
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Arranged marriages and liberty
German and English version
Meinen gestrigen Tag habe ich auf einer Hochzeit verbracht. Das würde ich gerne als Anlass nehmen euch ein paar meiner Gedanken über Hochzeiten, Heirat und Freiheit von vor allem jungen Mädchen mitzuteilen. Für die besagte Eheschließung fuhren Mary und ich am frühen Morgen in das 4 h entfernte Kurnool. Nach kurzem Besuch der Kirche (wir waren etwas spät), ging es in eine der vielen Function Halls, die in der Regel in jeder größeren Stadt, meist am Stadtrand zu finden sind. Das hat einen ganz einfachen Hintergrund: Zu indischen Hochzeiten und anderen Festen sind deutlich mehr Leute geladen als in Deutschland. Das bedeutet man braucht auch Platz für die meist sogar über 1000 Gäste, zu denen auch oft noch ungeladene Gäste hinzukommen. In besagter Function Hall gab es dann Verköstigung für die Menschenmassen. Aus mangelndem Platz wurde das Essen von Papptellern im Stehen eingenommen. Es war trotzdem von überraschend hoher Qualität (heißt echt lecker), obwohl es für so viele Menschen zubereitet wurde, jedoch sind die Menschen hier auch gewöhnt für Massen zu kochen, da auch zu Hause regelmäßig für eine große Anzahl an Familienmitglieder gekocht werden muss. Nachdem alle gut gesättigt waren, wurde einem nach dem anderen die Chance gegeben, dem Brautpaar zu gratulieren, welches auf einer Art Bühne positioniert war. Bei dieser Gelegenheit wurden dann auch diverse Fotos mit dem Brautpaar geschossen. Erwartet hatte ich nun eine große Party mit Programm und Musik oder Ähnlichem, doch zu meiner Überraschung war es hiermit auch schon vorbei. Wodurch meine Verwunderung über den erneuten Kleiderwechsel des Brautpaars nach dem Gottesdienst noch größer war. Mary erklärte mir dann, dass diese Party, die ich so kannte, hier nur in seltenen Fällen stattfinden würde, jedoch würden sich die Festivitäten der Eheschließung auch über mehrere Wochen bis zu Monaten erstrecken.
Mit der Eheschließung beginnt für die Mädchen hier nicht nur die Verantwortung der guten Ehefrau und recht schnell auch der Mutter, sondern auch das erste Mal eine Zeit in ihrem Leben, in der sie eine Art von Freiheit genießen können, denn damit sind sie in den Augen der Eltern erwachsen. Dadurch, dass junge Frauen hier möglichst mit 25 Jahren verheiratet sein sollten, ist das nicht so erschreckend wie ich zuerst dachte. Jedoch ist bis dato das Leben doch sehr von der Familie bestimmt: Sie wohnen entweder im Elternhaus, oder wenn dies aus Studiums- oder Ausbildungsgründen nicht möglich ist in Hostels, wie dieses in dem ich arbeite, streng nach Geschlechtern getrennt. Ein Kontakt zu jungen Männern ist hier höchst unerwünscht und meist verboten. Dies ist auch von den Eltern so gewollt. Eine Möglichkeit eine Beziehung zu führen ist also nicht gegeben und traditionsmäßg auch gar nicht erwünscht. Das Konzept der von der Familie arrangierten Ehe ist immer noch weit verbreitet, auch wenn die junge Generation dieses System zunehmend auflockert und teils auch durchbricht. Bei der Partnerwahl spielt sowohl das offiziell verbotene Kastensystem, als auch die Hautfarbe, die Familie, die Bildung, das Geld oder Besitztum und natürlich auch das Aussehen eine Rolle. Ziel ist dabei einen Partner zu finden, der einem in möglichst vielen Aspekten recht ähnlich ist. Für mich, als eine in Deutschland aufgewachsene junge Frau ist dieses Konzept unvorstellbar. Trotzdem sind die Auswirkungen dieses Systems oft sogar positiv, was ich mir zuvor überhaupt nicht vorstellen konnte. Zum Beispiel sind Ehen hier zwar oft arrangiert, Liebe kann sich jedoch trotzdem noch entwickeln. Wenn das nicht der Fall ist, ist die Ehe eher eine Lebenspartnerschaft in der eine enge Verbundenheit und Freundschaft entstehen kann, wodurch einige das Gefühl der Liebe, welches in unserem Denken ja essentiell für eine Ehe ist, gar nicht vermissen. Wahrscheinlich weil diese Lebenspartnerschaft eben eine Art von Liebe ist. Immer wieder bin ich überrascht, wie liebevoll die Partner miteinander umgehen und dies auch in der Öffentlichkeit, obwohl hier Küssen und Händchen halten verpönt sind. Ich stelle oft fest, dass das Wohlergehen des Partners und der Familie an höchster Stelle steht, etwas was ich in Deutschland oft vermisse. Das soll nicht heißen, dass ich ein solches System in anderen Ländern implementieren wollen würde, jedoch stelle ich für mich fest, dass es nicht so negativ ist, wie ich zuerst dachte. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass diesen jungen Mädchen mehr Freiheit zuteilwird, denn ich finde es sehr traurig, wenn sie ihre Beziehung der Familie aus Angst vor Strafe verheimlichen müssen und sogar abends an einem abgelegenen Ort ihr Gesicht verhüllen um nicht erkannt zu werden (gleiches gilt auch für das männliche Geschlecht, obwohl ihnen deutlich mehr Freiheit zugesprochen wird). Insbesondere würde ich mir wünschen, dass sie auch einmal alleine Dinge erleben können ohne immer einen Aufpasser dabei zu haben, denn ich denke, dass das ihnen helfen würde auf einem langsameren Weg erwachsen zu werden. Denn so habe ich das Gefühl, dass sie sich nicht wirklich entwickeln können, bis sie verheiratet werden und dann lastet plötzlich so viel Verantwortung auf ihnen, die sie nie davor hatten und sie dann oft nicht wissen wie sie damit umgehen sollen. Das fängt bei kleinen Dingen, wie Haushalt und Kochen an, ist aber deutlich weitreichender, wenn es beispielsweise um das erste Kind geht.
