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Das ist die letzte Szene von einem kleinen Anspiel zur Predigt beim Familiengottesdienst (Foto: EMS/Kang/1. Kirche Gwangju)
Das ist die letzte Szene von einem kleinen Anspiel zur Predigt beim Familiengottesdienst (Foto: EMS/Kang/1. Kirche Gwangju)
12. September 2023

Vom neuen Anfang und richtigem Leben

Christine

Christine

Südkorea
Kirchliche Jugend- und Gemeindearbeit
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Dein Koreanisch hat sich ja unglaublich verbessert

Damit begrüßte mich meine Vorgesetzte, mit der ich die ersten 6 Monate in Seoul zusammenarbeitete, als ich ihr im Juni einen kurzen Besuch abstattete. Meine letzte Station dieses Freiwilligendienstes hat mich wieder aufs Festland in eine neue Stadt gebracht. Aber zwischendurch war zum Glück Zeit, bei alten Bekannten vorbeizuschauen.

Und allein das ist etwas, was ich mir nie richtig vorstellen konnte. Ich kenne in Seoul, Stunden entfernt von meinem Heimatland, jetzt Menschen, die sich freuen, wenn sie mich wiedersehen und die ich auch gerne besuchen möchte. Und das, obwohl ich sie nur zwei Monate nicht gesehen hatte und davor auch nur 6 Monate lang kennenlernte. Ich kann mich noch an das Gefühl erinnern, als mir nach einigen Monaten in Seoul klar wurde, dass ich mich trotz der Anfangsschwierigkeiten eingelebt hatte. Aber jetzt, in den letzten zwei Monaten, hatte ich wirklich das Gefühl, dass ich hier lebe. Ich lasse nicht nur die Zeit an mir vorbeistreichen und tue das Beste in der Situation, das halt geht, sondern ich bin wirklich in der Lage, das zu tun, was ich machen möchte, ohne Kompromisse zu machen, weil ich mich etwas nicht traue oder denke, dass ich es nicht hinbekomme oder niemanden habe, mit dem ich es machen kann.

Das hat bestimmt auch etwas mit dem ersten Satz dieses Blogs zu tun. Denn mein Koreanisch ist jetzt auf einem Level, dass ich doch in den meisten Situation mit jedem reden kann, falls ich wollte. Natürlich schleicht sich hier und da dann doch ein englisches Wort mit ein. Die meisten Menschen, mit denen ich rede, sagen immer wieder, dass sie Sorgen hatten, ob das mit der Kommunikation funktioniert, weil sie ja nicht so gut Englisch sprechen können. Aber weil mein Koreanisch so gut ist, sind sie jetzt erleichtert. Und das ist genau das, was ich so gern hören wollte.

Der Grund, warum ich in den letzten beiden Monaten noch intensiver mit Koreanisch konfrontiert wurde, war, dass ich bei mehreren Gastfamilien wohnte. Meine letzte Station im Freiwilligendiens führte mich zu einer Gemeinde in Gwangju. Und während dieser Zeit lebte ich bei verschiedenen Familien, die sich freiwillig gemeldet hatten, mich jeweils für eine Woche zu beherbergen. Ich begab mich also jeden Donnerstag auf Wanderschaft. Das war anstrengend. Dadurch habe ich aber dann auch auf ganz einfache Weise die verschiedenen Mitglieder der Kirchengemeinde kennenlernen können.

Die „Erste Kirche von Gwangju“ (so der Name) ist eine der ältesten und auch größten Kirchen in Gwangju. In einer so großen Kirche gibt es neben sehr vielen Menschen natürlich auch viele Angebote für Jung, Alt und Dazwischen und dementsprechend auch viele Ehrenamtliche, die sich in der Kirche einbringen. Und genau bei diesen Ehrenamtlichen durfte ich leben. Und so habe ich einfach nur gestaunt und mich an ihrem Engagement erfreut. Und noch mehr habe ich mich gefreut, wenn sie mich mit eingebunden haben. So habe ich an einem Gottesdienst sowohl beim Theaterstück geschauspielert als auch im Orchester Querflöte gespielt. An besagtem Sonntag war Familiengottesdienst. Das heißt, es gab einen Gottesdienst, an dem alle gemeinsam teilgenommen haben, beziehungsweise zwei, weil sonst der Platz nicht ausreicht.

Denn normalerweise gibt es in der „Ersten Kirche in Gwangju“, sonntags vier Gottesdienste um 9 Uhr, 11 Uhr, 13.30 Uhr und 19.30 Uhr. Dazu kommen dann noch eigene Kindergottesdienste für die verschiedenen Altersgruppen der Schul- und Kindergartenkinder (aufgeteilt in sechs Gruppen), alle parallel. Unter der Woche finden Mittwoch- und Freitagsabend Gottesdienste statt. Und zum Schluss gibt es noch die 30-minütigen Andachten von Montag bis Samstag morgens um 5.30 Uhr. Und ich kann euch aus eigener Erfahrung sagen (ich war bei jedem Gottesdienst mindestens einmal), dass auch wirklich zu jedem dieser Gottesdienste Leute kommen (ja, auch um 5.30 Uhr morgens). Natürlich unterscheidet sich die Anzahl der Besucher jeweils, aber es war gefühlt immer mehr als bei uns in der Kleinstadt an einem normalen Sonntag zum Gottesdienst gekommen sind. Mir hat die Anzahl der Gottesdienste ziemlich imponiert, auch einfach wegen des Arbeitsaufwandes für die Pfarrer. Insgesamt sind das 7, mit noch drei weiteren, die nur für die Kindergottesdienste am Sonntag kommen. Und natürlich rede ich hier auch von einer großen Kirche mit größeren Möglichkeiten, auf dem Land sind die Kirchen bestimmt kleiner und haben nicht diese Masse an Gottesdienste. Aber da ein Großteil der Koreaner eben in der Stadt wohnt, ist die „Erste Kirche Gwangju’s“ auch keine Besonderheit.

