber sowieso immer abgekocht und bis jetzt sind wir alle verschont geblieben :).

Irgendwie total surreal, dass das Ende meiner Einsatzzeit jetzt so nah ist, ich freue mich aber definitiv schon wieder auf meine Familie :).

Danke fürs Lesen, ich hoffe ich konnte euch allen einen kleinen Einblick geben! 

Liebe Grüße, 

Luisa 

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Zum Abschied haben meine engsten Freunde aus der Psychologyclass mir einen Kuchen gekauft. (Foto: EMS/Oellig)
Zum Abschied haben meine engsten Freunde aus der Psychologyclass mir einen Kuchen gekauft. (Foto: EMS/Oellig)
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Zum Abschied habe ich vom College einen Token of Appreciation überreicht bekommen :) (Foto: EMS/Oellig)
Zum Abschied habe ich vom College einen Token of Appreciation überreicht bekommen :) (Foto: EMS/Oellig)

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