Ich hoffe ich konnte euch einen etwas anderen Einblick auf arrangierte Ehen geben, als die meisten Medienberichte das tun und bedanke mich fürs Lesen.
Yesterday we, Mary and myself, attended a wedding and I thought this would work well as a topic for another blog entry dealing not only with weddings, but also with marriage in general and liberty of young girls in India. For this marriage we drove 4 hours in the early morning to Kurnool. After a short visit to the church (we were a bit late), we walked the short distance to the Function Hall which is one of many in most big cities. They are usually located at the town's edge because they are used by a lot more people (about 1000 invited, not speaking about the uninvited guests for one wedding) than in Germany. There we had our food on paper plates along with all the other people standing because of the lack of space. I was amazed by how good the food was although it was prepared for so many people. However, you have to keep in mind that people here are used to cooking for many especially because they host family dinners regularly. Afterwards the guests were given the opportunity to take pictures with the now differently dressed groom and bride and congratulate them on their new marriage. I assumed that this was the beginning of a big party with music and dance, but it was not. It was actually the end. Mary explained to me that it is rarely the case that this day is celebrated with a big party because the wedding celebrations themselves take place over a period of a few weeks up to a few months.
With marriage young women here, possibly age 25 and below, gain not only the responsibility of being a good wife and soon after mother but also some liberty for the first time in their young lives. Until then they depend on their parents and families: they live either with their parents or in Hostels, like the one I work in. These are strictly gender-segregated so that living in a relationship is not possible. That is because contact to the other gender is often prohibited by parent's wish. The concept of arranged marriage is still very present, even if nowadays the younger generation is fighting against it. For choosing the right partner it is important that he is similar to the girl in various different aspects including the officially banned caste system, skin color, family, education, money and properties and looks of course. For me, being a young woman, raised in Germany, this concept is unimaginable. Nevertheless, this system is not as bad as I thought it was. There are still some positive aspects, I found. Such as that the marriages being arranged does not exclude that love cannot grow or if it does not it is still a partnership with deep emotional attachment or friendship which some say is a kind of love. That may explain why some do not even miss the love we think is so essential for marriage.
Often times I am surprised with how much affection the partners treat each other even in public where kissing and holding hands are highly proscribed. I notice that the well-being of the partner and the family is most important, something which is missing in Germany in some cases. That does not mean that I would want to implement such a system in Germany but it has more positive aspects that I thought in the beginning. Nonetheless I wish that these young girls would have more freedom. This is because it is very sad that they need to hide their relationships from their families because they are afraid of being punished to the point that they even cover their faces with a scarf by night to not get recognized (this is also the case with boys however they usually have more liberty). I especially would wish that they could experience the world by themselves without always having somebody with them to make sure they are safe. I have the feeling that they cannot develop themselves like that and are overwhelmed when it actually comes to taking up the responsibilities that they are faced with because they never had them before. This starts with small things like managing the household and cooking but increases drastically when it comes to the first child.
I hope I could give you different insight into arranged marriages than most media reports do and I thank you all for reading.

