Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)
Sprache ohne Worte
Ich möchte mit einer kleinen Geschichte beginnen, die mir heute wieder eingefallen ist, sie kam mir so klein und unbedeutend vor, aber trotzdem war es mein erstes Zusammentreffen hier in Indien mit der Sprache ohne Worte:
Es war am Flughafen in Chennai, wir standen gerade an, um durch die Visa- und Passkontrolle zu gehen, wir hatten es alle noch nicht so ganz verstanden, dass wir uns auf indischem Boden befinden, das realisierten wir erst wirklich, als wir aus dem Flughafengebäude rauskamen. Wir standen also alle an und warteten darauf, dass es voran geht und wir endlich durch die Kontrolle durch sind, als eine etwas ältere indische Frau vor mir einen Telefonanruf bekam aber es nicht schaffte diesen anzunehmen, weil sie mit ihrem Touchscreen nicht zurecht kam. Was macht man dann? Ganz einfach man dreht sich um schaut mich fragend an und hält mir das Handy hin. Ich, etwas fertig und extrem müde von dem langen Flug, auf dem es mir nicht wirklich gelungen ist zu schlafen, denke mir nichts dabei, nehme das Telefon für sie ab und sie grinst mich an und telefoniert. Da indische Telefonate normalerweise nicht sonderlich lang gehen, aber dafür ständig welche kommen, passierte das in der Zeit, in der wir anstanden nicht nur einmal sondern bestimmt zehn Mal, sie drehte sich zu mir um, hielt mir ihr Handy hin und sobald ich ihr Handy abgenommen hatte, drehte sie sich grinsend wieder weg. Wir sagten schon aus Scherz, dass diese Frau meine erste indische Freundin hier sei, obwohl ich in dieser Zeit kein einziges Wort mit ihr gewechselt hatte. Und obwohl sie es noch nicht einmal versucht hatte mir etwas zu sagen, wusste ich sofort, was sie von mir wollte.
So in etwa läuft das nach zwei Monaten manchmal immer noch ab, es gibt Läden in Kannur da muss ich nur noch hin laufen und die Verkäufer wissen meist schon, was ich möchte. Nachdem ich ein, zwei Mal umständlich versucht hatte zu erklären wie viel ich von was möchte, hat sich das so ganz gut eingependelt.
Hier an meiner Stelle im Bethania Students' Home können zwar fast alle Englisch, aber gerade die ganz kleinen Mädchen und eine der Köchinnen können kein einziges Wort. Inzwischen ist diese Sprache ohne Worte aber doch etwas verändert worden. Inzwischen spricht jeder auf der Sprache, die er kann und mit Händen und Füßen wird versucht zu zeigen, was man von dem anderen möchte und irgendwie klappt es immer. Die Köchin möchte von mir meistens wissen, ob ich Hunger habe oder wohin ich gehe, dafür ist die Zeichensprache noch ziemlich einfach, um sich zu verständigen. Bei den kleinen Mädchen sieht es dann doch etwas anders aus. Sie quatschen mich liebend gerne auf Malayalam zu und zwar ohne Punkt und Komma. Ist ja auch egal, ob ich etwas verstehe, zumindest haben sie Spaß dabei. Eines dieser kleinen Mädchen hat es sich jedoch zur Aufgabe gemacht, mir ihre Sprache beizubringen. Die Zahlen kann ich inzwischen schon ganz gut von eins bis zehn denn sie ist ziemlich hartnäckig dabei mich dazu zu bringen, ihre Stifte aus ihrer Stiftebox zu zählen und wenn ich etwas falsch gemacht habe fangen wir wieder bei eins an. Es hat zwar ein wenig gedauert bis ich verstanden habe, was ich jetzt sagen muss, denn sie hat mir davor nicht gesagt, wie die Zahlen heißen. Erst wenn ich etwas falsch mache, wird das Richtige gesagt, dann aber in einem sehr enttäuschten Unterton und mit einem mitleidigen Blick, was ziemlich lustig bei einer Fünfjährigen aussieht.