Dafür war ich aber eine Besonderheit. So als Ausländerin in der Kirche. Es gab genau eine andere weiße Person in der 70köpfigen Jugendgruppe. Und das ist mir auch aufgefallen in den Interaktionen mit den verschiedenen Gemeindegliedern. Ich habe mich fast ein bisschen wie ein Celebrity gefühlt, da immer wieder Leute zu mir kamen, sich mit mir treffen wollten. Ich war jedes Wochenende ausgebucht. Ich wurde als hübscheste Person während eines Jugendtreffs ausgewählt und habe immer wieder Komplimente bekommen. Sehr oft hieß es dann: „Wow, du bist (hübsch) wie eine Puppe!“ oder „Dein Gesicht ist wirklich klein“. (Was als Kompliment gilt, sich aber doch zuerst etwas komisch anfühlte) Und ich muss ehrlich sein, ich habe die Aufmerksamkeit echt genossen. Vorher hing es viel an meiner eigenen Initiative, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen oder sie zu treffen und Freundschaften zu schließen. Und genau deswegen war es so schade, dass ich so schnell nach einem Monat wieder gehen musste. Viele der Beziehungen, die kurz nur angerissen wurden, hätten bestimmt über die Zeit noch richtig aufblühen können und hätten dann auch eine Tragweite, die sich über meine Zeit in Korea gespannt hätte. Aber so verläuft sich wohl viel. Was bleibt, ist trotzdem die Gewissheit, dass ich wieder zurückkommen kann, auch wenn ich zwei Jahre lang keinen Kontakt mit den Pfarrern oder Gemeindemitgliedern habe. Ich kann sie dann wieder anschreiben und werde mit Sicherheit genauso herzlich empfangen. Denn das hier ist erst der Anfang meines Weges mit Korea und der koreanischen Kirche.

Das ist zumindest mein Wunsch. Und so bin ich im Hinterkopf schon am Planen, wie mein Lebensweg wieder nach Korea führen kann und wo genau ich dann überhaupt hinmöchte - da ich nun den Luxus habe, an verschiedenen Orten Menschen zu kennen, die mich wieder bei sich aufnehmen würden. Aber das Ganze funktioniert natürlich auch andersrum. Ich habe mich so gefreut eine Bekannte aus Korea in Deutschland zu begrüßen und warte jetzt schon gespannt auf das nächste Mission Council der EMS bei dem ich Jihye, einer Pfarrerin, mit der ich gerade Englisch übe, wiedersehen kann. Ich habe in Korea und gerade in Gwangju so viel Gastfreundschaft erfahren, dass ich diese nur zu gerne weitergeben möchte.

Semi, eine junge Erwachsene, mit der ich meinen letzten Abend in Korea verbrachte und welche sich so gut in den ersten schweren Wochen in Seoul um mich gekümmert hat, nannte als Grund auch immer, dass sie versteht, wie schwer es in einem neuen Land ist. Sie kam gerade zurück von drei Monaten individuellem Lernen in Spanien. Und genau wie Semi möchte ich jetzt weiter durch meine Unizeit gehen. Für Menschen da sein, weil andere Menschen für mich da waren und ich weiß, wie schwer es ist, wenn man so was nicht hat. Es ist mein eigenes kleines Verständnis von Johannes 15, 12: Dass ich andere liebe, so wie ich geliebt wurde.

Und mit diesen Worten….

안녕히 계세요. Bleiben Sie wohl behütet!

Christine Zobel

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Das hier ist der Senioren-Treff und ich durfte mit beim Sport machen (Foto: EMS/Kang/1. Kirche Gwangju)
Das hier ist der Senioren-Treff und ich durfte mit beim Sport machen (Foto: EMS/Kang/1. Kirche Gwangju)
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Neben mir in der Mitte ist meine Vorgesetzte Chae Songhee, die extra zum Übersetzen meines Vortrags mehrere Stunden Zug gefahren ist (Ich teile mir mit ihr jetzt auch den Nachnamen im Koreanischen) (Foto: EMS/Josep/Dail Church)
Neben mir in der Mitte ist meine Vorgesetzte Chae Songhee, die extra zum Übersetzen meines Vortrags mehrere Stunden Zug gefahren ist (Ich teile mir mit ihr jetzt auch den Nachnamen im Koreanischen) (Foto: EMS/Josep/Dail Church)

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