
Weltweit erlebt
14 Freiwillige weltweit. Täglich neue Eindrücke und Erlebnisse. Kleine und große Herausforderungen. Erfahrungen für das ganze Leben – all das ist das Ökumenische FreiwilligenProgramm der Evangelischen Mission in Solidarität (EMS)

Fairness and quality time
Deutsche und englische Fassung
So langsam aber sicher werde ich immer mehr zur Inderin. Große Menschenmengen machen mir nichts mehr aus und die Blicke der Menschen um mich herum sehe ich oft schon gar nicht mehr. Ich werde immer entspannter, wenn ich durch die Stadt laufe. Ich habe nicht ständig Angst, dass mir etwas geklaut wird oder eile schnell an den Händlern vorbei, die mir sehr aufdringlich ihre Produkte anbieten. Auch die Rikscha-Fahrer, die meist neben mir anhalten, kann ich nun entspannt ignorieren oder mit einem einfachen Nein abtun. Dennoch gehe ich hier nicht in der Menschenmasse unter, wenn ich durch die Stadt laufe. Denn ich bin eine Weiße.
Man würde denken in einer der größten Städte Indiens würde man nicht so auffallen, doch das tut man. Anfangs fand ich das sehr anstrengend, teilweise aber auch eher lustig, wenn beispielsweise jemandem die Kinnlade herunterklappt und der Kopf sich mit mir bewegt. Das finden auch meine Mitmenschen, die mich begleiten sehr amüsant. Jedoch ist das Weißsein hier auch mit sehr unangenehmen Dingen verbunden. Es wird von Grund auf angenommen, dass man viel Geld besitzt und damit einhergehend eigentlich zu viel Geld hat und allen möglichen Menschen, sei es Bettlern (meist Kinder), aber auch anderen, die einen eher indirekt um Dinge oder Geld bitten, etwas davon abgeben kann.
Zudem wird man hier oft besser behandelt als andere. Das zeigt sich in Höflichkeit, die einem entgegengebracht wird, aber auch darin, dass einem deutlich mehr erlaubt wird. Menschen sind stolz einen Weißen zu kennen und egal wo man hinkommt, man wird immer gebeten, ein Foto, meist ein Selfie, zu machen. Das ist auf Dauer unheimlich anstrengend und auch sehr unangenehm. Man fragt sich dann oft, was habe ich den getan, dass ich etwas Besonderes bin, wie eine Art Celebrity behandelt werde? Nur weil ich weiß bin?
Schwierig ist auch, dass Weißsein (oder Fairness) automatisch mit Schönheit assoziiert wird. Es sind nicht nur alle Menschen in der Werbung, egal auf Plakaten, im Fernsehen oder in Flyern hellhäutig, es wird auch eine Menge Geld mit Whitening Produkten gemacht.
Ich persönlich wurde hier des Öfteren mit dem Antlitz eines Engels verglichen, aufgrund meiner Haut- und Augenfarbe. Auch im Krippenspiel für Weihnachten wird von mir erwartet, dass ich die Rolle des Engels übernehme. Außerdem achten die Mädchen penibel darauf, dass ich nicht zu lange in der Sonne sitze, da ich sonst ja meinen "Glow" verlieren und "schwarz" wie sie werden würde.
Nach vielen Gesprächen, habe ich herausgefunden, dass es diesen Wunsch weiß zu sein, bereits vor der Kolonialisierung in Indien gab. Das war für mich neu, ich bin immer davon ausgegangen, dass die Briten damals eben durch ihre Herrscherfunktion dieses Bestreben ausgelöst haben. Niemand bestreitet hier, dass es dadurch verstärkt wurde, jedoch schien es das auch vorher schon gegeben zu haben.
Nun aber genug der Analyse, ich möchte euch auch noch gerne von meiner vergangenen Woche insbesondere dem Wochenende berichten: Aufgrund des Besuches von meinen lieben Mitfreiwilligen Laura und David aus Udupi, wurde mir das Wochenende weitestgehend freigestellt und wir nutzten die Zeit, um etwas (sogar ziemlich viel) Sightseeing zu machen. Das war auch für mich sehr interessant, denn ich hatte bis dato auch noch nicht viel von meiner Stadt gesehen. So nutzten wir die Gelegenheit, nicht nur berühmte Bauwerke, wie den Chowmahalla Palast oder den Bazaar zu besichtigen, sondern insbesondere verschiedenste Gotteshäuser und Tempel.