Aber am liebsten fordern mich generell alle Mädchen hier mit den Worten „Pade, Jennychechi, Pade - Sooong!“ dazu auf, ihnen ein Lied zu singen. "Pade" bedeutet soviel wie "Lied" oder "singen" und "Jennychechi", das bin nun mal ich. "Jenny" ist der Spitzname den sie mir bereits am ersten Tag hier verpasst haben und bald kam auch schon das "Chechi" dazu, was große Schwester bedeutet. Das ist auch meine Aufgabe hier, große Schwester sein. Wenn ihr jetzt denkt: „Ach, das kann Janina doch schon, schließlich hat sie ja zwei kleinere Brüder“, hat falsch gedacht, diesmal heißt es nett sein und zwar immer. Ich will ja nicht von mir sagen, dass ich eine gemeine große Schwester für meine Brüder war, aber so unter Geschwistern kann man halt auch nicht immer nett sein. Aber diesmal geht es mehr darum, für die Mädchen da zu sein und immer ein offenes Ohr zu haben für ihre Probleme. Die Mitarbeiter hier haben dafür nämlich leider nicht sonderlich viel Zeit. Um mit den Worten meiner Chefin meine Aufgaben hier jetzt noch auf den Punkt zu bringen: „ Make out of this time here in India the best as you can, for you and for the girls.“ Also dann befolge ich doch einfach mal diesen Arbeitsauftrag und mache mir und den Mädchen hier eine schöne und gute Zeit. Bis jetzt hat das auch meistens sehr gut funktioniert und ich hoffe das bleibt auch weiterhin so, aber da wird es, denke ich, kein Problem geben, denn die Mädchen, die hier Englisch können haben echt ihren Spaß daran mir abends extrem schlechte Gruselgeschichten zu erzählen und wenn sie es dann aufgegeben haben, mich in Angst und Schrecken zu versetzen machen sie sich dann doch lieber daran, den größten Schwachsinn zu verzapfen, den ich je gehört habe :DD Da bin ich wirklich am richtigen Ort gelandet, Schwachsinn reden kann ich.
So, Alles in Allem kann man sich nur wohl fühlen und deshalb bin ich super froh hier zu sein und die Chance zu haben, die Zeit hier zehn Monate genießen zu dürfen.
Meine Versuche Malayalam zu lernen bestehen natürlich nicht nur darin, dass ein kleines Mädchen mir die Zahlen und ein paar Tiernamen beibringt, sondern inzwischen habe ich schon das ganze Alphabet aufgeschrieben und mir dazu notiert, wie die einzelnen Buchstaben ausgesprochen werden (naja ich muss zugeben bei der Hälfte steht ungefähr dasselbe, das hört sich für mich auch fast alles gleich an :D) Mit diesem Alphabet setze ich mich jedenfalls abends, wenn die Mädchen Hausaufgaben machen, mit einer indischen Zeitung dazu und lese jeden Tag eine Überschrift, die ich dann auch gleich, hilfsbereit wie die Mädchen sind, übersetzt bekomme. Auch schon ein paar Sätze kann ich sagen, zum Beispiel wie ich heiße oder wo ich her komme, aber auch, dass mir das Essen geschmeckt hat. Ich sollte mal lieber lernen zu erklären, dass ich nicht so viel zu Essen brauche, aber selbst die die Englisch können, interessiert das nicht sonderlich. Hauptsache ich habe viel zu viel auf meinem Teller, damit wenn ich zurück komme meine Familie nicht denkt, ich hätte hier nichts zu essen bekommen.
Auch meinen ersten Besuch von Paula habe ich in diesem Monat hier an meiner Stelle bekommen und auch meine erste Reise alleine nach Mysore, um die anderen Freiwilligen zu treffen und das Dusshera Festival zu sehen, habe ich bereits gemacht. Dies war eine super Möglichkeit mich mit den anderen auszutauschen, wie es an ihren Stellen so abläuft und es hat mir auch echt Lust gemacht, noch mehr von diesem Land zu sehen, denn es gibt überall etwas zu entdecken, ob jetzt hier in Kannur wo ich mehr als genug Zeit habe und auch schon bereits hatte, um neue Dinge zu sehen oder in einer anderen Stadt in einem anderen Bundesstaat.
Ich bin gespannt was bis zu meinem nächsten Blogeintrag noch so alles passiert und wieviel ich in dieser nächsten Zeit noch erleben werde.
Liebe Grüße aus dem grünen und seehr warmen Kannur
Eure Janina