Ich habe nämlich das Glück in einer Stadt zu leben, in welcher in kleinstem Umkreis verschiedenste Religionen vertreten sind. Neben Kirchen sind vor allem viele wunderschöne alte Moscheen, aber auch Hindu- und sogar buddhistische Tempel vertreten. Das Schöne daran, sie sind für die Öffentlichkeit geöffnet und so lange man sich respektvoll verhält, ist man herzlich willkommen.
Insbesondere der buddhistische Tempel in Secunderabad, hat es mir sehr angetan und ich habe mir fest vorgenommen, bald dorthin zurückzukehren. Viele Tempel und Moscheen sind auf Bergen gelegen, sodass wir drei einige kleine Wanderungen in der indischen Hitze vollzogen, um diese Bauwerke zu bestaunen.
Des Weiteren haben wir natürlich auch die reichliche Essensvielfalt in den Twin-Cities genossen. Insgesamt war es ein wunderschönes Wochenende, das wir alle sehr genossen haben. Insbesondere weil es auch für mich eine Möglichkeit war, dem Alltag zu entfliehen, der dank Klausurenphase aus langen Stunden Nachhilfe in jeglichem erdenklichem Fach besteht, wobei ich immer wieder froh bin, dass ich zumindest bis auf Telugu jedes Fach einigermaßen beherrsche und vor allem mein Englisch so gut ist, dass es mir möglich ist auch Physik oder Biologie Oberstufe den Mädchen zu erklären.
Mal wieder ein herzliches Dankeschön fürs Lesen und noch besonderen Dank an Laura, die für die schönen Bilder dieses Blogs verantwortlich ist.
English version
Slowly but surely, I am becoming more and more Indian. Neither the huge amounts of people, nor the looks they give me bother me much anymore. I get more relaxed every day and my fear of thieves while walking around in the city is also diminishing. I do not even care about the very persistent salesmen or Rickshaw-drivers anymore. However, I still do not get lost in the shuffle. And that is because I am white.
One might think that living in one of the biggest cities of India would not attract so much attention, but the contrary is the truth. At the beginning it was very annoying, and trust me in some situations it still is, but I am trying to see the funny side of it when f. ex. somebody's jaw drops because of my appearance. Nevertheless, being white is a challenge here. One always assumes that you are very rich and not only that but they think that you will give them money. Therefore, it does not matter if they themselves are homeless people on the street or just people you got to know, directly or indirectly most people will ask you for money.
Being white also comes with better treatment, this involves courtesy as well as a lot more liberty. People are proud to know you and no matter where you go, you will get asked to take a selfie with them which seen on a long term is very annoying and frustrating. Purely because I did not do anything to be treated in a special way and I am still a kind of celebrity.
What I find very confusing is that fairness is associated with beauty. No matter what advertisement you look at, people are always fair. On top of that, there is even a whole industry with whitening products. For me personally, my appearance is associated with an angel's one because of my fairness and blue eyes which means I am supposed to play the angel in the nativity play at Christmas. The girls in my hostel are even further concerned with me getting as "black" as they are and losing my "glow" when sitting in the sun for too long.
What was new to me and hit me as a surprise is that this fairness trend in India exists since before colonialization. I always assumed that because British people were the monarchs, fairness was something everyone wanted to achieve. However, it seems that this only pushed an already ongoing trend.
But enough for the analysis part now, I still want to mention the last weekend. Due to the visit of Laura and David who are also volunteers in Udupi I got most of the weekend off and we did some sightseeing (actually a lot of it).
This was even for me very nice because I did not see a lot of the city I live in before that. We visited not only famous buildings like Charminar and Bazaars, but also lots of different houses of worship. This city is fortunately very famous for many different religions on very little space. We viewed churches, beautiful mosques and temples. The Buddha-temple on top of a hill in Secunderabad was the most special to me and I am therefore planning to go back there soon, even if it includes another hike up there (we did a lot of them when we visited the different places).
Furthermore we enjoyed the variety of different foods in the twin-cities. It was a beautiful weekend which also got me away from the daily routine. This nowadays includes a lot of tuition in every subject you can imagine due to the intermediate exams. I am very fortunate that I did not have a subject in school where I had no clue at all and that my English is decent enough to explain even physics to college students.
Big thank you to all of my readers and a special thank you to Laura who is responsible for all the nice pictures in this blog entry!

